Eine Ära geht zu Ende. Als wir ein Bild vom großen Räumungsverkauf vor der Schließung von Karstadt Müllerstraße posteten, gab es unzählige Erinnerungen von Leserinnen und Lesern, fast immer verbunden mit weinenden Emojis. Wir blicken mit euch zurück und schauen uns den langen Niedergang des Kaufhausstandortes an. Und überlegen, ob das zwangsläufig so hat kommen müssen.
Ursprünglich hatte es am Leo gar kein Kaufhaus gegeben. Denn das Warenhaus Hertie hatte eine Filiale an der Chausseestraße 69–71 nahe der Liesenstraße. Durch den Mauerbau erschien die U‑Bahn-Kreuzung der Linien 6 und 9 am Leopoldplatz als der wesentlich geeignetere Standort für ein Kaufhaus. Wer vom Bahnhof Zoo in Richtung Norden wollte, kam zwangsläufig am Leopoldplatz vorbei. Als Karstadt seine damals sehr moderne Glitzerwelt 1978 eröffnete, war es aber nicht allein auf weiter Flur: Woolworth, Bilka, C&A und viele andere Fachgeschäfte säumten die belebte Müllerstraße.
Karstadt Müllerstraße war das einzige große Warenhaus im ganzen Berliner Norden. Die Hertiefiliale in Tegel konnte vom Sortiment her nicht mithalten. Es gab Lederwaren, Schreibwaren, Elektrogeräte, Sportartikel oder Haushaltswaren. Eine Leserin hatte großes Glück: “Bei Karstadt habe ich immer meine Oma besucht. Sie war in der Spielzeugabteilung beschäftigt .” Ja, die riesige Spielwarenabteilung, in der wohl jedes Weddinger Kind ins Träumen geriet: Eine Spielzeugeisenbahn war unter der Decke angebracht. Leserin Gabi mochte besonders den November. “Dann habe ich für meine zwei Mäuse Weihnachtsgeschenke ( Spiele) gekauft Vor dem 24.11. bekam man ein Spiel für 29 DM und ab dem 24.11. kam das gleiche Spiel 59 DM. Das musste in der Cafeteria gefeiert werden mit einem Pott Kaffee zum Überleben.”
Kurz nach dem Mauerfall wurde die Karstadtfiliale regelrecht gestürmt. Zeitweise galt der Müllerstraßenkarstadt sogar als die umsatzstärkste Filiale überhaupt! Damit trug Karstadt stark zur Attraktivität des Umfelds bei, wenngleich uns der frühere Bezirksstadtrat Bernd Schimmler folgende Anekdote schickte: “Bezirksbürgermeisterin Erika Heß hatte einen Spendenaufruf herausgegeben, um die Arbeitsgemeinschaft Müllerstraße bei der Weihnachtsbeleuchtung und Dekoration in der Müllerstraße zu unterstützen. Viele Firmen, auch kleinere, spendeten – damals waren noch viele alteingesessene Firmen vorhanden – und Karstadt, das damals sehr gute Geschäfte machte, schickte einen Scheck von 100 DM! Frau Heß schickte ihn mit einem entsprechenden Kommentar zurück und ließ den Vorgang öffentlich werden.”
Doch nicht nur Uhren, Schmuck, Fernseher und Spielwaren zogen Kinder magisch an, wie unsere Leserin Jasmin schreibt: “Ich weiß, wie ich meine Vormittage teilweise dort verbracht habe – statt in der Schule. Ich liebte die schöne Tierabteilung damals im Keller mit den süßen Hamstern, Meerschweinchen und Chinchillas!”
Und Groß und klein fuhren dort regelmäßig hin, manchmal mindestens einmal in der Woche. Die Cafeteria war immer ein Anziehungspunkt, auch wenn sie zuletzt wie aus der Zeit gefallen wirkte. Eine Leserin schreibt: “Wir waren jeden Dienstag, wenn wir frei hatten, dort frühstücken, oder wenn ich von Arbeit kam und mein Bus weg war. Dann bin ich immer kurz rein und hab auch fast jedesmal eine Kleinigkeit gefunden, die ich gekauft habe.” Leserin Yvonne verbindet noch heute mit Einkäufen mit ihrer Mutter auch den Geruch von Mini-Donuts bis hinein in den U‑Bahnhof Leopoldplatz. Unser Leser Carsten war dort hingegen mit seiner Oma einkaufen, beide seien dann immer im Restaurant gewesen, “ich damals zwischen 10 und 15 Jahre alt, wir hatten Mittagessen gehabt, Kakao, Kaffee getrunken und Kuchen gegessen.” Auch Daniel erinnert sich – aber eher an unfreiwillige Karstadt-Besuche: “Was meine Mutter mich in den Laden gezerrt hat … !” Aber wohl kein Weddinger Jugendlicher hat sich nicht stundenlang in der Platten-/CD-Abteilung herumgetrieben. Wisst ihr noch, was eure erstes Album war? Für unseren Leser Erk war es TuPac.
Vor allem in der Oster- und in der Weihnachtszeit gab es endgültig keine Möglichkeit mehr, das Warenhaus an der Ecke Müller- und Schulstraße zu übersehen. Denn dann thronten auf dem Dach ein Lindt-Osterhase bzw. ein riesiger Weihnachtsmann.
Miriam erinnert sich, wie voll es bei Karstadt immer war. “Und damals hat man noch qualitativ gute Ware da erhalten. Aber das ist lange her.” Ein Kommentator merkt an, dass es zuletzt sehr teuer war – und wenn nur viele gucken, aber wenige kaufen, sei es eben unwirtschaftlich.
Aber natürlich haben bei Karstadt auch viele Menschen gearbeitet. So wie Ron, der dort eine Ausbildung gemacht hat und auch sonst ein großer Fan vom Laden war. “Heute, wenn ich meine alte Hood besuche, war es immer ein Grund, nochmal dort durchzuschlendern.” Ob es danach noch einen Grund gibt, zum Leo zu fahren? Man kann es nur hoffen.
Leider wird jetzt selbst im Ausverkauf viel zu teuer verkauft. Die Preise sind künstlich hochgesetzt, um sie dann wieder herunterzusetzen. Am Ende zahlt man sogar mehr als den Ursprungspreis. Ihr braucht nur die Preisetiketten mal abziehen.
Das aus meiner Sicht völlig „Kranke“ am Ausverkauf ist der Vermarkter. Zusätzlich zur eigenen Ware müssen noch div. andere Filialen ihre Restbestände in die Schließungs-Filialen schicken, und obendrauf bringt der extera engagierte Vermarkter Gordon Bros. seinen eigenen, billigen „Krempel“ in die Häuser, den es vorher dort nie gab.
Die Karstädter dürfen nachher nur noch Handlangerarbeiten ausführen.
Karstadt war für mich mein Tempel! Es gab dort alles in toller Atmosphäre was das Herz begehrt! Die Lebensmittelabteilung war ein highlight, wie es kaum ein anderes in Berlin gab! Sehr traurig daß es das nun nicht mehr geben soll! Es bleibt eine schöne Erinnerung!!
Es gibt Zeiten die kommen nie wieder. Ich habe als Kind noch die Kellys vor Karstadt mit deren Eltern singen gehört. Ich habe Bilka erlebt mit der Affenband ‑Spielbox und habe meinen ersten Heintje Film im Kino gegenüber gesehen( weiß nicht mehr wie das Kino hieß). Die Müllerhalle mit Oma und eine Wiener werde ich nie vergessen. War unsere Kindheit schöner? Ich vermisse es 😢
Das Kino hieß damals wie heute genau gleich – Alhambra 😉
Ne, gegenüber von Bilka war das Schiller Kino! Das Alhambra war (und ist) weiter vorn See Ecke Müller. In beiden Kinos habe ich gefühlt alle Sontagnachmitage meiner Kindheit verbarcht…
Im abgerissenen Haus, wo jetzt H&M drin ist? Habe die Bilder gesehen. Cooles Kino. Und war mir bis dato unbekannt.
Hallo Henry Plum
gegenüber von Bilka !!?? war dort überhaupt ein Kino ?? meinen sie das Alhambra ? heir eine Liste aller Weddinger Kinos
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kinos_in_Berlin-Wedding
Jedenfalls war der erste Film mit Heintje der : Zum Teufel mit der Penne am 12.Dez 1968
Gruß
Jäaaaa, an die Kellys und an ulba kann ich mich auch erinnern. Kostenloses Konzert, man glaubt es kaum. Bei Bilja habe ich damals (heute53) als Kind ein Malwettbewerb gewonnen. Die Bilder hingen aus und wurden Eigentum von Bilja. Die lange gebogene Treppe fand ich ja so toll.
Karstadt hat mich in der Kindheit, Jugend und im Erwachsenen Alter begleitet. Es war gut sortiert und man konnte immer die Techniktrends anschauen.
Als die Häuser verkauft wurden ging es auch langsam mit Karstadt bergab. Wer verkauft schon seine eigenen Immobilien, um dann selbst Miete zu zahlen?
Dann der steigende Onlinehandel trugen nicht unbedingt positiv zum Gewinn bei.
Die Müllerstraße verslummt immer mehr, was einmal war wird nie wieder sein.
Hallo
na dem hier nun alle ihre kleine und großen Erlebnisse über Karstadt mitgeteilt haben… kommt jetzt eine etwas andere Karstadt-Erinnerung
Weihnachtsfeier 78 Kudamm … ich hatte gut getankt und irgendwann spät ab nach Hause – kurz vor Leopolt-Pl wurde mir echt Übel .… die U‑Bahntür uffjerissen (waren noch die Zeiten wo man das konnte kurz bevor der Zug anhielt) die Treppe so gut es eben ging hinauf… bis vor den Haupteingang hab ick dit noch jeschafft.… na den Rest könnt ihr euch wohl selber denken
so eine Erinnerung …unbezahlbar egal wie oft man mit Omi dort Frühstücken war :)))))
nettes Fussball WE
Ich habe vor drei Jahren meine Eheringe in der Schmuckabteilung gekauft bei Karstadt und finde es extrem schade das geschlossen wird.
Auch mich hat es immer gerne in die Tierabteilung gezogen und habe dort meine ersten Vogelspinnen und immer das Futter für sie dort gekauft.
Und als ich mich im Wedding nieder gelassen habe 1981, war ich oft in der Schallplatten Abteilung stundenlang und hab oft in der Cafeteria gefrühstückt.
Und wenn es auf Ostern oder Weihnachten zuging war oben auf dem Dach von Karstadt immer der Lindthase oder der Weihnachtsmann von weiten zusehen.
Was wird uns die Zukunft bringen ohne Karstadt, mich gruselt es irgendwie schon dort lang zu gehen und den Gedanken zuhaben, man das war ne coole Zeit als Karstadt noch offen war.
Ich habe die Eröffnung bei Karstadt miterlebt hab in der Stoffabteilung gearbeitet und ich kann nur sagen die Zeit war super wir waren eine große Familie. Schuld an der ganzen Misere ist die Unternehmensführung die haben das Unternehmen runtergewirtschaftet und die Angestellten mussten dafür bezahlen.
karstadt ist nur der tiefpunkt einer langen entwicklung.die ganze müllerstr. hat fertig.nach der schließung von C&A dachte ich
schlimmer gehts nicht,ok falsch gedacht.
Ja, jetzt sehe ich eigentlich keinen Grund mehr, in die Müllerstr. zu fahren. Ich bin schon älter und habe die Müllerstr. noch kennengelernt, als es da noch viele Fachgeschäfte gab. Lederwarengeschäfte, Ebeling, der tolle Schreibwarenladen, etc. Zur Weihnachtszeit war die gesamte Müllerstr. ein Weihnachtsmarkt. Buden standen auf dem Bürgersteig. Wenn man natürlich krampfhaft reich werden will und die Mieten hochdonnert, dann gehen solche Läden natürlich pleite. Schade, schade.
Wenn man da reich geworden wäre, bräuchte man die Kaufhäuser nicht schließen!
Es sind die neuen Center/Arcaden, die man den Kaufhäusern vor die Nase gebaut hat,
ohne daran gedacht zu haben, dass die Kunden das Geld nur einmal ausgeben konnten.
Tatsächlich beschleunigte sich der Niedergang der Müllerstr. als das Gesundbrunnencenter aufgemacht hat. Fielmann, Hussel, Leiser, und noch weitere Unternehmen wechselten dort hin und haben ihre Filialen in der Müllerstr. geschlossen.
Hallo, ich bin mir nicht ganz sicher. Aber ich glaube Karstadt wurde 1977 eröffnet. Nach meiner Ausbildung bei Karstadt in Steglitz wechselte ich mit Flausen im Kopf an den Leo. Vor der Eröffnung mussten wir noch Wachdienst schieben, weil die Alarmanlage noch nicht installiert war. Am Eröffnungstag selbst steckte man mich in eine alte Berliner Polizeiuniform und lies mich vor dem Kaufhaus patrollieren. Bei ersten Winterschlussverkauf mussten sich die Verkäuferinnen auf den Tischen der Stoffballen in Sicherheit bringen und verteidigten sich mit ihren Messlatten. Schade das diese Erinnerungen nun auch blasser werden. Hoffen wir das due Ecke bald wieder strahlen kann
Hallo Otti,bist Du das? Ich habe auch Erinnerungen an Karstadt am Leopoldplatz…
Meine Mutter, Du kanntest sie auch, starb 2005. Etwa 2 Wochen vor ihrem Tod war ich mit ihr bei Karstadt „schwuchtern“.So wurde bei uns der Einkaufsbummel genannt.
Sie war guter Dinge und wir krönten unseren Einkauf, ich bekam einen Mantel geschenkt, mit einem Stück Kuchen und einer Tasse Kaffee in der Cafeteria…
Hmm, diese Erinnerung bleibt…und immer wenn ich am Leo vorbeikomme, muß ich daran denken..
Marion Löwig
Ich finde es sehr schade,das Karstadt verschwindet..Es war immer toll darinnen..auch wenn man nix kaufte.
Es werden bestimmt wieder Wohnungen gebaut,die sich kaum einer leisten kann..
SCHADE..
Hm dann bin ich wohl der einzige der Karstadt immer überteuert und gruselig fand, selbst als es noch kein Friedhof war der mit unendlichen Summen an Steuergeldern finanziert wird. Ich bin froh dass er wegkommt. Wünschen würde ich mir Freizeitaktivitäten weil seit die Bowlingbahn weg ist gibt ds im Wedding nicht mehr viel was man machen kann. Aber natürlich wird wieder nur irgendwas langweiliges reinkommen. aber selbst Leerstand find ich besser als den Gruselkarstadt, insofern… 🙂
Soweit wir wissen, stehen die Chancen für einen Neustart der Bowlingbahn gerade gut. Allerdings eher am alten Standort 😉
Teuer? Da gebe ich Dir recht. Aber gruselig?
Karstadt wurde – nach 128 Jahren seiner berühmten, fast unkaputtbaren Existenz – vom eigenen Management durch Immobilienverkäufe ausgeschlachtet und insolvent gemacht. Das beschreibt das Wirtschafts-Sachbuch “Arcandors Absturz” von Hagen Seidel. Der Manager Thomas Middelhoff wurde sogar zu 3 Jahren Knast verurteilt. Aber die musste er nicht absitzen (“offener Vollzug”), durfte sein Geld behalten, und Karstadt wird davon auch nicht wieder lebendig.
Die Elite in Deutschland kann es nicht und will es nicht, während in Paris die Kaufhäuser fortbestehen – oder auch das “Kaufhaus im Norden”, in den Städten an Ostsee und Nordsee. Dort wissen sie, wie Kaufhaus geht.