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Als Lehrerin im Home-Office

26. März 2020
Das Schul­tor bleibt zu

Bis­her berich­te­ten Eltern von ihren Erfah­run­gen mit dem Home­schoo­ling. Da wur­de es Zeit, ein­mal die ande­re Per­spek­ti­ve ein­zu­neh­men. Daher kommt dies­mal eine Leh­re­rin zu Wort. Sie arbei­tet an einem Wed­din­ger Gym­na­si­um und ist Mut­ter zwei­er Kita­kin­der. Hier berich­tet sie über ihre Erkennt­nis­se als Leh­re­rin im Home-Office. 

Der Ruf nach Freiheit

Zunächst muss ich sagen, dass ich wirk­lich ger­ne Leh­re­rin bin. Eigent­lich erle­be ich an jedem Tag wirk­lich schö­ne Momen­te mit mei­nen Schü­lern. Und in jeder Woche ler­ne ich auf allen Ebe­nen Neu­es, das ist toll. Aber natür­lich gibt es auch Tage, wo ich abends vor Erschöp­fung ein­fach nicht mehr kann, wo mir zwi­schen­durch der Magen vor Hun­ger knurrt, aber ein­fach kei­ne Zeit zum Essen bleibt, wo mich Ein­zel­ne schlicht­weg ner­ven. Und daher muss ich zuge­ben, dass der Gedan­ke des Home­tea­ching auch etwas Reiz­vol­les hat­te. Mei­ne Schu­le ist digi­tal wirk­lich fit, der Lern­raum gehört zur täg­li­chen Arbeit, eben­so wie diver­se digi­ta­le Pro­gram­me im Unter­richt. Aber jetzt habe ich end­lich mal Zeit, Neu­es aus­zu­pro­bie­ren und ken­nen­zu­ler­nen, ohne straff durch­or­ga­ni­sier­ten All­tag und Stun­den­ryth­mus, so viel Freiheit!

Willkommen in der Realität!

Arbeitsplatz einer Lehrerin im Home-Office
Home-Office

Oh nein, auch die Kita ist geschlos­sen! Nun muss ich also wäh­rend der Mit­tags­schlaf­zeit alles schaf­fen. Abends bin ich nach dem gan­zen Tag mit den Kids dazu kaum in der Lage. Das bedeu­tet Selbst­dis­zi­plin und Orga­ni­sa­ti­on, dahin ist die zeit­li­che Freiheit.

Aber mir bleibt die inhalt­li­che Frei­heit. Schnell wur­de mir klar, dass es in ers­ter Linie nicht dar­um geht, das Stun­den­pen­sum laut Rah­men­lehr­plan zu schaf­fen. Es geht dar­um, mei­nen Schü­lern, und auch den armen Eltern im Home­schoo­ling, Struk­tu­ren zu geben, um sich in die­ser wir­ren Zeit nicht zu ver­lie­ren. Es geht dar­um, im sozia­len Aus­tausch zu blei­ben, um die Iso­la­ti­on erträg­li­cher zu machen. Und es geht dar­um, den Ober­stu­fen­schü­lern die Angst vor kom­men­den Prü­fun­gen zu neh­men durch die wei­te­re inhalt­li­che Betreuung.

Die erste Erkenntnis

Mit einer gewis­sen Fle­xi­bi­li­tät sind vie­le Unter­richts­in­hal­te durch­aus für das Home­tea­ching geeig­net. Die eine Lern­grup­pe hat Zeit, sich mit gelei­te­ten Arbeits­blät­tern und einem Video in einem span­nen­den Pro­jekt zu ver­tie­fen. Eine ande­re Klas­se bekommt Wochen­auf­ga­ben zur der­zei­ti­gen Lek­tü­re. Der Ober­stu­fen­kurs erhält gezielt Übungs­ma­te­ria­li­en für die bevor­ste­hen­de Klau­sur und die Mög­lich­keit, Fra­gen im Video­chat zu stel­len. Für das kon­kre­te Schrei­ben bleibt im Unter­richt meist zu wenig Zeit. Am meis­ten Angst hat­te ich vor der digi­ta­len Sexu­al­bil­dung. Aber auch das ist kein Pro­blem, ohne Scham und Kichern kann sich jeder Schü­ler mate­ri­al­ge­lei­tet mit den sehr per­sön­li­chen The­men aus­ein­an­der­set­zen. Aus­tausch­in­ten­si­ve The­men wer­den ein­fach auf das Wie­der­se­hen verschoben.

Keine Panik bei technischen Hürden

Lie­be Eltern und Schü­ler, auch wir Leh­rer haben mit den tech­ni­schen Hür­den wegen Über­las­tung der Ser­ver zu kämp­fen und volls­tes Ver­ständ­nis, wenn etwas spä­ter ein­ge­reicht wird. Auch die Pro­ble­me bei der Noten­ge­bung sind uns bewusst. Daher voll­zie­hen wir die­se wohl­über­legt, in ers­ter Linie geht es um zuver­läs­si­ges und erfolg­rei­ches Enga­ge­ment beim digi­ta­len Ler­nen. 

Die zweite Erkenntnis

Irgend­wie in Kon­takt bleiben

Nach einer Woche im Home­tea­ching mer­ke ich, wie sehr mir mei­ne Schü­ler feh­len. Ich möch­te wis­sen, wie es ihnen geht, was sie den gan­zen Tag so machen, mache mir Sor­gen, wenn die Eltern sich nicht küm­mern kön­nen. Also schrei­be ich mei­nen Klas­sen im Lern­raum, stel­le genau die­se Fra­gen, suche den per­sön­li­chen Kon­takt. Und ich erhal­te Ant­wor­ten, vom Aus­tausch von Seri­en­tipps bis hin zu rüh­ren­den Wor­ten der Dank­bar­keit, ein­mal auch als alba­ni­sches Sprich­wort von dem Schrift­stel­ler Naim Fras­hëri: „Punë, Punë natë e dite që të sho­him pakëz dri­të!“ (Arbeit, Arbeit Tag und Nacht, nur um ein biss­chen Licht zu sehen!).

Und ich bin sehr stolz auf mei­ne Kol­le­gen. Ein Klas­sen­leh­rer sen­det jeden Mor­gen sein „mor­ning brie­fing“, das auch schon mal in Form eines Pod­casts aus­fal­len kann. Eine Klas­sen­leh­re­rin sam­melt die Auf­ga­ben aller Kol­le­gen für eine digi­ta­le To-Do-Lis­te mit erkenn­ba­ren Fort­schritts­bal­ken für die Schü­ler. Es gibt so viel mehr Bei­spie­le enga­gier­ter Lehrer.

Die dritte Erkenntnis

Digi­ta­les Tea­ching krie­ge ich hin. Aber ich brau­che den per­sön­li­chen Aus­tausch mit mei­nen Schü­lern. Ich freue mich, wenn wir uns im All­tag wie­der­se­hen, mit all sei­nen posi­ti­ven und nega­ti­ven Facet­ten! Kommt alle gesund wie­der, und lasst uns bis dahin in Kon­takt bleiben!

Uns inter­es­siert, wie es Schü­lern, Eltern und Leh­rern in die­ser Situa­ti­on geht. Schreibt uns gern! Mail an: [email protected]

Rah­men­lehr­plä­ne Berlin

Gastautor

Als offene Plattform veröffentlichen wir gerne auch Texte, die Gastautorinnen und -autoren für uns verfasst haben.

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