Der Plötzensee ist der größte Schatz im Wedding, vielleicht weil so etwas Grünes und Schönes so gar nicht in das Bild vom grauen Arbeiterstadtteil passen will. Aber zugleich ist alles, was die Menschen auf oder in dem See treiben, ein Riesen-Aufregerthema.
Den Menschen etwas zutrauen
Ein kleiner Groll geht um bei dem Autor dieser Zeilen. Es geht um Bilder vom Rodeln, vom Eisbaden oder vom Schlittschuhlaufen auf dem Plötzensee. Kaum tauchen Bilder dieser Art in den sozialen Netzwerken auf, ist die erste Reaktion nicht „oh wie toll“, „schöne Bilder“, „schöne Sonne“, „gutes Wetter“. Es heißt: Geht nach Hause, geht rein, geht runter, geht raus. So nicht. Nein. Das Ganze gipfelt dann nur noch in sich gegenseitig bejahenden Facebook-Kommentaren à la „genau meine Meinung“, „richtig so“, „toll gesagt“. Hauptsache kommentiert.
Natürlich ist der Rodelberg etwas voller als sonst in der Rehberge. Muss aber unter jedem Foto erklärt werden, dass es auf den Bildern voller aussieht als es ist, dass dort kein Ischgl-Like-Schlittenverleih steht, an dem die Menschen eng an eng in der Schlange stehen, oder eine Tiroler Seilbahn fährt, an der man sich einreiht und mit Fremden wartet?
Natürlich werden in Berlin keine Eisflächen freigegeben, Polizei und Feuerwehr sind ja nicht blöd. Aber das ständige Wiederholen von „aber die sind nicht freigegeben“ ist auch irgendwie verschwendete Lebenszeit – und das zu lesen auch. Man könnte den Leuten vor Ort auch eine gewisse Selbsteinschätzung zutrauen, ob sie sich vom Ufer nun 15 oder 30 Meter weit entfernen. Krude Vergleiche wie „da ist doch schon im Sommer jemand gestorben“ oder „lest ihr denn nicht, dass an See X jemand eingebrochen ist“ bringen einen da nicht weiter. Jeder See ist anders, der eine hat Zuläufe, der andere nicht. Der eine ist tief, der andere nicht, der andere breit, der andere lang. Der eine Mensch blöd, der andere nicht.
Ob Hinweisschilder für Waffeln am Strandbad nun geeignet sind, die Leute über den See zu locken, das sei mal dahingestellt. Aber sie wurden schnell entfernt und das auch ohne das devote Hinweisen à la „guck mal Polizei-Berlin, seht ihr das auch“? In der Freude über eine gute Zeit an der frischen Luft in diesen Tagen darf das auch mal passieren. Außer Robotern und Nörglern.
Natürlich ist das Eisbaden nicht ungefährlich, aber nun zum Kurzzeit-Winter immer die gleiche Leier – „da baden Leute im Eis, aber ihr geht über den See“. Wo ist denn da der Zusammenhang? Ja, im Treptower Park sind Eisbadende verunglückt, ein Eisbader sogar verstorben. So steht es in der Überschrift – man könnte aber auch lesen, wie es dazu kam – vor dem Teilen.
Wenn die Eisbader gerade keine Löcher in das Eis schlagen, um den Rest des Plötzensees abdriften zu lassen, geht der überwiegende Teil von ihnen direkt von den Steintreppen in das kalte Nass, aber die erste Reaktion ist zumeist: „die klettern alle über den Zaun, nein – das dürfen die nicht“.
Das Phänomen des Eisbadens, auch bedingt durch Corona, bekommt gerade mehr Aufmerksamkeit und Zulauf als die Jahre davor. Spiegel, rbb, sueddeutsche.de, alle schreiben darüber. Über die, die schon seit Jahren dabei sind, und die, die sich seit dem Herbst langsam daran gewöhnt haben. Das ist gut, somit ist nun jeder ein Experte mehr in einer Sache.
Im Gegensatz zu den Temperaturen kochen beim Thema Plötzensee immer wieder die Emotionen hoch. Wie wäre es mit etwas mehr Gelassenheit? Eislaufen fällt in dieser Saison weitgehend aus, da das Erika-Hess-Eisstadion zum Impfzentrum umfunktioniert wurde. Wer sich aufs Eis traut, muss – zumindest als Erwachsener – die Verantwortung dafür übernehmen. Kinder sollten also nicht leichtfertig aufs Eis mitgenommen werden. Und wer meint, den Extremsport des Eisbadens ausüben zu müssen, tut das am besten nicht allein und mit der gebotenen Sorgfalt. Aber wenn die Person das doch weiß, wohin dann mit den eigenen Kommentaren? Vielleicht kühlen die überhitzten Diskussionen wieder ein bisschen ab, wenn es wärmer wird.
Nun gibt es bestimmt Menschen, die das Ganze komplett anders sehen, hoffentlich – teilt uns das doch gerne mit. Vielleicht auch nüchtern und kühl.
Ich finde du regst dich genauso (künstlich oder übermässig) über die anderen Leute auf, wie die sich über die “Regelbrecher”.
Fakt ist nunmal, dass wir alle im gleichen Boot sitzen und wenn manche meinen “Schaukeln ist doch lustig”, dann mag das stimmen, aber letztlich muss dann der Rest ausgleichen, damit das Boot nicht kentert. Und wenn dann einer der Spassvögel über Bord geht, tja, was dann? Dann muss wahrscheinlich einer hinterher springen und den retten. Toll.
Wir haben das Wochenende mit Schlittschuhen, guter Laune und leckeren Waffeln auf dem See genossen, danke für diesen Artikel, ständige Nörgler links raus 🙂
“Man könnte den Leuten auch eine gewisse Selbsteinschätzung zutrauen”
Andaras – Selbsteinschätzung, ‑verantwortung, oder Zutrauen zu derlei sind Merkmale der Alten Normalität.
Willst Du die etwa still und heimlich wiederhaben, gar so etwas unverantwortlich individualistiches wie Art. 2(1) GG:
“Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.”
Dieser Artikel wird irgendwann wieder in Kraft treten, allerdings mit zwei zeitgemäßen Änderungen:
1) “die Rechte anderer abstrakt gefährdet” statt “verletzt” – so lange wollen wir nicht warten, bis etwas verletzt wird!
2) “Sittengesetz verstößt” ist ein alter Zopf. Daher wird es zukünftig heißen “gegen gesunde Ansichten der Mitbürger verstößt”
Die Pandemie hat leider immer wieder gezeigt, dass auf den Verstand der Menschen zu vertrauen nicht ganzheitlich funktioniert. Gemacht wird, was nicht explizit verboten wird bzw mittlerweile auch was nicht permanent kontrolliert wird.
Wir hängen da alle zusammen drin. Und Bilder von Ansammlungen von Menschen wirken sehr demoralisierend auf Personen, die sehr auf Abstand achten. Wenn es auf den Bildern perspektivisch endet aussieht als es ist, dann wäre eventuell besser eine realistisches Abbild zu wählen?
ja das mit der Perspektive ist immer sone Sache. Der/die Fotografin hat ja auch immer seinen Blick im Sinn und ist vor Ort. Geht man zu nah ran, ist es wieder recht am eigenen Bild. Es reicht ja auch wenn eine Person schreibt “das sieht aber dicht aus” -> dann Erklärung. Aber soweit lesen ja die nächsten 10 gar nicht mehr. dreht sich halt im Kreis. Egal ob Rodeln, Eisbaden oder sonst was.
mfg
Hi Andaras,
ich stimme dir und deinem Artikel zu 90% zu. Die Aktion vom Strandbad, ein Schild aufzustellen, dass die Leute über den See zu sich lockt war aber einfach daneben und gefährlich. Ich finde das kann man auch so benennen und die Verantwortlichen dafür kritisieren, sogar scharf kritisieren.
Liebe Grüße
Nico
ja das war vielleicht nicht “klug”, allerdings sind die Betreiber ja auch nicht ignorant. Ein einfaches anschreiben reicht da aus, mit der Frage, ob die Idee so cool ist, statt gleich die Polizei zu verlinken, weil’s so einfach ist.
Die restlichen 10% Glück oder Vertrauen, wenn da so ein Schild steht, muss und kann dann jeder selber wissen – ob er den anderen 20 Leuten auf dem Eis sich anschließt, oder einmal rumläuft – das wäre ja möglich gewesen.
mfg
Ich verstehe den Sinn dieses langen Exposées nicht wirklich.
Worüber regt sich der Autor auf?
Ich rege mich darüber auf, dass es so viele unvernünftige Menschen gibt, die trotz der – Ihrer Ansicht nach überflüssigen Warnungen – sich aufs Eis begeben und die Polizei sich genötigt fühlt, Hubschrauber zu ihrem Schutz einzusetzen, als ob die Polizei nicht Wichtegeres zu tun hätte.…
Wer bezahlt eigentlich die Rettingsaktion, wenn sich so ein unvernünftiger Mensch, trotz all dieser – überflüssigen???? – Warnungen plötzlich auf einer Eisscholle treibend befindet?
Noch einmal: dieser Artikel ist so überflüssig wie ein Strohhalm zum Eislaufen.
der Sinn steht in der Überschrift – was die Polizei denkt und tut erschließt sich nicht immer.
Wer es schafft, auf einer Eisscholle auf dem Plötzensee abzutreiben, hat zumindest einen Zu/Abfluss gefunden – denn in diesem obigen Kommentar geht es wie erwähnt nur um Plötzensee und Rehberge – vorrangig bei diesem gerade herrschenden Wetter – welches in wenigen Stunden in die Plusgrade wechselt.
“Noch einmal: dieser Artikel ist so überflüssig wie ein Strohhalm zum Eislaufen”
Das ist ok und möglich, reiht sich damit aber gut in die sonst so üblichen Kommentaren zum Thema ein.
mfg
Danke, danke, danke Andaras. Ich könnte stundenlang weiter deine Beiträge lesen. Exakt: wir sollten die Kuh auf dem Eis lassen. 😉
danke 😀