Die erste Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gestern am 4. November beginnt wie ein Notartermin: alles trocken, alles abgesprochen, die Urkunden zur Ernennung der neuen Stadträte liegen bereit. Doch dann fällt Carsten Spallek (CDU) im ersten Wahlgang bei den Verordneten durch. 25 Stimmen “Ja” und 25 Stimmen “Nein” ist auf der elektronischen Anzeige zu lesen. Fünf Verordnete enthalten sich. Ein Unentschieden genügt nicht, um Stadtrat zu werden. Eine peinliche Pause entsteht. Der zweite Wahlgang bringt Carsten Spallek zwar durchs Ziel, aber nicht die Wende.
Die Pause beträgt zunächst 15 Minuten, der Ältestenrat tritt zusammen. Der Rat ist eine verkleinerte BVV mit 15 Mitgliedern, die übergreifende Fragen wie zum Beispiel die Geschäftsordnung behandelt. Ergebnis: Die Grünen als stärkste Fraktion beantragen eine weitere Pause von noch einmal 15 Minuten.
Eine wirkliche Wende bringt die Denkpause nicht. Im zweiten Wahlgang sieht das Ergebnis für Carsten Spallek ähnlich aus. Nur eine Nuance hat sich verschoben, für ihn zum Positiven. Nun entscheiden sich 26 Verordnete für ihn, 25 bleiben gegen ihn, und vier enthalten sich. Es reicht für die Wahl zum Stadtrat. Die absolute Mehrheit von 28 Stimmen ist nicht erforderlich. “Ich bedanke mich bei allen, die mir ihr Vertrauen ausgesprochen haben und bei den anderen, die mir die Chance gegeben haben, es aufzubauen”, kommentiert der frisch gewählte Stadtrat.
Zuvor wurden Ephraim Gothe (SPD), Christoph Keller (Linke) und Almut Neumann (Grüne) und später Stefanie Remlinger (Grüne) mit überwältigender Mehrheit zum Stadtrat gewählt. Um die 50 Ja-Stimmen erhielten die vier jeweils. Die Zustimmung reichte also weit über die Zählgemeinschaft aus Grünen und SPD hinaus. Guter Ton in der BVV. Stephan von Dassel erreichte 38 Stimmen. Sein im Vergleich zu den drei anderen Stadträten merkbar niedrigeres Ergebnis dürfte nach der Wahlschlappe von Carsten Spallek kein Thema in der Öffentlichkeit werden. Über Freund- und Gegnerschaften kann nur spekuliert werden, da die BVV die Stadträte geheim wählte.
Zählgemeinschaft und Stadträte
Grüne und SPD haben vor der ersten Sitzung der BVV eine Zählgemeinschaft gebildet. Zweck der Zählgemeinschaft ist es, die Wahl der Stadträte abzusichern. Die Bildung einer Koalition kann als grober Vergleich genommen werden. Grüne und SPD vereinigen in der BVV-Mitte 30 Stimmen auf sich.
Das Wahlergebnis vom 26. September weist den Grünen drei der sechs Stadträte zu. SPD, CDU und Linke erhalten je einen. Welche Aufgaben und Ressorts jedem Stadtrat zugeordnet sind, das hat die Zählgemeinschaft vorab verhandelt. Die Personalentscheidung steht den einzelnen Parteien zu, sie stellen eigenständig für ihren Stadtratposten einen Kandidaten auf.
Üblicherweise werden die Parteivorschläge für den Stadtratposten von der BVV abgenickt, denn dass eine Partei den Posten besetzt, das kann die BVV nicht verhindern. Nur eine einzelne Person ablehnen. Dass in Berlin eine BVV einen Kandidaten für ein Stadtratsamt durchfallen lässt, kommt immer mal wieder vor. Nicht nur AfD-Politiker scheitern an BVV-Mehrheiten. Evrim Sommer von den Linken konnte 2016 nicht Bürgermeisterin in Lichtenberg werden, weil die BVV sie nicht akzeptierte. In Reinickendorf gab es mehrere Aufstellungen und Ablehnungen für Marco Käber von der SPD, der 2016 bis zur Wahl lediglich nachrücken sollte. In Steglitz-Zehlendorf traf es im Herbst 2016 die SPD-Stadträtin Franziska Drohsel, die keine Mehrheit fand. Für Carsten Spallek ist es in Mitte zwar knapp, aber noch einmal gut ausgegangen.