Oft wird die BVG-Dauerbaustelle unter dem Teer der Müllerstraße von den Weddingern nur noch achselzuckend mit „unser kleiner BER“ kommentiert. Im 100. Jahr seines Bestehens ist der U‑Bahnhof Seestraße noch nicht fertig saniert und längst nicht barrierefrei. Wir haben einmal nachgefragt, was es Neues von der Baustelle gibt. Wie die BVG uns gegenüber betont, ist bei den auf 5 Jahre ausgelegten Sanierungsarbeiten nichts passiert, was die Bauprofis aus der Ruhe bringt.
Die Umbauarbeiten am U‑Bahnhof Seestraße konzentrieren sich derzeit auf den Bahnsteig II Richtung Kurt-Schumacher-Platz. „Hier sollen die Bauarbeiten inklusive des Aufzuges und der Treppe bis Ende des Jahres abgeschlossen sein“, teilt ein Sprecher der BVG auf unsere Anfrage mit. Die Planungen zum Umbau des gegenüberliegenden Bahnsteigs seien ebenfalls bereits abgeschlossen. Dort soll es im Anschluss an die derzeitigen Arbeiten losgehen.
Ob es unvorhergesehene Probleme gegeben habe, beantwortet der BVG-Sprecher wie folgt: „Bei der Sanierung solch alter Bauwerke stößt man immer wieder auf Überraschungen. Unsere Kolleg*innen, die sich um die Sanierung der U‑Bahnhöfe kümmern, sind allerdings absolute Profis, die so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Beim U‑Bahnhof Seestraße war bisher ohnehin alles relativ unauffällig. Einzig die Instandsetzung des Betons war etwas aufwändiger als sonst. Um die Tragfähigkeit des Bahnsteiges zu garantieren, musste dort deutlich mehr Beton abgebrochen werden als üblich.“ Eine Besonderheit beim Umbau war auch, dass auf einem großen Raumgerüst auf zwei Ebenen gearbeitet wurde. Unten wurden die Sohle und der Aufbau der Bahnsteigplatte präpariert, während oben die Decke verpresst, verputzt und gemalert wurde.
Da die Dinge recht langsam vorangehen, entsteht bei vielen Weddingern der Eindruck, die Baustelle sei in Verzug geraten. Die BVG gibt diesbezüglich im hundertsten Jahr des Bahnhofs Entwarnung: Der Zeitplan für den endgültigen Abschluss der Sanierungsarbeiten des U‑Bahnhofs hat sich nicht geändert.
Ein bisschen Geschichte des Bahnhofs
Selbst oberflächlichen Betrachtern fällt auf, dass der Bahnhof Seestraße mit seinen zwei sehr unterschiedlichen Bahnsteigen eine Ausnahme im U‑Bahn-Netz bildet. Als Endstation ist der Bahnhof mit zwei Bahnsteigen und vier Gleisen gebaut worden: Pendelzüge sollten später Richtung Scharnweberstraße weiterfahren. Doch dazu kam es nicht. Zunächst wurde der westliche Bahnsteig zum Abstellen genutzt; zwischen den mittleren Gleisen wurde eine Mauer eingezogen. Der Verkehr wurde in beiden Richtungen am östlichen Bahnsteig abgewickelt. Ausgänge bekam der westliche Bahnsteig erst, seit er im Krieg als Luftschutzkeller genutzt wurde.
Für die U‑Bahn-Verlängerung wurde die bisherige Endstation 1955 komplett umgebaut. Die Trennwand zwischen den beiden Bahnsteigen wurde beseitigt und der westliche Bahnsteig I für den Betrieb Richtung Süden genutzt. Das östlichste Gleis wurde dauerhaft abgebaut und in den Bereich des neuen verbreiterten Seitenbahnsteigs integriert. Der nördliche Ausgang (derzeit noch gesperrt) befindet sich exakt über dem früheren Gleisbett. Das mittlere Gleis am östlichen Bahnsteig dagegen dient nun für den Betrieb Richtung Alt-Tegel. Die Bahnsteige wurden von 80 auf 110 Meter verlängert und die verputzten Stationswände wurden mit den – heute für den Bahnhof typischen – gelben Fliesen verkleidet. Erst 2022 bekam auch der östliche Bahnsteig einen zweiten Ausgang Richtung Amsterdamer Straße und bald auch einen Fahrstuhl.
Die Grundinstandsetzungsarbeiten seit 2019 bedeuteten viele Unannehmlichkeiten für die Fahrgäste. Dank neuer Gleisverbindungen konnten zwei Jahre lang die Züge in beide Fahrtrichtungen am westlich gelegenen Bahnsteig I halten. In Richtung Nord wechselte der Betrieb 2022 zurück auf den sanierten Bahnsteig II. Die Aufzüge entstehen auf beiden Bahnsteigen in Nähe der bestehenden nördlichen Treppenanlagen in Nähe der Seestraße.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von instagram.com/mylookat.berlin
Man sollte sich mal die sanierten U‑Bahnhöfe in ost-und mitteleuropäischen Hauptstädten anschauen. Dann weiß man wie moderne, auch noch farblich gut gestaltete Bahnhöfe aussehen können.
„… die so schnell nichts aus der Ruhe bringt …“
passt gut zum gefühlten jahrelangen Stillstand
Begeistert wird von dieser Aussage keiner sein.
1. Wenn Bahnsteig I saniert wird, wird es dann einen Pendelverkehr geben oder findet man eine Lösung, erst die eine Seite zu sanieren und dann die andere oder einen anderen Weg, den Betrieb in beide Richtungen aufrecht zu erhalten?
2. Mir ist unbegreiflich, wie die Sanierung eines relativ simpel konstruierten (im Vergleich zB. mit U Spichernstraße) Ubahnhofes in einem Industriestaat wie Deutschland fünf Jahre dauern kann. Warum brauchen wir Jahre, um einen Aufzug einzubauen?