Ist er dir auch schon begegnet? Der Hinweis auf den alten Weddinger, wie er früher zwischen Müller- und Badstraße lebte. Dein Kopfkino bringt diesen Menschen vielleicht irgendwie in Verbindung mit dem alten “roten” Wedding, von dem auch immer geredet wird. Doch Vorsicht Falle! Denn ein Blick zurück auf 30 Jahre Wahlergebnisse zeigt: Der alte Weddinger wählte schwarz, stimmte für die CDU.
CDU holte 40 Prozent und mehr
Für den einen oder anderen fühlt es sich wie eine Sensation an, dass Sven Rissmann (CDU) bei der Wiederholungswahl ein Direktmandat gewann. Doch dank des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg können wir nachlesen, dass ein solcher Sieg bis zur Jahrtausendwende Alltag war. Schauen wir auf das Diagramm mit den Wahlprozenten der 1990er Jahre. Zu sehen ist ein Bild, das für nicht mehr ganz so junge Menschen vertraut anmutet. Die zwei Großen, SPD und CDU, ringen miteinander, mal liegt der eine über 40 Prozent, mal der andere. Und die kleineren Parteien wie Grüne und PDS träumen von der Zweistelligkeit.
Fazit: In 1990er Jahren war der Wedding hin und wieder schwarz.
Bankenskandal begräbt den alten Weddinger
Reden wir mal vom Berliner Bankenskandal der Jahrtausendwende (und nicht von der Bankenkrise, ausgelöst durch die Gebrüder Lehman, oder wie die hießen). Zu vermuten wäre, dass der Wähler diesen Skandal irgendwann einmal vergisst und zur CDU zurückkehrt. Das ist im Wedding nicht geschehen. Der alte Weddinger scheint irgendwann in den Nullerjahren ins Exil gegangen zu sein. Vermutlich brachte das Kommen und Gehen im Wedding und Gesundbrunnen verstärkt neue Leute an die Ufer der Panke. Die neuen Weddinger wählten eher Grüne und Linke, denn diese beiden Parteien legten ab dem Jahr 2000 langsam, aber kontinuierlich zu.
Fazit: Ab dem neuen Jahrtausend wird der Wedding mehrfarbig.
Neu-Weddinger mit weniger als fünf Jahren Wohnzeit
Du hast das Gefühl, dass alle, die schon gaaaaanz lange im Wedding wohnen, dies in Wahrheit erst seit zehn Jahren tun? Der alte Weddinger also gar nicht so alt ist? Während du als Neuling giltst, weil du halt erst seit fünf Jahren dabei bist? Nun, dieses Gefühl kann sich auf Grafiken stützen. Die Wahlergebnisse zeigen, dass die Grünen ab der Europawahl 2019 im Wedding die erste Geige spielen. Sie überzeugen seit vier Jahren regelmäßig jeden vierten Wähler von ihren Ideen. Auch das Comeback der CDU bei der Wiederholungswahl im Februar ändert auf dem Gebiet des alten Bezirks Wedding nur wenig an der grünen Stärke.
Fazit: Der heutige Wedding findet Grün jetzt nicht unbedingt so schlecht vielleicht.
Vor 1990
Quizfrage: Wann war der Wedding denn nun “rot”? Sprich, wann hat der alte Weddinger denn nun SPD gewählt? Kurze Pause, damit du überlegen kannst. Und hier die Antwort: In den 1950er und 1960er Jahren. Für die Weddinger BVV (Bezirksverordnetenversammlung) holten die Sozialdemokraten in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik um die 2⁄3 aller Stimmen. 60 Prozent und in Rekordjahren noch mehr. Lang ist’s her.
Ab den 1980er Jahren beginnt der Wettstreit zwischen den beiden großen Parteien SPD und CDU, die nun beide über 40 Prozent kommen. Im Wedding wohnen und konservativ sein, das ist kein Widerspruch mehr. Fazit: In dieser Zeit hatte der rote Wedding bereits eine starke schwarze Note.
Zukunft
Aber reden wir nicht so viel vom alten Weddinger, es gibt ja auch den zukünftigen Weddinger. Welche Spuren wird dieser an Wahlurne hinterlassen? Hier mein Vorschlag zur Interpretation der Linien:
Die CDU hat mit der Wiederholungswahl entweder eine Trendwende geschafft und knüpft an die guten alten Zeiten an – oder sie hat im Februar ein Ausnahmeergebnis hingelegt. In beiden Fällen haben die Grünen ein Potential von 30 Prozent. Dagegen werden für Linke und SPD die künftigen Wahlen spannend werden. Fazit: Der künftige Weddinger wird eher grün sein, aber andere Farben ok finden. Welche Zukunft liest du als silvester-erfahrener Bleigießer in der Grafik ab?
Ich fürchte, die Begrifflichkeit “Roter Wedding” wird hier im Hinblick auf die SPD etwas überstrapaziert, denn wie auch im Weddingweiser nachzulesen ist (https://weddingweiser.de/eine-fuehrung-durch-den-roten-wedding/), bezieht sich dieser Terminus auf den “Blutmai 1929.
“Der Wedding wurde zur Hochburg der KPD, ihre Parteizeitung hieß „Der Rote Wedding.“ Die Partei-Druckerei lag in der Wiesenstraße 29.”
Danke für den Hinweis. Und es gab sogar das kommunistische Lied “Roter Wedding”.