Ab dem 1. Januar kommt die sogenannte Mehrwegpflicht. Doch manches klingt dramatischer als es ist. Das neue Verpackungsgesetz verlangt ab dem nächsten Jahr lediglich eine Mehrwegalternative. So steht es im Paragraph 33 des Gesetzes. Für Liebhaber des schnellen Kaffees für unterwegs können sich dadurch zwei Möglichkeiten ergeben.
Fall eins: Der Käufer geht regelmäßig zu einem Kaffeestand, der sich einem Pfandsystem wie Recup oder Faircup angeschlossen hat. Dann kann er für seinen Muntermacher um einen Pfandbecher bitten. Diesen kann bei einem anderen Händler, der das gleiche System nutzt, zurückgeben. Der Kreislauf ist geschlossen. Wie beim To-Go-Becher bleibt alles bequem, es entsteht für den Käufer kein Abwasch.
Fall zwei: Der Händler hat eine kleine Verkaufsfläche und macht deshalb möglicherweise nicht bei einem Pfandsystem mit. In diesem Fall kann der Kunde verlangen, dass sein eigener, mitgebrachter Lieblingsbecher befüllt wird.
Eine kleine Verkaufsfläche deutlich unter 80 Quadratmetern hat zum Beispiel Coffee Star im Rathaus Müllerstraße. Dennoch nutzt der Röster ein Pfandsystem. Wir nehmen “bereits seit über vier Jahren am Recup System teil”, sagt Karlheinz Rieser von der Kaffeerösterei. Kundenbecher sehe man dagegen “kritisch”, schließlich würden manche Bundesländer diese untersagen, sagt Karlheinz Rieser. Dass Mehrweg nicht nur für frisch gebrühten Kaffee funktioniert, beweisen unter anderem die Flying Roasters. Sie verkaufen schon heute ihre Kaffeebohnen auf Wunsch in wiederverwendbaren Dosen und sparen so Verpackungen. Ebenfalls Vorreiter ist die Fleischerei Bünger. Schilder im Geschäft weisen darauf hin, dass Fleischermeister Sven Tanner und sein Team Wurst auch in mitgebrachten Dosen verkauft. Ein Test beim Cuccis auf dem Bahnhof Gesundbrunnen zeigt: Bei allen Kiosken der Kette wird der mitgebrachte Lieblingsbecher schon heute ohne Fragen und Wundern anstandslos angenommen.
Streng genommen gibt es noch Fall drei: Plastik und Meere sind beides Themen, die den Kunden nicht interessieren und er wählt weiterhin den beschichteten To-Go-Becher.
Regeln für die Kunden
Wir haben bei der Senatsverwaltung für Umwelt nachgefragt, was das neue Gesetz im Detail bedeutet.
Frage 1: Kann ein Laden mich mit meinem Lieblingsbecher abweisen? Antwort: “Ja, es ist zutreffend, dass Betriebe mit mehr als 80 Quadratmetern und fünf Mitarbeitenden tatsächlich nicht verpflichtet sind, Essen in mitgebrachtes Geschirr zu füllen”, sagt Pressesprecherin Constanze Siedenburg. Das heißt, der Kunde müsse auf freiwillige Akzeptanz hoffen.
Frage 2: Es gibt konkurrierende Pfandsysteme. Kann ich dennoch meinen Pfandbecher bei jedem Gastronomen mit einem beliebigen Pfandsystem meinen Leihbecher zurückgeben? Antwort: “Nein, es gibt bislang keine Verpflichtung, alle Mehrwegpoolverpackungen zurückzunehmen”, sagt Constanze Siedenburg. Aber das Land Berlin verhandele wegen dieses Punktes mit dem Bundesumweltministerium. Zudem arbeite die Senatsverwaltung für Umwelt an der Idee, die Rücknahme per Automaten zu ermöglichen, so die Pressesprecherin.
Frage 3: Gibt es Höchst- oder Mindestpreise für die Pfandbecher? Antwort: “Der Pfandpreis der Mehrwegalternative darf nicht so hoch sein, dass er eine abschreckende Wirkung hat”, sagt Constanze Siedenburg. Gleichzeitig dürfe sich im Pfandpreis der Materialwert widerspiegeln. Für eine Schale aus Edelstahl darf der Gastronom einen höheren Pfand verlangen als für eine Bowl aus Karton.
Warum die Neuerungen?
Warum hat der Gesetzgeber die Neuerungen eingeführt? Die neuen Regeln des Verpackungsgesetzes sollen dazu führen, dass weniger Plastik für die Beschichtung der Becher produziert werden. Eine zusätzliche Antwort zeigt unser Foto. Viele der To-Go-Becher landen nicht im Müll, sondern bleiben umsonst und draußen für die Nachwelt erhalten.
Für manche Gastronomen sind die Pfandsysteme oder die Herstellung eigener Mehrwegbecher zu teuer. Sie sind froh, dass sie unter der Grenze von 80 Quadratmetern Verkaufsfläche liegen und ihrer Pflicht nachkommen, indem sie die Becher und Behälter der Kunden akzeptieren. Und dazu einen entsprechenden Hinweis aushängen.
P.S.: Verpackungen ohne Beschichtung sind ausgenommen. Das heißt, die aus alter Zeit bekannte Alternative Brotbeutel können Bäcker weiter ablehnen und ausnahmslos auf die Papiertüte setzen. Auch der Pizzabote muss sich keinen Kopf machen und kann seine runden Scheiben wie zuvor im Karton liefern.
Der Text erschien zuerst in der Weddinger Allgemeinen Zeitung (–> E‑Paper), der gedruckten Zeitung für den Wedding. Autor ist Andrei Schnell. Wir danken dem RAZ-Verlag!
Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, ist der Kommunikationsaufwand an jedem Ort für Kunde und Händler noch wesentlich höher als der ökologische Nutzen für die Stadt. Ein neuer Schilderwald wird die Corona-Infos flächendeckend ergänzen? War das als Impact beabsichtigt?
Ich finde es schon eine Erleichterung, dass meine mitgebrachten Mehrwegbecher dann überall angenommen werden müssen. Viele machen das zwar schon, aber manchmal wird man auch weggeschickt. Ich nehme es als Signal (an uns alle) in die Richtige Richtung. 😉