Mastodon

Amtlich versenkt:
Älter als Groß-Berlin: Bootsverleih Fischerpinte am Plötzensee darf nicht verschwinden!

14. Juni 2022
20
Der Bootsverleih am Plötzensee, besser bekannt als Fischerpinte. Wasser und Ruderboote am Steg

„Es ist mir scheiß­egal, wer die­sen Ort hier über­nimmt, aber er soll blei­ben“ sagt Vio­la, Stamm­gäs­tin der Fischer­pin­te am Plöt­zen­see. Die Boo­te schau­keln bedäch­tig auf dem Was­ser. „Sie hören Schla­ger­ra­dio Ber­lin-Bran­den­burg – auf 106 Mega­hertz“, flüs­tert es aus dem Radio. „Die Wie­ner sind fer­tig!“ ruft Mit­ar­bei­te­rin Anja über den Steg. „Ein Bier und eine Brau­se bit­te.“ „Ein Ruder­boot für zwei.“ Die Son­ne scheint auf die Gäs­te des Boots­ver­leih. Hier ist die Welt in Ord­nung. Noch.

Wie beschreibt man am bes­ten einen Ort im Wed­ding, den ein Teil der Wed­din­ger sehr gut kennt, ein Teil über­haupt nicht und bei dem der Rest der Leser und Lese­rin­nen unsi­cher ant­wor­ten wird: “Ach, da unten, wo es die Boo­te gibt, oder?“ Ein Ort, der nicht heu­te vor dem Aus steht, aber in drei, fünf oder zehn Jah­ren. Oder mor­gen.
Und viel­leicht beschreibt das die­ses unauf­ge­reg­te Plätz­chen im Wed­ding am bes­ten. So unauf­ge­regt und lei­se wie die Fischer­pin­te am Ufer des Plöt­zen­sees liegt, so unvor­her­seh­bar ist das „Wie-lan­ge-noch?“.

Es ist wich­tig zu wis­sen, dass die Fischer­pin­te eigent­lich „Düring Wolf­gang Boots­ver­leih“ heißt. Denn salopp gesagt: Stirbt Herr Düring, stirbt die Pin­te. So will es das Amt, genau­er das Stra­ßen- und Grün­flä­chen­amt und das möch­te auch das Umwelt- und Natur­schutz­amt. Die Erlaub­nis, die­sen Ort zu bewirt­schaf­ten, hat ein­zig und allein Herr Düring. Kein Fami­li­en­mit­glied und auch kein poten­zi­el­ler Käu­fer mit dicken Schei­nen im Kof­fer. Kein Aber. Niemand.

Und es ist wich­tig zu wis­sen, dass das Are­al, auf dem sich die Fischer­pin­te befin­det, Land­schafts­schutz- und kein Natur­schutz­ge­biet ist. Die­ser Unter­schied ist gewal­tig, aber nicht zum Nach­teil für das Bootshaus.

Ein Groß­teil der Reh­ber­ge wur­de 1953 als Land­schafts­schutz aus­ge­wie­sen, auch die Sei­te, auf der sich die Fischer­pin­te befin­det, sowie das Gewäs­ser an sich und der Ufer­be­reich. Wären die Reh­ber­ge ein Natur­schutz­ge­biet, wäre jeg­li­cher mensch­li­cher Ein­griff nahe­zu ver­bo­ten. Ein Land­schafts­schutz­ge­biet dage­gen defi­niert sich unter ande­rem durch die „beson­de­re kulturhistorische(n) Bedeu­tung einer Land­schaft oder auch auf­grund ihrer beson­de­ren Bedeu­tung für die Erho­lung“ (Quel­le). Bei­des dürf­te die Fischer­pin­te wohl erfüllen.

Vor rund 34 Jah­ren hat Wolf­gang Düring die Fischer­pin­te erwor­ben. Das Häus­chen, nicht das Grund­stück. Bereits damals exis­tier­te an die­ser Stel­le ein Boots­ver­leih mit Imbiss, genau wie jetzt. Das Gebiet gehör­te dem Senat, jetzt dem Bezirk, genau­er gesagt: Der Pacht­ver­trag mit der Fischer­pin­te ging vom Senat an das Bezirks­amt Mit­te über. Irgend­wann, so ganz klar ist das wohl nicht, wur­de ent­schie­den, dass im Fal­le des Todes von Herrn Düring die Fischer­pin­te zurück­ge­baut wer­den muss. Eben­so im Fal­le einer Geschäfts­auf­ga­be. Haus, Steg. Zaun. Abriss. Platt­ma­chen. Auf eige­ne Kos­ten. Höhe? Nie­mand weiß es.

Eine Kos­ten­schät­zung wür­de durch das Amt erst im Rah­men einer Besei­ti­gungs­an­ord­nung und dro­hen­der Ersatz­vor­nah­me erfol­gen“, heißt es vom Stra­ßen- und Grün­flä­chen­amt.

„Nicht in die Bade­an­stalt rein­fah­ren und nicht zu nah ans Ufer!“ ist der freund­li­che, aber bestimm­te Hin­weis, wenn eines der Ruder- oder Tret­boo­te den Steg ver­lässt. „Und nun viel Spaß!“
Fast genau­so regel­mä­ßig, zur Belus­ti­gung der am Steg sit­zen­den Besu­cher, heißt es danach „Rück­wärts rudern, ihr müsst euch dre­hen. Nee, anders­rum!”. Je nach Geschick und Lam­pen­fie­ber der rudern­den Per­son lässt sich anschlie­ßend ein unge­schick­tes Im-Kreis-Pad­deln beob­ach­ten, bis die rich­ti­ge Hand-Pad­del-Augen-Rücken-Koor­di­na­ti­on ein­ge­nom­men wur­de. Die Gäs­te am Steg ver­ges­sen wäh­rend­des­sen, dass sich neben ihnen die hek­ti­sche Metro­po­le befin­det. Der ent­spann­tes­te Ort im Wed­ding exis­tiert hier nicht nur, er ver­ein­nahmt einen.

Wei­ter unten fin­det ihr den Hin­weis zu einer Unterschriftenaktion

Der Plötzensee mit Steg und Booten. Im Hintergrund der Ausschank der Fischerpinte
Blick vom Steg auf die Fischerpinte

„Ich mach nicht mehr lan­ge, küm­me­re dich um Wolf­gang“, war eine der letz­ten Anwei­sun­gen von Moni­ka Düring. Moni­ka, das ist die Frau von Herrn Düring. Wenn Besu­cher sie beschrei­ben müss­ten, reicht zu sagen „Die Frau mit dem Atem­ge­rät und Kip­pe, die Stren­ge”, oder ein­fach „die Che­fin”. Nie­mand kann an einem Sau­er­stoff­ge­rät hän­gen und wäh­rend­des­sen so gemüt­lich eine paf­fen. Sie schon. Moni­ka Düring saß immer an ihrem Plöt­zen­see, sie atmet den See, die Fee vom Plöt­zen­see titel­te der Tages­spie­gel vor eini­gen Jah­ren. Sie stand anfangs allein in der Küche. Hat Essen zube­rei­tet, Boo­te raus­ge­ge­ben, aus­ge­schenkt, im Som­mer nie frei gemacht. „Des­we­gen isse so kaputt gewe­sen, weil sie immer 100% geben woll­te. Man muss­te ver­su­chen mit ihr klar­zu­kom­men. Für Leu­te, die kein Geld hat­ten, hat sie alles gemacht. Herz­lich war sie, inner­lich. Als ich das ers­te Mal hier war, dach­te ich nur: ›Oh Gott‹. Ich bin zusam­men­ge­zuckt, nur wegen ihrer Stim­me, aber ab dann wur­de regel­mä­ßig geknif­felt. Nun sitzt Moni­ka da oben und sagt: ›Ihr kommt jetzt klar!‹ “, so beschreibt sie eine Besu­che­rin. Denn Moni­ka Düring ist tot – im April ver­stor­ben. Nach Außen war sie die Che­fin, aber nicht auf dem Papier. Sonst wäre die­ser Ort bereits Geschich­te. Es ver­deut­licht, wie schnell hier alles vor­bei sein kann.

Fotos: Andar­as Hahn

Zurück zu Wolf­gang Düring. Mitt­ler­wei­le fast 80 Jah­re alt und nur noch sel­ten am Ufer des Plöt­zen­sees zu sehen. Auch er war eine Zeit­lang sehr krank. „Die haben vor­her noch gehei­ra­tet, damit sie (Moni­ka) viel­leicht die Pin­te behal­ten kann“, ver­rät eine Stamm­gäs­tin. „Funk­tio­niert hät­te das nicht, das wis­sen wir nun.“ Und sie plau­dert wei­ter aus: „Die Ren­te für ihn allein reicht nicht, aber die Ein­nah­men aus dem Som­mer müs­sen es“ – um anschlie­ßend über den Win­ter zu kom­men. Wür­de er auf­hö­ren wol­len, woher soll das Geld für den Rück­bau kom­men? Abge­ben kann er es aber auch nicht. „Vor­letz­tes Jahr war das ganz doll. Da kamen ganz vie­le Leu­te und woll­ten kau­fen. Moni­ka woll­te das aber gar nicht, also geht ja eh nicht.“ Und so ist Herr Düring mit dem ent­spann­tes­ten Ort im Wed­ding schick­sal­haft ver­bun­den – eben­so finan­zi­ell und der Ort mit ihm. Eine gegen­sei­ti­ge Abhängigkeit.

Gestemmt wird der Betrieb der Fischer­pin­te haupt­säch­lich von Anja und Bie­ne. Bevor die ers­ten Besu­cher erschei­nen, sind sie schon lan­ge da. Boo­te säu­bern, ein­kau­fen, vor­be­rei­ten, kon­trol­lie­ren. Dann Boo­te raus­ge­ben, aus­schen­ken. „Wie­ner sind fer­tig!“ und wenn ein guter Tag ist, den Gäs­ten Musik­wün­sche erfül­len. Bier ver­kau­fen, Ber­li­ner Wei­ße – nur in Plas­te­be­chern (Auf­la­ge des Amts), Nüs­se, Eis, „was macht ihr da? Weg vom Ufer!“, Kuchen, Fisch­bröt­chen, „Bock­wurst ist fer­tig!“, „Wir haben kei­ne Boo­te mehr“. „Um 21 Uhr ist aber Schluss, schaffst du sonst gar nicht mit zwei Leu­ten. Vor zehn bis­te trotz­dem nicht raus. Die Leu­te wol­len den Son­nen­un­ter­gang sehen, aber nach 12 Stun­den willst du nach Hau­se“. Heißt es. „Vie­le den­ken, du wirst hier reich, aber du kommst gera­de so über den Win­ter. Und es gab schon Jah­re, wo es fast gar nicht mehr ging. Finan­zi­ell.“ Und ergän­zend: „Es wür­de uns am Her­zen lie­gen, die Toi­let­ten neu­zu­ma­chen. Aber wie lan­ge geht das hier noch (mit Herrn Düring)? Man kann kaum nach vor­ne schauen.“

Mitarbeiterin Anja von der Fischerpinte steht am Eingang und bereitet die Sitzplätze für die ersten Gäste vor
Noch nie­mand da, aber geackert wird schon. Anja von der Fischer­pin­te. Foto: Andar­as Hahn

Über das Ver­hält­nis zum nahe­ge­le­ge­nen Strand­bad: „Die haben immer gesagt: wenn was ist, ihr Hil­fe braucht, dann kom­men wir rüber, was wir denen hoch anrech­nen. Manch­mal haben die Leu­te das Boot auf dem See ste­hen las­sen, dann haben die uns das rüber­ge­schleppt. Nun las­sen wir uns die Aus­wei­se geben. Eini­ge ver­ste­hen das nicht, hier darf nicht geba­det wer­den. Ein­mal war eine Frau hier und ist ins Was­ser. Ich sag: Sofort raus hier. Dann kam der Schwan und haut ihr auf’n Kopf. Da muss­te ich sie raus­zie­hen, sie war betrun­ken. Voll wie Tau­send Eimer.“

Das Amt, der Ufer­schutz und die Zukunft?

Das ist das Leben an der Fischer­pin­te und mit ihr, aber es gibt noch die behörd­li­che Sei­te. Die Fischer­pin­te ist wie beschrie­ben im Land­schafts­schutz­ge­biet, das Ufer gilt auf­grund der Flo­ra und Fau­na als beson­ders schüt­zens­wert. Neue, höhe­re Zäu­ne sol­len das Ufer schüt­zen. Seit Sep­tem­ber 2021 herrscht ein „Betre­tungs­ver­bot für bestimm­te Ufer­be­rei­che“, genau­er gesagt alles zwi­schen Fischer­pin­te und Strand­bad. Nur hält sich nie­mand dar­an und kon­trol­liert wird das so gut wie nie. Eine Besu­che­rin meint: „Sim­ma doch mal ehr­lich: die Prei­se da drü­ben im Strand­bad kön­nen ja nicht alle bezah­len. Fami­lie plus Kin­der – Essen kanns­te mit­neh­men, aber dann willst du ja auch mal ein Eis oder so. Als Hartz-IV-Emp­fän­ger has­te so und so viel am Tag, ja dann geh­s­te Wild­ba­den. Wie­so för­dert man das nicht stär­ker?“ (das Strandbad)

Es ist der 3. Juli. Auf 30,5°C wird das Ther­mo­me­ter an die­sem Tag im Wed­ding klet­tern. Abküh­lung bie­ten nur die Grün­flä­chen der Reh­ber­ge. Abseits des Betons nur hier das küh­le Nass. Die Boo­te am Boots­ver­leih Plöt­zen­see schau­keln bedäch­tig auf dem Was­ser, ein leich­ter Wind weht über den See. Wir befin­den uns im Jahr 1920.
Denn min­des­tens seit 1920 gibt es einen Steg an der Stel­le der heu­ti­gen Fischer­pin­te, inklu­si­ve Boo­te. Somit exis­tiert die­ser Ort län­ger als die Stadt Ber­lin, wie wir sie heu­te verstehen.

Auf­nah­me von 1920: Im Hin­ter­grund das im Bau befind­li­che Strand­bad. Links das Pant­zier­sche Wel­len­bad, rechts die Mili­tär­ba­de­an­stalt. Im Vor­der­grund Steg mit Booten.

Min­des­tens seit 1946 wird ein Boots­ver­leih am Nord­ufer 23 im Bran­chen­ver­zeich­nis der Stadt auf­ge­führt – die Adres­se der Fischer­pin­te. Und min­des­tens in der Päch­ter­ge­ne­ra­ti­on vor Herr Düring gab es zusätz­lich zum Boots­ver­leih einen Aus­schank. Wahr­schein­lich aber eben­so lan­ge wie der Steg exis­tiert. So ist die Fischer­pin­te längst ein eige­nes Wed­din­ger Denk­mal. Sie ist mit der Flo­ra und Fau­na des Sees ver­wach­sen. Hat Groß-Ber­lin ent­ste­hen sehen, hat den Wed­ding zum Bezirk Wed­ding wer­den sehen, hat erlebt, wie Wed­ding auf dem Papier zu Mit­te wur­de und von Gesund­brun­nen getrennt wur­de. Gehört zum Plöt­zen­see und andersrum.

„Für die erfor­der­li­che Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung im Land­schafts­schutz­ge­biet müss­te jedoch das Umwelt- und Natur­schutz­amt zustim­men. Bei­de Ämter eint die Für­sor­ge und die Bemü­hun­gen zum Schutz der Natur, so dass hier kei­ne ande­re Ent­schei­dung mög­lich ist. […]

So heißt es heut­zu­ta­ge aus dem Grün­flä­chen­amt. Im Umkehr­schluss heißt es aber auch: das wur­de damals so beschlos­sen und ent­schie­den. Aber es wur­de nicht beschlos­sen, weil es muss­te, son­dern weil es so sein soll­te. Vor vie­len, vie­len Jah­ren.

Das Bezirks­amt hat bereits 2011 auf eine Anfra­ge der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung (Anfra­ge durch DIE LINKE) mit­ge­teilt, dass aus Umwelt­schutz­grün­den weder eine neue Ver­pach­tung noch eine Unter­ver­mie­tung in Betracht kom­men. […] Bereits 2011, knapp 20 Jah­re nach dem Ver­trags­ab­schluss durch die Senats­ver­wal­tung, war die­se Ent­schei­dung Aus­druck eines Para­dig­men­wech­sel hin­sicht­lich eines höhe­ren Schutz­be­dürf­nis­ses des im Land­schafts­schutz­ge­biet lie­gen­den Plöt­zen­sees.“ Heißt es wei­ter vom Grün­flä­chen­amt.

Das Umwelt- und Natur­schutz­amt beschreibt sich auf ihrer Home­page „die wach­sen­de Stadt mit ihrer immer stär­ke­ren Ver­dich­tung und deren Fol­ge­er­schei­nun­gen bestim­men die Arbeit des Umwelt- und Natur­schutz­am­tes […]. Die­sen Her­aus­for­de­run­gen kann nur durch eine inter­dis­zi­pli­nä­re Auf­ga­ben­wahr­neh­mung begeg­net wer­den.“ Das klingt schon mehr nach 2022 als 1990, zumin­dest auf dem Papier.

Links Aus­zug Bran­chen­ver­zeich­nis Ber­lin 1946. Rechts his­to­ri­sche Kar­te 1931 (His­to­map Berlin)

Das ver­än­dert die aktu­el­le Lage aller­dings nicht. Abriss also, kom­me was wol­le. Nur hat sich die­se Stadt in den letz­ten Jah­ren ver­än­dert. Immer mehr Frei­flä­chen ver­schwin­den, die Stadt wird vol­ler, sie wird wär­mer und die Men­schen ent­de­cken ihre Nach­bar­schaf­ten stär­ker als vor eini­gen Jah­ren. Wie­so spie­gelt sich das nicht in aktu­el­len Beschlüs­sen wider, oder wer­den Ent­schei­dun­gen auf das Jetzt ange­passt? Wie­so wis­sen die meis­ten Erho­lungs­su­chen­den der Reh­ber­ge gar nicht, dass sie sich teil­wei­se in einem Land­schafts­schutz­ge­biet befin­den? Wel­chen Stel­len­wert das Ufer des Plöt­zen­sees hat? Was die Zäu­ne wirk­lich bedeu­ten und ero­die­ren­de Ufer­ab­schnit­te? Wie­so instal­liert man nicht Info­ta­feln am Steg der Fischer­pin­te zur Flo­ra und Fau­na? Zu den Vögeln, Fischen, Enten – mög­li­cher­wei­se auch zu den Schild­krö­ten und erklärt, war­um das rest­li­che Ufer so wich­tig ist.

Das wird nicht zwangs­läu­fig die Wild­ba­den­den abhal­ten, aber es schafft ein Bewusst­sein. Das Amt ver­sucht schon seit län­ge­rem für das The­ma zu sen­si­bi­li­sie­ren, aber spo­ra­disch ein­ge­setz­te Park­ran­ger und kaum sicht­ba­re Hin­weis­ta­feln schei­nen nicht die Lösung zu sein.

Alles im Blick, Bie­ne von der Fischer­pin­te. Wenn es sein muss, kommt auch das Mega­phon zum Ein­satz. Foto: Andar­as Hahn

Wie soll ver­mit­telt wer­den, dass Ufer­schutz wich­tig ist, wenn aber gleich­zei­tig die Kon­trol­len sowie­so nicht statt­fin­den und genau die Ecke, an der die Fischer­pin­te steht und wo man auf die Natur ach­tet, ver­schwin­den soll? Was erwar­tet das Amt, wenn die Fischer­pin­te in eini­gen Jah­ren direkt am Ufer vor sich hingam­meln wird, weil sie nie­man­dem mehr gehört und Geld für den Rück­bau gar nicht vor­han­den ist, der zu allem Über­fluss auch noch bestimm­te Kri­te­ri­en eines Land­schafts­schutz­ge­bie­tes erfül­len muss? Wie­so geht das Amt davon aus, dass wider bes­se­re Erfah­rung alles gut wer­den wird? Zu oft wur­den in Ber­lin Din­ge abge­ris­sen oder ver­kauft, um es weni­ge Jah­re spä­ter zu bereu­en. Stich­wort kul­tur­his­to­risch.

Es stimmt, laut Geset­zes­text zum Land­schafts­schutz­ge­biet Reh­ber­ge sind Bau­ten und Ver­kaufs­stän­de nicht zuläs­sig, nur gab es die Pin­te a) 1953 schon, b) waren bis heu­te 2–3 Betrei­ber­wech­sel kein Pro­blem und c) sind Aus­nah­me­ge­neh­mi­gun­gen erlaubt.

Nie­mand möch­te, dass irgend­wann der nächs­te Inves­tor um die Ecke kommt und die­ses Klein­od kauft, weil sein Kof­fer der Größ­te ist. Aber genau weil sich das Are­al im Land­schafts­schutz­ge­biet befin­det, weil es vom Amt ver­pach­tet wird, besteht die Mög­lich­keit, die fairs­te Lösung von allen vor­zu­se­hen. Ganz im Sin­ne einer immer vol­ler wer­den­den, sich ver­dich­ten­den Stadt. Nach dem Tode von Herrn Wolf­gang Düring liegt es in der Hand des Amts, die Fischer­pin­te in einem fai­ren und sozi­al aus­ge­rich­te­ten Inter­es­sen­be­kun­dungs­ver­fah­ren, wie bei­spiels­wei­se beim Park­ca­fé Reh­ber­ge, als Ort erhal­ten zu las­sen. Nur muss das jetzt vor­be­rei­tet wer­den und neu gedacht wer­den. Strand­bad, Frei­luft­ki­no, Park­ca­fé, Sport­an­la­gen – und der miss­ach­te­te Boots­ver­leih als fünf­tes Rad am Wagen. Sie alle kön­nen zusam­men für einen bes­se­ren Umgang der Wed­din­gern mit der Natur sor­gen. Wür­de die­ser Ort nach über 100 Jah­ren ver­schwin­den, wäre es ein wei­te­res ech­tes Ber­li­ner Ori­gi­nal, das für immer weg ist. Aber vie­le Ori­gi­na­le hat die­se Stadt nicht mehr, vor allem kei­ne so in die Natur ver­wach­se­nen wie der ent­spann­tes­te Ort im Wed­ding, die Fischer­pin­te.

Wer die­ses Klein­od erhal­ten will, kann nun hel­fen: Mit dem Erschei­nen die­ses Arti­kels beginnt die Unter­schrif­ten­samm­lung für einen Ein­woh­ner­an­trag mit dem Titel Wei­ter­be­trieb eines Boots­ver­leih am Plöt­zen­see ermög­li­chen. Die im Antrag for­mu­lier­ten For­de­run­gen wer­den so an die Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung (BVV) her­an­ge­tra­gen. 1.000 Unter­schrif­ten wer­den benö­tigt. Ist der Ein­woh­ner­an­trag zuläs­sig, ent­schei­det die BVV unver­züg­lich, spä­tes­tens jedoch inner­halb von zwei Mona­ten nach Ein­gang des Antrags. Die Unter­schrif­ten­lis­ten lie­gen am Tre­sen der Fischer­pin­te aus. Ande­re Orte könn­ten fol­gen. Zur Unter­schrift berech­tigt sind nur Per­so­nen, die in Mit­te gemel­det sind.

Die Lis­te gibt es eben­falls hier zum Down­load.

Kurz vor Ver­öf­fent­li­chung die­ses Arti­kels wur­de eben­falls durch die Frak­ti­on DIE LINKE ein Antrag mit dem Titel „Boots­ver­leih Düring am Plöt­zen­see erhal­ten!“ in die BVV-Mit­te eingebracht.

Vor 5 Jah­ren erschien erst­mals ein Bei­trag bei uns über die Fischer­pin­te. Urig-schön am See: Wed­ding am Was­ser: Fischer­pin­te – das Prin­zip Eckkneipe

Andaras Hahn

Andaras Hahn ist seit 2010 Weddinger. Er kommt eigentlich aus Mecklenburg-Vorpommern. Schreibt assoziativ, weiß aber nicht, was das heißt und ob das gut ist. Macht manchmal Fotos: @siehs_mal
Alle Beiträge

20 Comments

  1. Seit mei­ner Kind­heit Anfang der 70er Jah­re ken­ne ich den Plöt­zen­see und ver­bin­de vie­le schö­ne Tag- und Nacht­erin­ne­run­gen mit die­sem kost­ba­ren Klein­od. Für mich wie ein Fami­li­en­mit­glied, Nicht nur weil unser Fami­li­en­na­me damit ver­bun­den ist.
    Bit­te kämpft alle mit um die Fischerpinte.
    Gruß an alle Weddinger
    Uwe Plotz

  2. Der­ar­ti­ge Area­le, wie die Fischer­pin­ze, soll­ten im Ein­ver­neh­men mit der Senats­ver­wal­tung erhal­ten blei­ben. Der Arti­kel umschreibt sehr detail­liert, was das Beson­de­re ist und für wel­che Bevöl­ke­rungs­grup­pen der Erhalt so wich­tig ist. Natür­lich soll­te das „Drum­her­um“ erhal­ten wer­den. Dazu kön­nen doch Ver­ein­ba­ru Gen getrof­fen wer­den. Wo ein Wil­le ist, ist auch ein Weg. Das soll­te doch auch die Senats­ver­wal­tung wissen.

  3. Sehr undurch­sich­tig die­ser Arti­kel. Kein Grün­flä­chen­amt und kei­ne Natur­schutz­be­hör­de kön­nen sich über bestehen­de Geset­ze hin­weg­set­zen. Miet- und Pacht­ver­trä­ge sind ver­erb­bar, so sieht es das Gesetz vor.Setzt Herr Düring nun ein Tes­ta­ment auf und benennt hier einen Erben für die Pin­te, kann kein Amt etwas dage­gen tun. Wür­de der jet­zi­ge Betrei­ber sei­ne Gewer­beer­laub­nis von Ein­zel­ge­wer­be zusätz­lich noch in eine GBR erwei­tern oder wan­deln und den benann­ten Erben mit ein­be­zie­hen, könn­te die Pin­te sofort wei­ter betrie­ben wer­den. Ob der Erbe für die­se Gefäl­lig­keit ggf. im Vor­feld Geld gezahlt hat dürf­te schwer zu bele­gen sein.

    • nun dann ist vllt das Amt undurch­sich­tig und nicht der Arti­kel. Egal was für Vor­schlä­ge à la GBR hier nun auf­tau­chen. Erst­mal bleibt es beim Fakt, dass es laut Amt die­sen Beschluss gab und gibt. Per­so­nen­ge­bun­den, etc. Die Mög­lich­keit einer ande­ren Struk­tur wird aber gera­de über­legt, kei­ne Sorge

  4. Lei­der kann ich nicht unter­schrei­ben , da ich jetzt in Tem­pel­hof lebe. Habe mei­ne Kind­heit am Plöt­zen­see im Kin­der­heim ver­bracht das war eine schö­ne Zeit.

  5. Kann lei­der nicht unter­schrei­ben, da ich im benach­bar­ten Pan­kow woh­ne. Bin an hei­ßen Som­mer­ta­gen aber immer mal gern mit der Stra­ßen­bahn in den Wed­ding hin­über gefah­ren, habe dort am Boots­an­le­ger eine Wei­ße (ohne Schuss!) getrun­ken und ein Ruder­boot aus­ge­lie­hen. Wun­der­schön und ent­span­nend, und nur eine Vier­tel­stun­de von mei­ner Woh­nung. Und es ist gewiss die umwelt­ver­träg­lichs­te aller Nut­zun­gen dort am Plöt­zen­see. Und ein Stück altes Ber­lin. Unbe­dingt erhalten!

  6. Lie­ber Andar­as Hahn,
    da ist dir ein wirk­lich schö­ner Arti­kel gelun­gen: cha­peau! Gut recher­chiert und rund­um inter­es­sant geschrie­ben. Tol­le Fotos, die die Stim­mung super ein­fan­gen. Wir sind Jahr für Jahr dort mit unse­ren Kin­dern Boot gefah­ren. Das war unser High­light zu Beginn des Som­mers. Der Boots­ver­leih war immer ein wenig run­ter­ge­rockt, das Per­so­nal: Ber­li­ner Schnau­ze, aber irgend­wie authen­tisch. Das ist ein Klein­od im Wed­ding, Hier kann man zur Ruhe kom­men und der Hek­tik der Groß­stadt ent­flie­hen. Eine Groß­stadt, die sich im Lau­fe der letz­ten Jahr­zehn­te nicht nur zu ihrem Vor­teil ver­än­dert hat.

  7. Wenn’s die Pin­te nicht gäbe, wür­den die Leu­te ihre Boo­te von Ufer ins Was­ser zie­hen und nie­mand wür­de dar­auf ach­ten, wo ange­lan­det wird. Manch­mal ist ein kon­trol­lier­ter Ein­griff (oder wie auch immer man das nen­nen will) weni­ger schäd­lich als der Ver­such eines Ver­bots. Und sicher machen die orts­fes­te Toi­let­te und der Aus­schank auch weni­ger Müll, als wenn die glei­che Zahl Men­schen die­se Bedürf­nis­se pri­vat orga­ni­siert in der Reh­ber­ge erfüllt. Ich wer­de unterschreiben.

  8. Ein Arti­kel mit Herz. Bis ich von der Geschich­te erfuhr, hielt ich den Boots­ver­leih ein­fach nur für run­ter­ge­kom­men. Die Tret-Boo­te, die mei­ne Kin­der so ger­ne fah­ren, not­dürf­tig geflickt, die Bediens­te­ten leicht genervt. Aber jetzt ist klar: Wenn man kei­ne Per­spek­ti­ve hat, kann man auch nichts mehr Inves­tie­ren. Die Bret­ter­bu­de ist ein ech­tes Juwel, das wei­ter leben soll. Was mich beson­ders stört ist, dass der Bezirk beim Land­schafts­schutz mit zwei­er­lei Maß misst: Einer­seits tut er fast nichts, um die Zer­stö­rung des Plöt­zen­see-Ufers durch Par­ty-Volk zu ver­hin­dern (ja, ja: ein höhe­rer Zaun..) und ande­rer­seits will er einen gere­gel­ten Betrieb mit ein paar Boo­ten abrei­ßen. In ande­ren Gegen­den wür­de man sowas wie die Fischer­pin­te “sanf­ten Tou­ris­mus” nen­nen. Viel­leicht wür­de ja auch eine juris­ti­sche Prü­fung der Geneh­mi­gung hel­fen. Stich­wort: Verhältnismäßigkeit.

  9. Die Che­fin ist gestor­ben? Das tut mir leid. Ein ech­tes Ori­gi­nal. Gro­ßes Herz, rau­he Schale. 

    Da ich es unhöf­lich fin­de, Links in die Kom­men­ta­re zu pos­ten: Es gibt einen eben­so sehr lie­be­voll geschrie­be­nes Por­trait über die Fee vom Plöt­zen­see und einen preis­ge­krön­ten Doku­men­tar­film (10 min.)

    Bei INter­es­se sel­ber googeln.

    • moin­sen. der Tages­spie­gel Arti­kel ist eh ver­linkt. Aber das Video vom rbb (glau­be ich) fin­de ich nicht mehr. falls du das meinst, oder doch ein ande­res, trotz­dem ger­ne den link hier hin

          • na, dann viel­leicht noch etwas Anek­do­ti­sches dazu:

            Sie wur­de zum gedul­digs­ten Engel, wenn ich – wie meis­tens – mit Gäs­ten auf­ge­kreuzt bin, die erkenn­bar von sehr weit her kamen.

            Hab mir dann immer einen Spaß draus gemacht, die Gäs­te zur Kom­mu­ni­ka­ti­on mit ihr anzu­re­gen, auch wenn sie die aller­größ­ten Schwie­rig­kei­ten hat­ten, bei der Bestel­lung z.B. “Eine Weis­se grün und ein Schult­heiss, bit­te” auszusprechen.

            Da schal­te­te sie einen Gang run­ter und hat Herz­lich­keit und Wär­me gegeben.

        • Super Arti­kel! Bis letz­tes Jahr gehör­te ich noch sel­ber zu der Crew am Plöt­ze, i h war der Boots­manm von Moni Düring! Scha­de das uns Moni so früh ver­las­sen hat, R.I.P. MONIKA!!! Ich wer­de auf jeden Fall Unter­zeich­nen, denn die Fische­rei tei­le muss erhal­ten blei­ben! Wäre ger­ne sel­ber noch dabei, hab aber nen ande­ren Job ange­nom­men weil im Win­ter am See für mich nix zu ver­die­nen gab!

  10. Vie­len Dank für die­sen Arti­kel! Er beschreibt die Wich­tig­keit des Ortes und sei­nen Charme sehr tref­fend. Ich wer­de unter­schrei­ben und hof­fen, dass der Arti­kel viel­leicht die pas­sen­de Dis­kus­si­on in die Poli­tik trägt.

  11. Wun­der­bar geschrie­ben und auf den Punkt gebracht. Die Fahr­rad Ser­vice Sta­ti­on Plöt­zen­see wird auch dafür kämp­fen, dass die Fischer­pin­te erhal­ten bleibt. In Kür­ze kann auch bei uns unter­schrie­ben werden.

  12. Land­schafts­schutz ist nötig, um die­sen wun­der­ba­ren Plöt­zen­see zu erhal­ten. Sonst könn­te er wegen Über­nut­zung ganz schnell verkommen.

    Aber die Auf­la­gen, die der Boots­ver­leih ein­ge­hal­ten hat, müs­sen vor allem für die­ses ehe­ma­li­ge Strand­bad gel­ten. 8€ Ein­tritt und real kaum exis­ten­te Bade­zei­ten sagen schon alles. Auf 100 Par­ty­be­su­cher kommt viel­leicht 1 Bade­gast. Das hal­be See­ufer ist ver­lärmt, ver­lon­g­drinkt, ver­baut, ver­bar­ri­ka­diert, ver­park­platzt und vermotorbootet.

    Ein Amt, das die stil­le natur­na­he Ein­rich­tung schließt, aber die Par­ty-Zweck­ent­frem­dung dul­det, wäre unglaubwürdig.

    Wenn bei­de Ein­rich­tun­gen am Plöt­zen­see mit stren­ger Zweck­be­stim­mung und mit den Auf­la­gen des Boots­ver­leihs betrie­ben wür­den – das eine als Bootsverleih/Café wie bis­her, das ande­re zum Baden für die Anwoh­ner – dann hät­te auch die Umwelt am meis­ten davon!

    • Den Zustand, wel­chen Du beschreibst der herr­schen­den Umstän­de im Strand­bad ent­spre­chen nicht der Rea­li­tät. Ich bin mir auch abso­lut sicher, das die Betrei­ber des Strand­ba­des nicht wol­len, das die Boo­te und der wun­der­ba­re Ort des Ver­lei­hes ver­schwin­det. Wir soll­ten viel­mehr über­le­gen, wie alle zusam­men das Schlie­ßen verhindern.

  13. Ich wür­de unter­schrei­ben, wenn ihr von den Lin­ken for­dern wür­det, im Strand­bad soll der Spi­rit der Fischer­pin­te ein­zie­hen. Ein­tritt frei, nied­ri­ge Bier­prei­se, Bin­go jeden Mitt­woch am Strand, Ruder­boo­te neben­bei. Dann wäre das Ende kein Ende.

Schreibe einen Kommentar zu Benjamin Weißstern Antworten abbrechen

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

nachoben

Auch interessant?