Auch im Wedding ist es schwer geworden, Freiräume zu finden. Dass es dennoch ungenutzte Flächen gibt, darauf haben Aktive des Stadtgewitter e.V. in diesem Sommer mit einer Aktion hingewiesen. Eine Woche lang öffnete das Kollektiv auf dem sonst geschlossenen obersten Parkdeck des Cittipoint in der Müllerstraße ihr Amt ihren Späti für gemeinnützige Dachangelegenheiten.
Auf den ersten Blick hätte man die „Operation Himmelblick“ für eine ganz normale Dach-Bar halten können. Auf dem Parkdeck standen Liegestühle, ein Holz-Kletterturm, eine Tischtennisplatte, dazu gab es einen ungewohnten Blick von oben auf die Müllerstraße und die umliegenden Kiez – und es gab auch Getränke und Eis. Doch eine Bar im eigentlichen Sinne war das nicht, was dort vor den Augen der Weddinger:innen vorübergehend entstanden ist. „Wir wollen Aufmerksamkeit schaffen für eine gemeinschaftliche Nutzung, für Dächer für alle, nicht-kommerziell und multikulturell“, beschreibt es Kamila Juruć, Mitglied im Stadtgewitter-Kollektiv.
Mit dieser Idee der Öffnung von Dachflächen hat das Kollektiv nicht erst in diesem Sommer begonnen. 2019 starteten die damaligen Studierenden der Universität der Künste und der Kunsthochschule Weißensee ihr Projekt. „Zwei Jahre lang waren wir auf einem Dach in der Leipziger Straße aktiv“, sagt Kamila Juruć. In diesem Sommer ist das Kollektiv in den Wedding weitergezogen und ist überrascht von dem großen Zuspruch. „Es war auf jeden Fall genial. Es sind so viele Leute gekommen! Bei der Eröffnung waren es 300, in der Woche waren es 200 und zum Abschlussevent sind 1000 Leute gekommen“, sagt Kamila Juruć über die bisher größte Aktion des Kollektivs. „Es sind sehr verschiedene Leute gekommen, auch richtig viele ältere Menschen. Aber auch Familien, manche kamen jeden Tag“, sagt Kamila Juruć. Es gab für die Besucher:innen in der Woche der Dachöffnung ein Programm mit Kurzfilmabend, Dachspaziergang, Yoga, Konzert, Dachdinner, Workshop und der Gelegenheit, auf einem sonst unzugänglichen Dach den Sommer zu genießen. Wer wollte, konnte selbst Getränke oder eine Pizza mitbringen und es sich bequem machen. Möglich wurde das Projekt durch eine Förderung aus dem Programm „Draussenstadt“.
Mit der Aktion auf dem Cittipoint-Dach hat das Kollektiv weitere Erfahrungen gesammelt und auch verschiedene Fragestellungen in einem Workshop vertieft: Was bringt es für eine Stadt, wenn mam eine Woche auf einem Dach sein kann? Wie kann man Dächer dauerhaft nicht-kommerziell nutzen? Wie kann man Menschen dafür begeistern und dazu motivieren, sich ebenfalls für offene Dächer zu engagieren? Die Frage, ob man Dächer überhaupt nutzen sollte, wurde nicht gestellt. „Es gibt allein 200 Parkhäuser in der Berlin. Fast alle haben Flachdächer, fast überall steht die oberste Etage leer“, sagt Kamila Juruć. Und sicher gebe es noch viele weitere Möglichkeiten, mal „drüber zu sein“.
Ob das offene Cittipoint-Dach eine einmalige Aktion im Wedding war oder ob die „Operation Himmelblick“ erneut dieses oder ein anderes Dach öffnen wird, ist noch unklar. Dazu will sich die Initiative erst noch intern austauschen. Vom Betreiber des Cittipoint habe es jedenfalls „viel positives Feedback“ gegeben und das Signal, dass man sich das im kommenden Sommer wieder vorstellen könne. Doch auch Aktionen auf anderen Weddinger Dächern wären laut Kamila Juruć möglich. Wer Vorschläge dafür hat oder sich für Dachnutzungen engagieren möchte, der kann sich per E‑Mail an [email protected] wenden.
Der Text entstand in Zusammenarbeit mit der Weddinger Allgemeinen Zeitung (–> E‑Paper), der gedruckten Zeitung für den Wedding. Autorin ist Dominique Hensel. Wir danken dem RAZ-Verlag!