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Cool down, Wedding!

15. Februar 2021
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Der Plöt­zen­see ist der größ­te Schatz im Wed­ding, viel­leicht weil so etwas Grü­nes und Schö­nes so gar nicht in das Bild vom grau­en Arbei­ter­stadt­teil pas­sen will. Aber zugleich ist alles, was die Men­schen auf oder in dem See trei­ben, ein Riesen-Aufregerthema.

Den Menschen etwas zutrauen

Ein klei­ner Groll geht um bei dem Autor die­ser Zei­len. Es geht um Bil­der vom Rodeln, vom Eis­ba­den oder vom Schlitt­schuh­lau­fen auf dem Plöt­zen­see. Kaum tau­chen Bil­der die­ser Art in den sozia­len Netz­wer­ken auf, ist die ers­te Reak­ti­on nicht „oh wie toll“, „schö­ne Bil­der“, „schö­ne Son­ne“, „gutes Wet­ter“. Es heißt: Geht nach Hau­se, geht rein, geht run­ter, geht raus. So nicht. Nein. Das Gan­ze gip­felt dann nur noch in sich gegen­sei­tig beja­hen­den Face­book-Kom­men­ta­ren à la „genau mei­ne Mei­nung“, „rich­tig so“, „toll gesagt“. Haupt­sa­che kommentiert.

Natür­lich ist der Rodel­berg etwas vol­ler als sonst in der Reh­ber­ge. Muss aber unter jedem Foto erklärt wer­den, dass es auf den Bil­dern vol­ler aus­sieht als es ist, dass dort kein Ischgl-Like-Schlit­ten­ver­leih steht, an dem die Men­schen eng an eng in der Schlan­ge ste­hen, oder eine Tiro­ler Seil­bahn fährt, an der man sich ein­reiht und mit Frem­den war­tet?

Natür­lich wer­den in Ber­lin kei­ne Eis­flä­chen frei­ge­ge­ben, Poli­zei und Feu­er­wehr sind ja nicht blöd. Aber das stän­di­ge Wie­der­ho­len von „aber die sind nicht frei­ge­ge­ben“ ist auch irgend­wie ver­schwen­de­te Lebens­zeit – und das zu lesen auch. Man könn­te den Leu­ten vor Ort auch eine gewis­se Selbst­ein­schät­zung zutrau­en, ob sie sich vom Ufer nun 15 oder 30 Meter weit ent­fer­nen. Kru­de Ver­glei­che wie „da ist doch schon im Som­mer jemand gestor­ben“ oder „lest ihr denn nicht, dass an See X jemand ein­ge­bro­chen ist“ brin­gen einen da nicht wei­ter. Jeder See ist anders, der eine hat Zuläu­fe, der ande­re nicht. Der eine ist tief, der ande­re nicht, der ande­re breit, der ande­re lang. Der eine Mensch blöd, der ande­re nicht.

Cool down! Leute auf dem zugefrorenen See.
Der Plöt­zen­see Mit­te Februar

Ob Hin­weis­schil­der für Waf­feln am Strand­bad nun geeig­net sind, die Leu­te über den See zu locken, das sei mal dahin­ge­stellt. Aber sie wur­den schnell ent­fernt und das auch ohne das devo­te Hin­wei­sen à la „guck mal Poli­zei-Ber­lin, seht ihr das auch“? In der Freu­de über eine gute Zeit an der fri­schen Luft in die­sen Tagen darf das auch mal pas­sie­ren. Außer Robo­tern und Nörg­lern.

Natür­lich ist das Eis­ba­den nicht unge­fähr­lich, aber nun zum Kurz­zeit-Win­ter immer die glei­che Lei­er  – „da baden Leu­te im Eis, aber ihr geht über den See“. Wo ist denn da der Zusam­men­hang? Ja, im Trep­tower Park sind Eis­ba­den­de ver­un­glückt, ein Eis­ba­der sogar ver­stor­ben. So steht es in der Über­schrift – man könn­te aber auch lesen, wie es dazu kam – vor dem Tei­len.
Wenn die Eis­ba­der gera­de kei­ne Löcher in das Eis schla­gen, um den Rest des Plöt­zen­sees abdrif­ten zu las­sen, geht der über­wie­gen­de Teil von ihnen direkt von den Stein­trep­pen in das kal­te Nass, aber die ers­te Reak­ti­on ist zumeist: „die klet­tern alle über den Zaun, nein – das dür­fen die nicht“.
Das Phä­no­men des Eis­ba­dens, auch bedingt durch Coro­na, bekommt gera­de mehr Auf­merk­sam­keit und Zulauf als die Jah­re davor. Spie­gel, rbb, sueddeutsche.de, alle schrei­ben dar­über. Über die, die schon seit Jah­ren dabei sind, und die, die sich seit dem Herbst lang­sam dar­an gewöhnt haben. Das ist gut, somit ist nun jeder ein Exper­te mehr in einer Sache.

Eis­ba­der – nein – nicht am Schlitt­schuh-Wochen­en­de © Eva Riess

Im Gegen­satz zu den Tem­pe­ra­tu­ren kochen beim The­ma Plöt­zen­see immer wie­der die Emo­tio­nen hoch. Wie wäre es mit etwas mehr Gelas­sen­heit? Eis­lau­fen fällt in die­ser Sai­son weit­ge­hend aus, da das Eri­ka-Hess-Eis­sta­di­on zum Impf­zen­trum umfunk­tio­niert wur­de. Wer sich aufs Eis traut, muss – zumin­dest als Erwach­se­ner – die Ver­ant­wor­tung dafür über­neh­men. Kin­der soll­ten also nicht leicht­fer­tig aufs Eis mit­ge­nom­men wer­den. Und wer meint, den Extrem­sport des Eis­ba­dens aus­üben zu müs­sen, tut das am bes­ten nicht allein und mit der gebo­te­nen Sorg­falt. Aber wenn die Per­son das doch weiß, wohin dann mit den eige­nen Kom­men­ta­ren? Viel­leicht küh­len die über­hitz­ten Dis­kus­sio­nen wie­der ein biss­chen ab, wenn es wär­mer wird.

Nun gibt es bestimmt Men­schen, die das Gan­ze kom­plett anders sehen, hof­fent­lich – teilt uns das doch ger­ne mit. Viel­leicht auch nüch­tern und kühl. 

Andaras Hahn

Andaras Hahn ist seit 2010 Weddinger. Er kommt eigentlich aus Mecklenburg-Vorpommern. Schreibt assoziativ, weiß aber nicht, was das heißt und ob das gut ist. Macht manchmal Fotos: @siehs_mal
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11 Comments Leave a Reply

  1. Ich fin­de du regst dich genau­so (künst­lich oder über­mäs­sig) über die ande­ren Leu­te auf, wie die sich über die “Regel­bre­cher”.

    Fakt ist nun­mal, dass wir alle im glei­chen Boot sit­zen und wenn man­che mei­nen “Schau­keln ist doch lus­tig”, dann mag das stim­men, aber letzt­lich muss dann der Rest aus­glei­chen, damit das Boot nicht ken­tert. Und wenn dann einer der Spass­vö­gel über Bord geht, tja, was dann? Dann muss wahr­schein­lich einer hin­ter­her sprin­gen und den ret­ten. Toll.

  2. Wir haben das Wochen­en­de mit Schlitt­schu­hen, guter Lau­ne und lecke­ren Waf­feln auf dem See genos­sen, dan­ke für die­sen Arti­kel, stän­di­ge Nörg­ler links raus 🙂

  3. “Man könn­te den Leu­ten auch eine gewis­se Selbst­ein­schät­zung zutrauen”

    Andar­as – Selbst­ein­schät­zung, ‑ver­ant­wor­tung, oder Zutrau­en zu der­lei sind Merk­ma­le der Alten Normalität. 

    Willst Du die etwa still und heim­lich wie­der­ha­ben, gar so etwas unver­ant­wort­lich indi­vi­dua­li­sti­ches wie Art. 2(1) GG: 

    “Jeder hat das Recht auf die freie Ent­fal­tung sei­ner Per­sön­lich­keit, soweit er nicht die Rech­te ande­rer ver­letzt und nicht gegen die ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ord­nung oder das Sit­ten­ge­setz verstößt.”

    Die­ser Arti­kel wird irgend­wann wie­der in Kraft tre­ten, aller­dings mit zwei zeit­ge­mä­ßen Änderungen:
    1) “die Rech­te ande­rer abs­trakt gefähr­det” statt “ver­letzt” – so lan­ge wol­len wir nicht war­ten, bis etwas ver­letzt wird!
    2) “Sit­ten­ge­setz ver­stößt” ist ein alter Zopf. Daher wird es zukünf­tig hei­ßen “gegen gesun­de Ansich­ten der Mit­bür­ger verstößt”

  4. Die Pan­de­mie hat lei­der immer wie­der gezeigt, dass auf den Ver­stand der Men­schen zu ver­trau­en nicht ganz­heit­lich funk­tio­niert. Gemacht wird, was nicht expli­zit ver­bo­ten wird bzw mitt­ler­wei­le auch was nicht per­ma­nent kon­trol­liert wird.
    Wir hän­gen da alle zusam­men drin. Und Bil­der von Ansamm­lun­gen von Men­schen wir­ken sehr demo­ra­li­sie­rend auf Per­so­nen, die sehr auf Abstand ach­ten. Wenn es auf den Bil­dern per­spek­ti­visch endet aus­sieht als es ist, dann wäre even­tu­ell bes­ser eine rea­lis­ti­sches Abbild zu wählen?

    • ja das mit der Per­spek­ti­ve ist immer sone Sache. Der/die Foto­gra­fin hat ja auch immer sei­nen Blick im Sinn und ist vor Ort. Geht man zu nah ran, ist es wie­der recht am eige­nen Bild. Es reicht ja auch wenn eine Per­son schreibt “das sieht aber dicht aus” -> dann Erklä­rung. Aber soweit lesen ja die nächs­ten 10 gar nicht mehr. dreht sich halt im Kreis. Egal ob Rodeln, Eis­ba­den oder sonst was.
      mfg

  5. Hi Andar­as,

    ich stim­me dir und dei­nem Arti­kel zu 90% zu. Die Akti­on vom Strand­bad, ein Schild auf­zu­stel­len, dass die Leu­te über den See zu sich lockt war aber ein­fach dane­ben und gefähr­lich. Ich fin­de das kann man auch so benen­nen und die Ver­ant­wort­li­chen dafür kri­ti­sie­ren, sogar scharf kritisieren. 

    Lie­be Grüße
    Nico

    • ja das war viel­leicht nicht “klug”, aller­dings sind die Betrei­ber ja auch nicht igno­rant. Ein ein­fa­ches anschrei­ben reicht da aus, mit der Fra­ge, ob die Idee so cool ist, statt gleich die Poli­zei zu ver­lin­ken, weil’s so ein­fach ist.
      Die rest­li­chen 10% Glück oder Ver­trau­en, wenn da so ein Schild steht, muss und kann dann jeder sel­ber wis­sen – ob er den ande­ren 20 Leu­ten auf dem Eis sich anschließt, oder ein­mal rum­läuft – das wäre ja mög­lich gewesen.

      mfg

  6. Ich ver­ste­he den Sinn die­ses lan­gen Expo­sées nicht wirklich.
    Wor­über regt sich der Autor auf?
    Ich rege mich dar­über auf, dass es so vie­le unver­nünf­ti­ge Men­schen gibt, die trotz der – Ihrer Ansicht nach über­flüs­si­gen War­nun­gen – sich aufs Eis bege­ben und die Poli­zei sich genö­tigt fühlt, Hub­schrau­ber zu ihrem Schutz ein­zu­set­zen, als ob die Poli­zei nicht Wich­te­ge­res zu tun hätte.…
    Wer bezahlt eigent­lich die Ret­tings­ak­ti­on, wenn sich so ein unver­nünf­ti­ger Mensch, trotz all die­ser – über­flüs­si­gen???? – War­nun­gen plötz­lich auf einer Eis­schol­le trei­bend befindet?
    Noch ein­mal: die­ser Arti­kel ist so über­flüs­sig wie ein Stroh­halm zum Eislaufen.

    • der Sinn steht in der Über­schrift – was die Poli­zei denkt und tut erschließt sich nicht immer.
      Wer es schafft, auf einer Eis­schol­le auf dem Plöt­zen­see abzu­trei­ben, hat zumin­dest einen Zu/Abfluss gefun­den – denn in die­sem obi­gen Kom­men­tar geht es wie erwähnt nur um Plöt­zen­see und Reh­ber­ge – vor­ran­gig bei die­sem gera­de herr­schen­den Wet­ter – wel­ches in weni­gen Stun­den in die Plus­gra­de wechselt. 

      “Noch ein­mal: die­ser Arti­kel ist so über­flüs­sig wie ein Stroh­halm zum Eislaufen”
      Das ist ok und mög­lich, reiht sich damit aber gut in die sonst so übli­chen Kom­men­ta­ren zum The­ma ein.

      mfg

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