Den Opfern der Anschläge in Paris vom November (und auch im Januar) wird in offiziellen Schweigeminuten gedacht werden. Heute oder in der nächsten Woche. Gleichzeitig ist dieser Sonntag und auch der folgende ein so genannter stiller Feiertag. Volkstrauertag und Totensonntag stehen im Kalender. Doch die Wenigsten wissen, was Volkstrauertag und Totensonntag bedeuten sollen, außer dass Oma davon redete, dass man auf den Friedhof müsse. Und vollkommen unklar dürfte vielen sein, warum an diesen Tagen keine Flohmärkte erlaubt sind.
Herkunft der Trauer im November
Vor dem erschütternden Freitag von Paris, war für diesen Artikel der Satz geplant: Echte Trauer empfinden etliche Leute vielleicht für den im Humboldthain erschossenen Hund Danti. Der Satz sollte ausgedrücken, wie sehr die Hintergründe der beiden stillen Feiertage am Ende des Kirchenjahres in Vergessenheit geraten sind.
Der Volkstrauertag wurde in der Weimarer Republik erfunden und sollte an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges erinnern. Kriegsopfer waren in damaliger Perspektive vor allem Soldaten und Pathos wurde großgeschrieben. Die Nationalsozialisten werteten den Volkstrauertag zum Heldengedenktag und zum gesetzlichen Feiertag auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Volkstrauertag vom Februar ans Ende des Kirchenjahres und damit in den November gelegt. Gedacht wird den Toten zweier Kriege und ausdrücklich Soldaten und Zivilopfern.
Der Totensonntag wurde in Preußen erfunden. 1816 erst bestimmte Friedrich Wilhelm III. diesen evangelischen Feiertag. Erst seit diesem Jahr hat auch die evangelische Kirche ein Pendant zum Allerseelen. Gedacht wird allen Verstorben.
Gesetze in Berlin
Volkstrauertag und Totensonntag sind stille Feiertage. Paragraph 3 des Berliner “Gesetzes über die Sonn- und Feiertage” sagt schlicht: “(1) Der vorletzte Sonntag vor dem 1. Advent ist Volkstrauertag. (2) Der letzte Sonntag vor dem 1. Advent ist Totensonntag.” Die Berliner “Verordnung über den Schutz der Sonn- und Feiertage (Feiertagsschutz- Verordnung – FSchVO)” verbietet neben Tanz und Disco pauschal alle Veranstaltungen, durch die die besondere Feiertagsruhe unmittelbar gestört wird. Deshalb kein Flohmarkt.
Krieg und Friedensforschung
Volkstrauertag und Totensonntag sind immerhin zu einem kleinen Rest noch Momente des Pausierens. Während die Boulevardpresse und der Papst aufgrund der aktuellen Bilder aus Paris vom Krieg sprechen, könnten kühlere Köpfe die partyfreien (oder zumindest flohmarktfreien) Sonntage nutzen, um nach dem Abklingen des Erschreckens darüber nachzudenken, wie besonnene Reaktionen aussähen. Sieht man in den Anschlägen eine Kriegserklärung, dann wäre jetzt die Stunde der Friedenforscher und ihrer Antworten. Sieht man in den Anschlägen eine weitere Terroraktion wie sie in Europa seit 1945 zum Alltag gehört (Nordirland-Konflikt, Baskenland, Lockerbie), dann wäre jetzt die Stunde der Geschichtslehrer; sie gäben Antworten auf die Frage, wie früher in vergleichbaren Situationen reagiert wurde.
Sicher ist, dass überstürzte und gefühlsgeleitete Erwiderungen nur mit einer Chance von einem 1% die richtigen sind. Warum nicht zusammen mit Oma bei der Grabpflege in Ruhe nachdenken. Auf dem Friedhof lassen sich vielleicht die weisesten Antworten für das Leben finden.
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Text und Foto: Andrei Schnell
Ja, ich fände es auch sehr wichtig, dass sich die Friedensforscher zu Wort melden. Vielleicht wäre es auch Zeit für einen Friedensminister in jeder Regierung. Soweit ich als Geschichtselhrerin es beurteilen kann, werden und wurden Kriege immer um Ressourcen geführt, es geht also immer um Besitz, Macht, Prestige usw. Man muss also den Schluss ziehen, dass die Menschen noch nicht fähig sind, sich als Gemeinschaft zu begreifen, die gegenseitig für sich sorgt. Da jeder einzelne ja immer nur relativ kurz lebt, ist eine langfristige Sicht nötig, damit nicht jeder des anderen Wolf sein muss. (Ist aber bestimmt nicht einfach)
Hätte Samuel Huntington nicht das Buch “Kampf der Kulturen” geschrieben, sondern “Neue Freunde in neuen Konflikten” sähe vieles besser aus.