Am 3. Juni, dem Weltfahrradtag, führte “Changing Cities” zum wiederholten Mal eine Aktion auf der Müllerstraße durch. Diesmal sicherten zahlreiche “menschliche Poller” in rot-weißem Overall einen Radstreifen vor dem Karstadt. Dabei übte die Initiative auch harsche Kritik an der Bezirkspolitik in Mitte.
Geduld benötigt für den Umbau
“Obwohl die Grünen in Mitte sowohl den Bezirksbürgermeister als auch die für Straßen und Grünflächen zuständige Bezirksstadträtin stellen und obwohl sie im Senat das Verkehrsressort leiten, bleibt die Müllerstraße nach wie vor eine der gefährlichsten Straßen für Radfahrende in Berlin”, begründet die Sprecherin der Verkehrsinitiative, Ragnhild Sørensen die Vorliebe ihrer Organisation für Aktionen an der Weddinger Hauptgeschäftsstraße. “Schon mehr als zehn Jahre liegen fertige Planungen für Radwege vor, umgesetzt ist bislang davon nichts. Noch nicht einmal provisorisch sind hier geschützte Radstreifen eingerichtet, wie inzwischen in vielen anderen Bezirken längst geschehen. Wir haben konkrete Vorschläge vorgelegt und damit gezeigt, dass es ginge, wenn man denn wollte. Und wir hören nicht auf, die Umsetzung weiter einzufordern!”
Aber es wird wohl noch längere Zeit dauern, bis die Müllerstraße in Gänze fahrradfreundlich wird. Mit deren lange geplanten Umbau kann nämlich erst begonnen werden, wenn die BVG ihren U‑Bahn-Tunnel unter der Straße fertig saniert hat. Und sie hat gerade erst damit angefangen: weit im Süden, in der Chausseestraße vor dem Bundesnachrichtendienst. Bis sich die Baustelle zur Seestraße vorgearbeitet haben wird, werden noch viele Jahre verstreichen. Immerhin hat der Bezirk inzwischen angekündigt, den Teilbereich der Müllerstraße zwischen S‑Bahnhof Wedding und Leopoldplatz schon vorher mit einem geschützten Radstreifen auszustatten. Der aber bleibt Bruchstück, weil er nicht mit den Radwegen der Chausseestraße verbunden ist: Vor allem der Bereich unter der S‑Bahn-Brücke bleibt Gefahrenstelle, an der sich motorisierter und Radverkehr direkt in die Quere kommen. Hier müssten die Motorfahrzeuge eigentlich schon jetzt eine von ihren zwei Spuren an den Radverkehr abtreten, was später in der umgebauten Müllerstraße nach aktuellem Planungsstand sowieso die Regel sein wird. Aber offenbar stößt diese Idee auf wenig Gegenliebe bei den zuständigen Verkehrsbehörden. Dort scheint man sich nicht im Klaren darüber zu sein, dass de facto in der Müllerstraße auch heute schon meist nur eine Spur für den Motorverkehr zur Verfügung steht, da der rechte Fahrstreifen fast immer irgendwo von einem in zweiter Reihe haltenden Fahrzeug blockiert ist.
Warum überhaupt Autos auf der Müllerstraße?
Der zentrale Geschäftsbereich zwischen Leopoldplatz und Seestraße bleibt zudem erst mal komplett außen vor. Warum kann er eigentlich nicht, wie Teile der Friedrichstraße auch, völlig vom motorisierten Durchgangsverkehr befreit werden? Nach dem Ende von TXL hat die Müllerstraße ihre überregionale Funktion als Flughafenzubringer ja verloren. Zudem kann sie im Nahbereich über die Amrumer und die Afrikanische Straße oder weitläufig über die Ellen-Epstein- und die Erna-Samuel-Straße auf der Moabiter Seite des S‑Bahn-Ringes recht mühelos umfahren werden.
Für die Geschäftsstraße wäre eine massive Verbesserung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum dagegen dringend notwendig: Schon vor Corona wanderten Handelsgeschäfte ab, wie durch die Schließung des Schillerpark Centers augenfällig wurde. Auch Karstadt wurde erst in letzter Minute gerettet – vorübergehend. Nach der Pandemie sind wohl weitaus stärkere politische Signale erforderlich, um den Handelskonzern zum Verbleib am Standort zu motivieren.
Ohne Steigerung der Aufenthaltsqualität und ohne eine Anbindung der Geschäftsstraße an das Radwegenetz der Berliner Innenstadt bleiben solche Bemühungen illusorisch. Denn immer mehr Berlinerinnen und Berliner nutzen das Rad auch für den Einkaufsbummel – und immer weniger den PKW. In neuen Bürohäusern wie am Nettelbeckplatz oder am S‑Bahnhof Wedding finden sich kaum noch Tiefgaragen-Parkplätze, dafür aber jeweils viele Hundert Abstellplätze für Räder. Will man auf die Klientel, die dort arbeitet, für die Müllerstraße wirklich verzichten?
Text: Christof Schaffelder
Dieser Text erschien zuerst in der Sanierungszeitschrift Ecke Müllerstraße Ausgabe Juli 2021
Wozu müssen Radfahrer denn überhaupt auf der Müllerstraße fahren ? Mittlerweile haben Radfahrer genügend breite Radwege um die Müllerstraße zu umfahren. Es muss nun mal etwas mehr ins Verkehrsgeschehen für die Autos und Autofahrer getan werden. Schließlich zahlen wir dafür KFZ Steuern.
Sorry, aber für Steuern gibt es per Definition keine Gegenleistung. Nach Ihrer Logik könnten Sie ja auch durch wegwerfen von Sektflaschen die Gegend verschandeln, weil Sie ja schließlich Sektsteuer zahlen. Außerdem dürfen Sie eh schon mit Ihrem Auto die Luft verpesten, unfassbar teure Autobahnen benutzen und oft auch Ihr Auto kostenlos im öffentlichen Raum abstellen.
Ich besitze übrigens kein funktionierendes Fahrrad und bin selbst Autofahrer.
hallo
und weil das eben alles sehr schwierig zu sein scheint mit einem sicheren radweg auf der müller … habe ich schon lange eine andere option gewählt … gar nicht über die müller zufahren sondern einfach dort wo ich hin möchte kann man wunderbar gefahrlos über die seiten strassen parallel zur müller fahren… so einfach ist das
in diesem sinne
Das, was die Müllerstraße so voll macht ist meiner Meinung nach der Lieferverkehr. Würde sich der bei Schließung der Straße ändern? Die Zulieferung mit Waren an die Geschäfte müsste ja gewährleistet werden. Wäre es nicht möglich, dass der Verkehr dann in die Amrumer Straße und Afrikanische Straße und Genter Straße verlagert werden würde? Die Amrumer Straße würde auf jeden Fall kollabieren. Da wäre kein Durchkommen mehr. Ehrlich gesagt bin ich ratlos, wie sich auf der Müllerstraße die Situation verbessern lassen könnte.
Alle Fußgängerzonen (also für den Kraftverkehr grundsätzlich “geschlossenen” Straßen) werden ja erfolgreich in den Randzeiten mit LKW etc. beliefert, das ist ja überall erlaubt und selbstverständlich. Abgesehen davon haben wir in der Müllerstraße 2×3 Fahrstreifen. Da ist viel Platz für Lieferverkehr, Kurzzeitparken, etc. wenn wir das unkontrollierte private Dauerparken von der Hauptstraße kriegen. Dann hat der Radverkehr einen Fahrstreifen (breit genug auch für Notfall/Feuerwehr) und der MIV einen. Passt.