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Bezirkshaushalt: Es ist wieder Geld da

18. Oktober 2017
Rathaus Mitte
Die Bezirks­ver­ord­ne­ten beschlie­ßen im Rat­haus den Haus­halt 2018/2019. Foto: And­rei Schnell

Nach den lan­gen Jah­ren des berühm­ten roten Blei­stifts kann nun wie­der aus dem Vol­len geschöpft wer­den. Die Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung (BVV) – dem “Par­la­ment” auf Bezirks­ebe­ne – hat einen Bezirks­haus­halt für 2018 und 2019 beschlos­sen. Und in dem stei­gen die Aus­ga­ben kräf­tig. Es kann wie­der ver­teilt wer­den. Auch im Wed­ding. Über die stei­gen­den Inves­tio­nen freu­en sich die ein­zel­nen Fraktionen.

Grü­ne und SPD bil­den eine Zähl­ge­mein­schaft (grob ver­ein­facht bil­den sie eine Art Koali­ti­on). Und das sagen die bei­den und die ande­ren Frak­tio­nen über den beschlos­se­nen Bezirkshaushalt:

Grü­ne: “Wir haben uns vor allem für die ange­mes­se­ne Erhö­hung des Ansat­zes für die Jugend­hil­fe, zwei zusätz­li­che Stel­len in der Wirt­schafts­för­de­rung, Erhalt von Grün­flä­chen und Spiel­plät­zen, Stra­ßen­un­ter­hal­tung, Jugend­kunst­schu­le und Haus­auf­ga­ben­hil­fe in den Biblio­the­ken stark gemacht.” So fasst Ingrid Ber­ter­mann, die Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de der Grü­nen in der BVV, die gesetz­ten Schwer­punk­te der Grü­nen zusammen.

Auch Fran­zis­ka Briest, in der Frak­ti­on der Grü­nen für Haus­halts­fra­gen zustän­dig freut sich: “Die Erhö­hung der Mit­tel für die Grün­flä­chen­un­ter­hal­tung und die Sanie­rung der Rad­we­ge sind ein Bei­spiel für den grü­nen Ein­fluss auf Mitte.”

SPD: Zwar freut sich auch die SPD, dass für die Jugend­ar­beit – das sind Jugend­frei­zeit­stät­ten, Rei­sen, Jugend­so­zi­al­ar­beit, Schul­so­zi­al­ar­beit – mehr Geld zur Ver­fü­gung steht. Doch für die­sen Bereich hät­ten meh­re­re ande­re Par­tei­en gern noch mehr aus­ge­ge­ben. Eige­ne Punk­te der SPD sind, dass ein Gut­ach­ten bezahlt wer­den kann, das prü­fen soll, ob die Fami­li­en­zen­tren durch so genann­te Fami­li­en­ser­vice­bü­ros ergänzt wer­den kön­nen. Außer­dem ein SPD-The­ma sind die Schü­ler­haus­hal­te, das aus­ge­wei­tet wird. Außer­dem wird es mehr Schul­haus­meis­ter geben. Die Aus­wei­tung der Haus­auf­ga­ben­hil­fe in den Biblioht­eken sieht sie eben­falls als Punkt für sich.

BVV
Mit­tes Stadt­rä­te in der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung. Foto: And­rei Schnell

Pira­ten: Alex­an­der Frei­tag und Micha­el Kon­rad bil­den kei­ne Frak­ti­on, son­dern nur eine Grup­pe. Auch sie stimm­ten dem Haus­halt zu. “Für uns wesent­li­che Ele­men­te wur­den berück­sich­tigt.” Gefor­dert hat­ten die bei­den mehr Per­so­nal für das Ehren­amts­bü­ro und die Finan­zie­rung eines Live­streams von BVV-Sit­zun­gen (in Rei­ni­cken­dorf, Lich­ten­berg und Mar­zahn ist dies bereits umgesetzt).

Auch die FDP stimm­te dem Haus­halt zu.

Lin­ke: Die Lin­ke ent­hielt sich bei der Abstim­mung. Sie hat­te noch mehr Geld für die Kin­der- und Jugend­ar­beit gefor­dert. Der Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de der Lin­ke, Thi­lo Urchs, kri­ti­siert: “So gibt es zum Bei­spiel rund um den Naue­ner Platz eine Kin­der­ar­mut von 67,3 Pro­zent bei einem Ver­sor­gungs­grad der Kin­der- und Jugend­ar­beit von 25 Pro­zent.” Die von Grü­nen und SPD erreich­te Mit­tel­er­hö­hung errei­che zwar, dass die vor­han­de­nen Sozi­al­ar­bei­ter nun­mehr nach Tarif bezahlt wür­den. Das war offen­bar zuvor nicht der Fall. Neue Stel­len bräch­ten die Mit­tel­er­hö­hun­gen dem­nach nicht für den Kiez rund um den Naue­ner Platz.

Eben­falls ent­hal­ten hat­te sich die AfD. Aller­dings ist das Werk auch kom­pli­ziert zu lesen.

Als ein­zi­ge gegen den Haus­halt stimm­te die CDU.  Zu erken­nen ist ledig­lich, dass die CDU in einem Ände­rungs­an­trag vom 23. August mehr Haus­meis­ter für Schu­len gefor­dert hat­te (ÄA 1 zu 646 V). Auf E‑Mail-Anfra­ge hat die Frak­ti­on der CDU inner­halb einer Woche nicht geantwortet.

Der Etat: Auf den ers­ten Blick ist der Haus­halt gigan­tisch. Über eine Mil­li­ar­de Euro kann Mit­te pro Jahr aus­ge­ben. Im Plan von 2017 steht noch eine Zahl von rund 920 Mil­lio­nen Euro. Doch die meis­ten Posi­tio­nen im Etat sind zweck­ge­bun­den. Hier kann der Bezirk nicht oder nur sehr wenig frei ent­schei­den. Gera­de ein­mal cir­ca 10 Pro­zent der Aus­ga­ben gehö­ren zum so genann­ten A‑Teil (112 Mil­lio­nen Euro). Das ist der Teil, wo der Bezirk über­haupt Ein­fluss neh­men könn­te. Und selbst dar­un­ter fal­len Bewirt­schaf­tungs­kos­ten von Immo­bi­li­en, bei denen zwar “gesteu­ert”, aber nicht wirk­lich frei ent­schie­den wer­den kann.

Die Auf­stel­lung: In die­sem Jahr began­nen die Debat­ten über den Dop­pel­haus­halt 201819 bereits im Früh­jahr. Dis­kus­tiert wur­de in allen 16 Aus­schüs­sen. Zugrun­de lag ein Vor­schlag durch die fünf Stadt­rä­te, die das Bezirks­amt bil­den (grob ver­ein­facht eine Art “Regie­rung”). Am Ende über­wog die Einig­keit. In gro­ßer Run­de in der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung wur­de nur ein ein­zi­ger Abschnitt noch ein­mal auf­ge­macht und strit­tig ver­han­delt. Das war das The­ma Jugend.

Ein Nach­mit­tag im Jugend­club mit Dart. Foto: Weddingweiser

Ver­gleich mit 201617: Trotz allen “Streits”: Für den Bereich “Jugend­amt” stei­gen die Aus­ga­ben ordent­lich auf 275 Mil­lio­nen Euro im Jahr 2019. 2017 stan­den (immer­hin) 231 Mil­lio­nen Euro zur Verfügung.

Den größ­ten Pos­ten im Haus­halt bil­den die Pflicht­aus­ga­ben im Bereich “Amt für Sozia­les”. 2017 ste­hen 478 Mil­lio­nen Euro gegen geplan­te 529 Mil­lio­nen Euro im Jahr 2019 zu Buche.

Beim poli­ti­schen Mega­the­ma Bil­dung lässt sich nur schwer sagen, was sich der Bezirk das kos­ten lässt. Denn die Über­sicht des Haus­hal­tes kennt nur den gemein­sa­men Bereich “Schul- und Sport­amt”. 2017 stan­den hier 46,9 Mil­lio­nen Euro bereit, im Jahr 2019 sind gleich 59 Mil­lio­nen Euro ange­setzt. Beim “Amt für Wei­ter­bil­dung und Kul­tur” stei­gen die Aus­ga­ben dage­gen nur mini­mal von 19,5 Mil­lio­nen Euro im Jahr 2017 auf 20,8 Mil­lio­nen Euro im Jahr 2019.

Auf­re­ger­the­ma für den ADAC: Für das Ord­nungs­amt sah der Plan für 2017 Ein­nah­men in Höhe von 16,8 Mil­lio­nen Euro vor. Für 2019 wird mit Ein­nah­men von 20 Mil­lio­nen gerech­net. Manch einer wünscht sich ja schon, dass vor der eige­nen Haus­tür end­lich die Park­raum­be­wirt­schaf­tung kommt. Denn: nur dann kommt auch das Ord­nungs­amt vor­bei (nach­zu­le­sen in einer offi­zi­el­len Aus­sa­ge des Senats).

Obwohl die Grü­nen stärks­te Kraft in der BVV sind, bleibt für das Umwelt- und Natur­schutz­amt im Jahr 2019 den Betrag von 2,2 Mil­lio­nen Euro ste­hen. Im Jahr 2017 waren es eben­falls 2,2 Mil­lio­nen Euro. Dafür steigt der Etat des “Stra­ßen- und Grün­flä­chen­am­tes” von 31 Mil­lio­nen Euro im Jahr 2017 auf 34,5 Mil­lio­nen Euro im Jahr 2019. Das Geld für Rad­we­ge und natur­na­he Park­an­la­gen war­tet also auf Abruf.

Ein PDF mit dem Bezirks­haus­halt hält der Haupt­aus­schuss des Ber­li­ner Abge­ord­ne­ten­hau­ses unter Druck­sa­che 500 S  (war­um nicht die Web­sei­te des Bezirks?) bereit. Ver­ständ­li­che Gra­fi­ken zum Bezirks­haus­halt fin­den sich auf Sei­te der Senats­ver­wal­tung für Finanzen.

Kommentar

Finanzamt Wedding
Das Finanz­amt Wed­ding nimmt Geld ein, doch der Bezirk sieht davon nichts. Er bekommt “Zuwen­dun­gen” vom Senat. Foto: Weddingweiser

Geld ist ein beson­de­res Ding. Wer als Schü­ler jobt und dann mit den Kum­pels an die Ost­see fährt oder sich die eige­ne Spie­le­kon­so­le kauft, der genießt die­ses unbe­schreib­li­che Gefühl der Selb­stän­dig­keit. Er hat etwas erreicht, was ihm sei­ne Eltern nicht ermög­licht hät­ten. Aber Selb­stän­dig­keit ist heut­zu­ta­ge wo “Haupt­sa­che Abitur” gilt kein Erzie­hungs­ziel. Und auch im Bezirks­amt und unter den Bezirks­ver­ord­ne­ten über­wiegt die Freu­de über die Taschen­geld­erhö­hung durch den Senat.

Die Pein­lich­keit nur von “Zuwei­sun­gen” durch Mama-Papa-Senat zu leben, spielt bei den Frak­tio­nen kei­ne Rol­le. Und das obwohl ein Bezirk alles bes­ser machen kann als der Senat. Ein Satz, den alle ber­li­ner Bezirks­bür­ger­meis­ter in jedem Inter­view unter­brin­gen müss­ten. Das wäre der Beginn eines Streits für eigen­stän­di­ge bür­ger­na­he Bezir­ke. Nur selb­stän­di­ge Bezir­ke kön­nen zu Recht stolz auf die von ihnen selbst ent­schie­de­nen Ein­nah­men und Aus­ga­ben sein. Stolz auf ihren eige­nen Etat. Stolz auf ihre erhöh­ten Inves­ti­tio­nen in Kin­der und Jugend. So wie der Schü­ler, der nach dem Ein­räu­men im Super­markt sein ers­tes eige­nes Geld ein­steckt und damit sein Ding macht.

Text: And­rei Schnell, Fotos: And­rei Schnell

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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