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Bei den Flying Roasters sieht der Kaffeetrinker durch

26. Januar 2017
Von links nach rechts: Olli Klit­sch, Georg Ruhm und Nadi­ne Heymann. Foto: And­rei Schnell

Der Kaf­fee­rös­ter Fly­ing Roas­ters in der Hoch­stra­ße will, dass sei­ne Kun­den klar sehen und hat des­halb einen Trans­pa­renz­be­richt ver­öf­fent­licht. Der Wed­ding­wei­ser besuch­te aus die­sem Anlass die drei enga­gier­ten Rös­ter, um bei ihnen nach­zu­fra­gen. Nadi­ne Heymann, Olli Klit­sch und Georg Ruhm sind in einer alten Gara­ge im drit­ten Hin­ter­hof zu tref­fen. Nach­dem Olli vor­ge­führt hat, wie die über 20.000 Euro teu­re Röst­ma­schi­ne funk­tio­niert, sit­zen alle dicht an einem eiser­nen Ofen, der wenigs­tens eine klei­ne Ecke des Rau­mes wärmt. Es wird ein Cap­puc­ci­no ser­viert, der wirk­lich gut ist. Was an dem Cap­puc­ci­no sonst noch gut ist, das erzäh­len die drei im Interview.

Wed­ding­wei­ser: Fly­ing Roas­ters hat einen Trans­pa­renz­be­richt ver­öf­fent­licht. Was ist das überhaupt?

Olli Klit­sch. Im Hin­ter­grund zwei Ton­nen Roh­kaf­fee. Foto: And­rei Schnell

Olli Klit­sch: Wir möch­ten offen legen, wie wir arbei­ten. Beim The­ma Kaf­fee ist oft ver­schwom­men, was hin­ter den Kulis­sen pas­siert: Was bezah­len die Rös­ter im Ein­kauf für den Kaf­fee? Wo kommt der Kaf­fee her, der ver­ar­bei­tet wird? Wie ist das Unter­neh­men struk­tu­riert? Wir kau­fen unse­ren Kaf­fee nur bei klein­bäu­er­li­chen Koope­ra­ti­ven ein und wir wol­len nicht nur mit den Pro­du­zen­ten des Roh­kaf­fees in enger und offe­ner Kom­mu­ni­ka­ti­on ste­hen. Mit dem jähr­li­chen Trans­pa­renz­be­richt wol­len wie die gesam­te Ket­te von den Pro­du­zen­ten bis in die Tas­sen der Kon­su­men­ten und Kon­su­men­tin­nen nach­voll­zieh­ba­rer machen und in Kom­mu­ni­ka­ti­on über Han­dels­we­ge treten.

Georg Ruhm: Für uns gehört ein Trans­pa­renz­be­richt letzt­lich dazu, wie wir arbei­ten und wirt­schaf­ten wol­len. Alle, die unse­ren Kaf­fee trin­ken sol­len auch wis­sen, was wir war­um und wie machen. Nach­voll­zieh­bar­keit ist uns wichtig.

Wed­ding­wei­ser: Ihr nennt Euch ein Kol­lek­tiv. Was wollt ihr damit ausdrücken?

Olli: Wir haben uns nach innen ein Sta­tut gege­ben. Dar­in steht unter ande­rem, dass wir drei gleich­be­rech­tigt sind. Wir tref­fen uns ein­mal pro Woche zu einer Arbeits­be­spre­chung. Auf die­sem ver­tei­len wir die Ver­ant­wort­lich­kei­ten für alles, was gera­de ansteht, wobei wir alle Ent­schei­dun­gen gemein­sam tref­fen. Im Vor­der­grund steht also die gemein­sa­me Ver­ant­wor­tung und die gemein­sa­men Ent­schei­dun­gen. Auch wenn wir wach­sen, wer­den wir Fly­ing Roas­ters immer mit allen zusam­men wei­ter ent­wi­ckeln. Dar­um geht es uns. Das heißt natür­lich nicht, dass jeder immer alles macht, aber dass alle immer wis­sen, was gera­de ansteht und wie wir wei­ter arbeiten.

Wed­ding­wei­ser: In Eurem Logo ist ein Stern zen­tral. Seht ihr euch als ein lin­kes Projekt?

Ver­kauf direkt von der Maschi­ne ist zu den Öff­nungs­zei­ten mög­lich. Foto: And­rei Schnell

Georg: Wenn man das so sagt, klingt fast ein wenig komisch. Aber es stimmt schon, dass wir ande­re Wege gehen wol­len. Wir wol­len das Koope­ra­ti­ve beto­nen, das Kol­lek­ti­ve, die Offen­heit unse­res Röst­kol­lek­tivs. Uns ist die Aus­sa­ge wich­tig: united we stand – gemein­sam errei­chen wir mehr.

Wed­ding­wei­ser: In Eurem Trans­pa­renz­be­richt steht viel über Geld. Was hat es zum Bei­spiel mit dem Min­dest­preis auf sich?

Ein flie­gen­der Vogel ist Erken­nungs­zei­chen auf der Ver­pa­ckung. Foto: And­rei Schnell

Olli: Wir sind Teil des Netz­werks Roas­ters United. Das Netz­werk hat sich auf einen Min­dest­preis geei­nigt, den wir den Koope­ra­ti­ven auf jeden Fall zah­len. Die­ser liegt bei 6,06 Dol­lar pro Kilo Kaf­fee. Im ver­gan­ge­nen Jahr haben wir jedoch immer deut­lich mehr gezahlt: Unser durch­schnitt­li­cher Ein­kaufs­preis an die Koope­ra­ti­ven lag bei 6,83 Euro. Da der Kaf­fee­preis auf dem Welt­markt erheb­li­chen Schwan­kun­gen unter­liegt, ist ein Min­dest­preis wich­tig für die Pro­du­zen­ten. Nur so kön­nen sie sicher und lang­fris­tig pla­nen und uns wei­ter­hin groß­ar­ti­ge Qua­li­tä­ten lie­fern, für die wir auch ger­ne mehr zahlen.

Georg: Zudem kommt es den Koope­ra­ti­ven und damit auch den Anbau­ern zu gute, dass wir den Kaf­fee direkt ein­kau­fen. Durch direk­ten Han­del kommt das Geld auch bei den Koope­ra­ti­ven an, ohne dass die vie­len Zwi­schen­han­dels­sta­tio­nen davon einen gro­ßen Teil bekom­men. Wir zah­len die­sen Preis eben nicht an Zwi­schen­händ­ler, son­dern direkt an die Koope­ra­ti­ven in den Anbauländern.

Wed­ding­wei­ser: Ihr arbei­tet also in einer Import-Gemein­schaft, die Roas­ters United, mit. Wer ist das?

Olli: Das sind im Moment elf klei­ne­re Rös­te­rei­en in Euro­pa. Roas­ters United hat sich vor drei Jah­ren gegrün­det. Zunächst war es nur ein loser Import­ver­bund. Allen ange­schlos­se­nen Rös­te­rei­en ist gemein­sam, dass sie Wert auf bio­lo­gi­schen Anbau, hohe Qua­li­tät und einen fai­ren Han­del legen Wir bezie­hen aus­schließ­lich Roh­kaf­fee, der nach der Bewer­tung nach der Spe­cial­ty Cof­fee Asso­cia­ti­on of Ame­ri­ca min­des­tens 83 Punk­te erreicht hat – also ein Spe­zia­li­tä­ten-Kaf­fee ist. Als Mit­glied bei Roas­ters United bezie­hen wir den Roh­kaf­fee direkt von klei­nen demo­kra­tisch orga­ni­sier­ten Kooperativen.

Wed­ding­wei­ser: Wer sind Eure Pro­du­zen­ten? Ihr sprecht von Kooperativen.

Olli: Alle Koope­ra­ti­ven schau­en wir uns selbst an. Aktu­ell zum Bei­spiel fliegt einer von uns nach Hon­du­ras, um dort eine neue Koope­ra­ti­ve vor Ort ken­nen zu ler­nen. Die Koope­ra­ti­ven sind Zusam­men­schlüs­se von Far­mern aus der Regi­on, ähn­lich wie die deut­schen Winzergenossenschaften.

Georg: Wir schau­en genau, dass es kei­ne Kaf­fee­plan­ta­ge ist, die einer ein­zel­nen Per­son oder einer ein­zel­nen Fami­lie gehört. Die Koope­ra­ti­ve muss ein ech­ter Ver­bund sein. Vor allem müs­sen demo­kra­ti­sche Struk­tu­ren dahin­ter stehen.

Olli: Das schau­en wir uns sehr genau an. Ist es nicht auf ein­mal doch immer die sel­be Per­son, die Prä­si­dent der Koope­ra­ti­ve ist? Wir wol­len sehen, dass Geld an alle Mit­glie­der der Koope­ra­ti­ve fließt. Wir ach­ten auch dar­auf, wie das Geld, das die Koope­ra­ti­ve bekommt, sonst noch ver­wen­det wird. Gibt es zum Bei­spiel Bil­dungs­pro­jek­te oder ande­re für alle wich­ti­ge Auf­ga­ben, die die Koope­ra­ti­ve übernimmt.

Georg: Natür­lich befin­den wir uns dabei am Anfang. Wir wer­den mit Fly­ing Roas­ters nicht die Welt ret­ten. Aber wir wol­len mit dem, was wir machen, etwas Gutes tun und die Kom­mu­ni­ka­ti­on über Han­dels­we­ge und Ver­ar­bei­tung im Kaf­fee­be­reich anre­gen. Und der Trans­pa­renz­be­richt ermög­licht unse­ren Kun­den und Kun­din­nen sich über die Wege ihres Kaf­fees zu informieren.

ÖFFNUNGSZEITEN in der Hoch­stra­ße 43 (Stand Janu­ar 2016):
Mon­tag von 12 bis 17 Uhr
Mitt­woch von 8.30 bis 13 Uhr
Frei­tag von 12 bis 15 Uhr

LINKS

Unser Bei­trag über die Fly­ing Roas­ters
Web­sei­te mit Online-Shop der Fly­ing Roas­ters und dort der Trans­pa­renz­be­richt 2017

Inter­view und Fotos: And­rei Schnell

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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