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Bunte Spuren im grauen Weddinger Winter

30. Dezember 2017

Foto: Annika KeilenMit grim­mi­gem Gesicht schla­ge ich mich durch die Mas­sen, die mit eili­gen Schrit­ten aus der S‑Bahn huschen. Ihre Gesich­ter ver­ste­cken sich hin­ter Woll­müt­zen und dicken Schals. Der Win­ter ist da. Nicht irgend­ein Win­ter, son­dern der gefürch­te­te Ber­li­ner Win­ter – grau und end­los. Von mei­nem Fens­ter am Net­tel­beck­platz aus konn­te ich genau ver­fol­gen, wie die letz­ten Blät­ter ihre bun­te Far­be ver­lo­ren und in eine brau­ne Bio­mas­se über­gin­gen. Übrig blie­ben Mat­sche, nack­te Bäu­me und Hoff­nung. Hoff­nung auf die ein oder ande­re Oase, die es hilft auch bei eisi­gen Tem­pe­ra­tu­ren den Wed­din­ger Win­ter zu über­le­ben. Am Net­tel­beck­platz spre­che ich eine Dame mitt­le­ren Alters an und fra­ge sie nach far­ben­fro­hen Orten im Wed­ding. „Ick kenn kee­nen bun­ten Ort hier. Hier is allet trüb. Aber viel Glück noch.“ Trotz die­ser nicht so erfolgs­ver­hei­ßen­den Ant­wort setz­te ich mei­ne Suche fort.

Spur Nr. 1:  Treue Gefährten

Foto: Annika KeilenDie zwei­te Frau, die ich ansprach, trug einen gepunk­te­ten Schal und ging mit ihrem Hund Gas­si. Nach lan­gem Über­le­gen ent­geg­ne­te sie mir lachend, dass sie das erfolg­rei­che Über­win­tern ihrem Hund zu ver­dan­ken habe: „Bunt sind hier eigent­lich nur die Dro­gen­dea­ler. Die sind aber eigent­lich ganz nett. Wenn mir aber einer doch mal gefähr­lich nahe­kommt, brauch ich mei­nem Hund nur ‘fass’ zu befeh­len.“ Ich beglei­te­te sie noch ein kur­zes Stück und sie zeig­te mir dann ein bun­tes Gebäu­de: Die neue Naza­reth­kir­che. Im neo­go­ti­schen Stil ragt ein 78 Meter hoher Kirch­turm mit hell­blau­er Spit­ze in den Himmel.

Spur Nr. 2: Bunte Spaziergänge

Foto: Annika KeilenDanach sprach ich eine jün­ge­re Pas­san­tin an. Sie muss­te kaum über­le­gen und emp­fahl mir das Pan­keu­fer nahe der Gericht­stra­ße. Über einen Hin­ter­hof der Gericht­stra­ße 23 führt mein Weg auf ein altes Fabrik­ge­län­de. Nicht sel­ten wird es als Kul­tur­oa­se des Wed­ding beschrie­ben. Vor etwa fünf Jah­ren grün­de­te sich hier der Ver­ein Pan­ke e.V., um im Wed­ding einen neu­en Ort für Musik und Kunst zu schaf­fen. Die Pan­ke ver­eint Club, Café und Kunst­ga­le­rie. Einst galt das Gelän­de als nahe­zu geheim. Mitt­ler­wei­le fin­det man am Stand­ort auch ein Fit­ness­stu­dio und ein Out­let. Der Charme der Künst­ler­sze­ne hält sich auch mit stei­gen­der Bekanntheit.

Foto: Annika KeilenHin­ter dem Gelän­de stieß ich dann end­lich auf den lang­ersehn­ten “Kanal”. Die Ufer­pro­me­na­de bot so viel Graf­fi­ti, dass ich am liebs­ten nach jedem Schritt ein Foto gemacht hät­te. Vie­le Spa­zier­gän­ger kamen mir ent­ge­gen und ich bekam das Gefühl, abseits jeg­li­cher Stra­ßen in einem ganz neu­en Teil des Wed­ding ers­te Win­ter­lie­be zu verspüren.

Spur Nr. 3: Dem Winter im Warmen genießen

Foto: Annika KeilenHalb Drei. Zeit für einen Kaf­fee. Dies­mal ver­ließ ich mich auf einen alten Tipp eines Bekann­ten, der mir für Hun­ger und Durst jeg­li­cher Art nichts Gerin­ge­res als „Die Per­le des Wed­ding“ emp­fahl. Die Rede ist vom Schr­a­d­ers, das sich seit 2001 in der Mal­plaquet­stra­ße befin­det. Die dun­kel­ro­ten Decken und das oran­ge­far­be­ne Licht las­sen den Ort zu einer Win­ter­oa­se wer­den. Mit den Klän­gen sanf­ter Jazz­mu­sik im Ohr genie­ße ich mein Heiß­ge­tränk. Tief im Sofa ver­sun­ken las­se ich mich auf die Win­ter­stim­mung des Wed­ding ein.

Text und Fotos: Anni­ka Keilen

 

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