Seit ihrer Kindheit verfolgte Margo Weiskam ihre Karriere auf der Opernbühne. Solange bis sie sich im vergangenen Jahr aufgrund einer Krankheit selbstständig machte. Nun ist die ehemalige Opernsängerin Gesangslehrerin im Wedding. Sie unterrichtet auch Senioren. Wir haben sie besucht.
Mit einem breiten Lächeln wartet Margo Weiskam vor der Tür des Altersheimes Goldherz im Wedding in der Maxstraße 2–4. Durch enge Gänge führt sie ihre Gesangsschüler bis ans Ende des Gebäudes und schließt ihren Unterrichtsraum auf. Die Stunde beginnt mit Atemübungen und dem Einsingen. Im zweiten Teil werden klassische Stücke geübt. Die Lehrerin begleitet mit dem Klavier und ermutigt ihre Schüler sich an besonders schwierigen Stellen Töne und Räume vorzustellen. Bei der Gesangstechnik käme es aber nicht nur auf die Vorstellungskraft an, sondern auch auf die Körperarbeit. Schließlich sei die Stütze beziehungsweise die Zwerchfellatmung für das Singen ein Bestandteil der auf den ganzen Körper wirkt. Vor allem aber als Bühnendarsteller sei der Einsatz des Körpers essentiell.
Gerade in diesem Punkt spricht die Gesangslehrerin aus langjähriger Erfahrung. Sie selbst stand 21 Jahre auf der Bühne, als Solistin. In Zeiten ihres Festengagements performte sie zwischen drei und sechs Mal die Woche. Die große Herausforderung bei einem solchen Pensum sei es dem Zuschauer trotz der vielen Auftritte immer wieder ein einzigartiges Erlebnis zu bieten. Das gelinge eben nicht durch Routine, sondern vor allem durch die darstellerische Leistung, die in jeder Vorstellung neu erfunden werden müsse. Rund sieben Jahre arbeitete sie in Festanstellung, doch „man hatte eigentlich kein Privatleben“. Die restliche Zeit war sie als Mezzosopran freiberuflich tätig.
Obwohl der Beruf sehr viele Anstrengungen mit sich bringt die durch die kulturpolitischen Sparmaßnahmen nicht gerade gewürdigt werden, vermisst Weiskam ihre Zeit auf der Bühne zutiefst. „Leider schränkte mein Asthma meinen Gesang gegen Ende meiner Karriere zu sehr ein. Ich wusste einfach nie wann ein Staubkorn kommt, und das wäre mir auf der Bühne unendlich peinlich gewesen.“ Der Bühne den Rücken zu kehren war für sie ein trauriger Schritt, den sie aber dennoch als bereichernden Neuanfang sieht. Früher hätte sie nur nebenbei Unterricht gegeben, nun könne sie ihre Erfahrung in ihrem Beruf als Gesangslehrerin verstärkt weitergeben.
Als sie vor allem als Opernsängerin tätig war, konnte sie die wenigen Schüler noch in ihrem eigenen zuhause im Wedding empfangen. Doch mit dem Fokus auf den Gesangsunterricht und der steigenden Schülerzahl suchte sie ihrer Nachbarschaft zuliebe händeringend nach einem Unterrichtsraum. Eine Lösung bot sich ihr im Altersheim Goldherz. Für die Nutzung des Raumes gibt Weiskam den älteren Herrschaften, den „Goldies“ wie sie sie nennt, zweimal im Monat Gesangsunterricht. Ihr zufolge hätte jeder das Potential sich stimmtechnisch weiterzuentwickeln, egal in welchem Alter. Trotzdem dachte sie anfangs, dass die Goldies lediglich zum praktischen Singen kämen. Doch als sie fragte, ob sie die Gesangsgruppe auch bei der Technik unterstützen sollte, stimmten alle zu.
Die schönsten Momente zeigen sich für die Gesangslehrerin jedoch nicht in der Verbesserung der Stimme, sondern vor allem in der Lebensfreude. Sie „freue sich wahnsinnig, wenn die Schüler pfeifend den Raum verlassen. Schließlich ist singen für Körper, Geist und Seele einfach fantastisch.“ Auf die Frage ob jeder singen könne antwortet die Gesangslehrerin mit einem Schmunzeln: „Vielleicht kann nicht jeder singen, aber jeder sollte singen dürfen. Singen ist etwas Völkerverbindendes.“
Kontakt Margo Weiskam: per Telefon unter (0152 521 52 557), per E‑Mail unter [email protected]
Annika Keilen hat beim Gesangsunterricht zugehört und zugeschaut. Im Nachhinein blieb die ein oder andere Melodie im Kopf, die die Zeilen dieses Artikels begleitete.