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Freie Schulen auch für Wedding-Kids?

5. Dezember 2017
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Wie Maja Lasic Deutsche wurde. Foto Andrei Schnell
Maja Lasić (SPD), 2016 im Brun­nen­vier­tel direkt gewählt, will die Schul­land­schaft neu ord­nen. Foto And­rei Schnell

Die Ber­li­ner SPD will in der Bil­dungs­po­li­tik eine Wen­de ein­lei­ten. „Alle Schu­len für alle Kin­der“ for­dert ein Antrag der SPD-Frak­ti­on im Ber­li­ner Abge­ord­ne­ten­haus. Das heißt, pri­va­te und freie Schu­len sol­len jeder­mann zugäng­lich sein. Maß­geb­lich ver­fasst hat den Antrag Maja Lasić (SPD), die 2016 im „tie­fen Wed­ding“ (seit 18 Jah­ren als Brun­nen­vier­tel bekannt) direkt gewählt wurde.

Maja Lasić ist in der Ber­li­ner SPD die Frak­ti­ons­spre­che­rin für Bil­dung. Der Antrag, der noch nicht ver­öf­fent­licht ist aber dem Wed­ding­wei­ser vor­liegt, for­dert vom Senat „die Zusam­men­ar­beit mit Schu­len in frei­er Trä­ger­schaft neu zu ord­nen“. Für die vier pri­va­ten und frei­en Schu­len im Wed­ding wür­de sich eini­ges erheb­lich ändern. Und Wed­din­ger Fami­li­en mit wenig Geld hät­ten eine grö­ße­re Schul­aus­wahl. Maja Lasić erklärt im Inter­view, was die SPD vorhat.

Der Antrag, ver­fasst von Maja Lasić, Josch­ka Lan­gen­brinck und Ina Maria Czy­bor­ra, for­dert einen Bruch des bis­he­ri­gen gewohn­ten Schul­we­sens. Bis­lang besteht eine erheb­li­che Tren­nung zwi­schen den kos­ten­lo­sen staat­li­chen und den nicht-staat­li­chen Schu­len, die Schul­geld erhe­ben müs­sen. Die SPD-Frak­ti­on ver­langt nun eine „Gebüh­ren­frei­heit in den unte­ren Ein­kom­mens­grup­pen“ für alle Schu­len sowie eine ein­fa­che und kla­re Offen­le­gung der Schul­gel­der und eine Prü­fung der „tat­säch­li­chen sozi­al­ne Zusam­men­set­zung der Schülerschaft“.

Eben­falls grund­sätz­lich neu wäre die Finan­zie­rung: „ Pri­vat­schu­len, die ver­stärkt inklu­siv arbei­ten und Schü­ler aus sozi­al benach­tei­lig­ten Fami­li­en auf­neh­men, wer­den eine höhe­re Zuwei­sung bekom­men“. Über­ra­schend auch, dass in dem Papier von „Voll­kos­ten­ba­sis“ gespro­chen wird. Bis­lang bedeu­tet die Tren­nung zwi­schen den bei­den For­men der Schul­or­ga­ni­sa­ti­on, dass nicht-staat­li­chen Schu­len ledig­lich Per­so­nal­kos­ten und die­se auch nur teil­wei­se vom Land Ber­lin erstat­tet bekommen.

Interview mit Maja Lasić über “Alle Schulen für alle Kinder”

Maja Lasic
Maja Lasić, die Spre­che­rin für Bil­dung der SPD-Frak­ti­on im Abge­ord­ne­ten­haus. Foto: Maja Lasic.

Wed­ding­wei­ser: Frau Maja Lasić, was plant die Ber­li­ner die SPD und was soll mit dem Antrag “Alle Schu­len für alle Kin­der” erreicht werden?

Maja Lasić: Unser Antrag ver­folgt zwei Zie­le: Ers­tens stärkt das Grund­ge­setz freie Schu­len unter der Vor­aus­set­zung, dass sie nicht gegen das soge­nann­te Son­de­rungs­ver­bot ver­sto­ßen. Mit ande­ren Wor­ten: Freie Schu­len sind ver­pflich­tet, unab­hän­gig vom Ein­kom­men der Fami­lie für alle Kin­der zugäng­lich zu sein. In der bis­he­ri­gen Pra­xis sind jedoch die Model­le der Zuzah­lun­gen in vie­len Fäl­len nicht trans­pa­rent dar­ge­legt und auch von der Ber­li­ner Ver­wal­tung nicht aus­rei­chend geprüft. Der Wil­le der SPD-Frak­ti­on ist, dass sich dies ändert.

Unser zwei­tes Ziel befasst sich mit dem Finan­zie­rungs­mo­dell für freie Schu­len. Jedes zehn­te Ber­li­ner Kind besucht eine freie Schu­le. Der Anteil der sozi­al benach­tei­lig­ten Kin­der ist dabei jedoch an vie­len frei­en Schu­len in einem nied­ri­gen ein­stel­li­gen Bereich. Wir wol­len mit dem neu­en Finan­zie­rungs­mo­dell die­je­ni­gen unter den frei­en Schu­len stär­ken, die sich jetzt schon ver­stärkt der sozia­len Durch­mi­schung wid­men und den ande­ren frei­en Schu­len einen Anreiz bie­ten, sich ver­stärkt um Schü­ler aus sozi­al Benach­tei­lig­ten Fami­li­en zu bemühen.

Wer­den in dem Antrag pri­va­te und freie Schu­len, die sich in ihren Ziel­rich­tun­gen unter­schei­den, glei­cher­ma­ßen als “Pri­vat­schu­le” angesehen?

Maja Lasić: Unser Antrag zielt dar­auf ab, freie Schu­len unter­schied­lich zu behan­deln. Es gibt sehr vie­le reform­päd­ago­gi­sche Schu­len, die inno­va­ti­ve päd­ago­gi­sche Ansät­ze haben und dabei jetzt schon eine ange­mes­se­ne Durch­mi­schung der Schü­ler­schaft auf­wei­sen. Die­se Schu­len wol­len wir aus­drück­lich stär­ken. Vie­le wer­den von dem geplan­ten Finan­zie­rungs­mo­dell pro­fi­tie­ren. Ich wer­de kei­ne ein­zi­ge freie Schu­le ver­hin­dern wol­len, sehe mich aber nicht in der Pflicht, Schu­len zu stär­ken, die schon von ihrem Ansatz her auf Aus­gren­zung setzen.

Was wür­de sich für die vier Wed­din­ger nicht-staat­li­chen Schu­len ändern?

Freie Schule Quinoa-Schule
Die Qui­noa Schu­le für benach­tei­lig­te Jugend­li­che soll­te vom SPD-Vor­stoß pro­fi­tie­ren. Foto: And­rei Schnell

Maja Lasić: Im Klei­nen wird sich ändern, dass sie ihr Modell der Bei­trä­ge trans­pa­rent offen legen müs­sen. Damit ist für alle Fami­li­en schon vor dem Erst­kon­takt ersicht­lich, wel­che Kos­ten auf sie zukämen.

Was die Finan­zie­rung durch das Land anbe­trifft, so wird das Ergeb­nis für die betrof­fe­nen vier Wed­din­ger all­ge­mein­bil­den­den Schu­len ganz unter­schied­lich aus­fal­len. Denn sie gehen mit der sozia­len Bar­rie­re­frei­heit unter­schied­lich um. Die Schu­len, die bereits vie­le Kin­der aus ärme­ren Fami­li­en auf­neh­men, wer­den stark pro­fi­tie­ren, wenn sich unse­re Plä­ne durch­set­zen. Die ande­ren Schu­len wer­den sich hof­fent­lich ver­stärkt Gedan­ken machen, wie sie mehr Wed­din­ger Kin­der aus sozi­al schwa­chen Fami­li­en bei sich auf­neh­men. So oder so: Wed­din­ger Kin­der wer­den von dem neu­en Modell pro­fi­tie­ren und bis­lang ver­schlos­se­ne Wege wer­den sich für sie öffnen.

Info: Vier freie und private Schulen im Wedding

Kristall-Grundschule. Foto: Dominique Hensel
Die Kris­tall-Grund­schu­le infor­miert auf ihrer Web­sei­te wahr­schein­lich noch nicht “trans­pa­rent” genug. Foto: Domi­ni­que Hensel.

Eine nicht-staat­li­che Schu­le ist nicht unbe­dingt  eine “Pri­vat­schu­le”. Im Wed­ding gibt es neben zahl­rei­chen nicht-staatt­li­chen Berufs- und Fach­schu­len vier all­ge­mein­bil­den­de Schu­len in nicht-öffent­li­cher Hand. Die­se sind:

1. Nicht als Pri­vat­schu­le sieht sich die Qui­noa Schu­le in der Küh­ne­mann­stra­ße am nörd­li­chen Rand des Sol­di­ner Kiezes. Auf ihrer Web­sei­te heißt es: “Wir haben eine Schu­le gegrün­det, um sozi­al benach­tei­lig­ten Jugend­li­chen mehr Chan­cen­ge­rech­tig­keit durch eine Aus­sicht auf Aus­bil­dung und Bil­dungs­auf­stieg zu bie­ten.” Das Schul­geld ori­en­tiert sich an den Kita­ge­büh­ren. Eine Schul­geld­ta­bel­le schlüss­tel genau auf, wie hoch die Bei­trä­ge sind. Und es gibt den deut­li­chen Hin­weis, dass Fami­li­en, die staat­li­cher Unter­stüt­zung bezie­hen, ledig­lich 30 Euro Essens­geld zah­len müssen.

2. Eben­falls nicht als Pri­vat­schu­le anzu­se­hen ist die Kris­tall-Grund­schu­le in der Tege­ler Stra­ße im Spren­gel­kiez. Auf der Web­sei­te des Trä­gers Tech­ni­sche Jugend­frei­zeit- und Bil­dungs­ge­sell­schaft gGmbH ist zu lesen: “Inklu­si­on ist für uns will­kom­me­ne Viel­falt und die Chan­ce”. Ein­zel­hei­ten über die recht neue Schu­le feh­len aller­dings noch.

3. Als Alter­na­tiv­schu­le, weil alter­na­tiv zu gewohn­ten Schul­kon­zep­ten, sieht sich die Freie Schu­le am Mau­er­park im Brun­nen­vier­tel. Auch sie hat eine Schul­geld­ta­bel­le ver­öf­fent­licht. Zu zah­len sind hier je nach Ein­kom­men 90 bis fast 300 Euro pro Monat.

Freie Schule am Mauerpark. Foto: Dominique Hensel
Die Freie Schu­le am Mau­er­park ist eine Alter­na­tiv­schu­le mit einem alter­na­ti­ven päd­ago­gi­schem Kon­zept. Foto: Domi­ni­que Hensel.

5. Nicht im Wed­ding zu fin­den ist eine Montesso­ri­schu­le oder eine kirch­li­che Schule.

Die Fra­gen stell­te: And­rei Schnell, Fotos: Maja Lasić und And­rei Schnell

Umfra­ge [poll id=“2”]

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

2 Comments

  1. Der Vor­schlag ist nach­voll­zieh­bar, aber eher Sym­bol­po­li­tik. Hilf­rei­cher wäre eine Ver­bes­se­rung der öffent­li­chen Schu­len. Unter dem Mot­to “Alle Schu­len für alle Kin­der” wür­de es schon deut­lich mehr hel­fen, wenn den Eltern mehr Frei­heit bei der Wahl der (öffent­li­chen) Grund­schu­le gelas­sen und das jet­zi­ge Spren­gel­prin­zip auf­ge­ge­ben wür­de. Damit wür­de die Druck zur Flucht in die Pri­vat­schu­len (wie auch zur fal­schen Wohn­sitz­mel­dung und ande­ren Ver­mei­dungs­stra­te­gien) sicher geringer.

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