Da bahnt sich was an. Im Sprengelkiez dreht sich gerade alles um das Auszeit. Dieses wirklich gut gelegene Restaurant und Café war seit neun Jahren fester Bestandteil des Prenzelweddings und hat den Anwohnern so manch wunderbare Mittagspause in der Sonne oder auch eine lauschige Feierabend-Stimmung verpasst. Die einen loben die Burger in den siebten Himmel, wenden sich aber vom Kaffee ab – die anderen empfinden es genau umgekehrt. Eben für jeden was dabei. Und daher so beliebt.
Nun stelle man sich Folgendes vor: Die Hauseigentümer, eine Berliner Großfamilie, die das Haus durch eine Zwangsversteigerung erworben haben soll, verbindet allem Anschein nach eine tiefe Leidenschaft zum Gastro-Gewerbe. So haben sie das fünfundsechzig, ein Café direkt neben dem beliebten Auszeit am Nordufer, gekündigt und übernommen. Auch dem Auszeit wurde gekündigt, um ein eigenes Lokal dort einzurichten. So ist das nun eben, schließlich haben sie das gute Recht, mit ihrer Immobilie anzustellen, was sie möchten.
Das alte Auszeit hat glücklicherweise eine neue Location in Pankow gefunden und siehe da: Dank wunderbarem Management ist pünktlich zum Auszugstermin alles nach Pankow gezogen, gestern war Eröffnung. Schweren Herzens malen sich treue Fans aus, wie sie es zeitlich unterkriegen, immer nach Pankow zu fahren. Es scheint seinen Gang zu nehmen und jeder ist gespannt, was es an dieser wunderbaren Promenade am Nordufer Neues geben wird.
Es hätte so schön sein können – ein neuer Standort für das Auszeit und frischer Wind am Nordufer. Aber plötzlich erscheint da auf Facebook eine neue Fanpage namens AUSZEIT mit ganzen neun Likes. Das echte Auszeit hat nach 9 Jahren natürlich um Welten mehr treue Fans. Das fünfundsechzig postet: “Nach einer Umbaupause erscheint das Auszeit im neuen Glanz.” Nur mit dem kleinen Haken, dass der neue Glanz, wenn man die ersten Bilder beschaut, genau so aussieht wie der alte. Es zeigt sich: Nicht nur behalten die neuen Betreiber einfach den Namen des alten Lokals, sondern auch noch das Design – bis hin zur charakteristischen Farbe grün. Ich als Gastronom UND Designer bin da gleich zweimal explodiert.
Nun, wer eins und eins zusammenzählen kann, weiß, was jetzt kommt. Von den Bildschirmen springt auf, wer es verstanden hat: Da will sich jemand auf den Lorbeeren der andern ausruhen und ungefragt einen Stil kopieren, den man einfach nicht kopieren kann! Dem sporadischen Auszeit-Besucher soll gar nicht auffallen, was geschehen ist.
Ein Shitstorm zieht auf, den der Sprengelkiez so auf jeden Fall lange nicht gesehen hat. Andere Gastronomen und treue Fans des AUSZEIT posten und schreiben eher unschöne Sachen. Die einen lassen es in ihrer Enttäuschung so richtig krachen, andere wiederum versuchen den neuen Betreibern klar zu machen, dass sie es sich so mit dem Kiez verscherzen und lieber Mut zur Ehrlichkeit haben sollen. Es sei noch nicht zu spät, sich etwas Eigenes auszudenken. Nachdem etliche Posts von bestürzten Anwohnern gelöscht wurden, bleibt jetzt abzuwarten, ob die Betreiber sich neben den immensen Investitionen vielleicht mal eine echte Auszeit gönnen, um sich wirklich was Tolles dort am Nordufer auszudenken.
Seelen kann man nicht kopieren. Der Mut zu Neuem macht den Wedding aus. Das zu tun, woran man selbst glaubt. Am Ende ist es immer das gleiche: Wahrheit zahlt sich aus.
Autor: Thorgen Bloch
Nachtrag September 2016: Die neuen Betreiber haben das Café unter seinem alten Namen, dafür aber in neuer Optik wieder eröffnet.
Die Facebookpräsenz der neuen Besitzer
Abstieg fuer den ganzen Kiez!
Als ehemaliger Weddinger kam ich gern immer mal wieder ins Auszeit und ins 65. In letzterem liebte ich die leckeren und bezahlbaren Galettes. Im Januar 2017 stand ich nun mal wieder vor dem Laden – und stellte fest, dass die Speisekarte voellig austauschbar geworden war: zwischen Flensburg und Garmisch bzw Frohnau und Lichtenrade gibt es wahrscheinlich zehntausende solcher Laeden. Pizza Salami statt Galettes Poire.
Daher liess ich mich vom gewohnungsbeduerftigen neuen Stil des Ex- und Interieurs nicht abschrecken und ging ins ““Auszeit””. Immerhin eine sehr freundliche Bedienung. Mindestens der vegetarische Burger allerdings eine kulinarische Katastrofe: Lappige, suessliche Fertigbroetchen, fade Tiefkuehlfritten und Ketchup/Mayo aus dem Tuetchen umgaben den akzeptablen Halloumi. Fuer 8 EUR.
Waere es nicht so traurig fuer den ganzen Sprengelkiez, wuerde ich mich zumindest darueber freuen, dass die neuen Betreiber mit der im Artikel beschriebenen Strategie mit recht grosser Wahrscheinlichkeit scheitern werden.
Ich war zweimal im Auszeit und vermisse es NICHT:
– bis zur Schmerzgrenze unfreundliches Personal
– Alt-Berliner-Dienstleistungs-Wüste
– Mini-Portiönchen zu überteuerten Preisen – ähnlich wie (teilweise) im Prenzlauer Berg.
Ich bin gespannt auf die Nachfolger!!!
Als Anwohnerin im Sprengelkiez bin ich mehr als erschüttert über die Vorgehensweise der neuen “Betreiber” bzw. Besitzer des ganzen Hauses, die hier das Leben der langjährige Anwohner drangsalieren und die etablierten Restaurantbetreiber vor die Tür gesetzt haben. Sich ins gemachte Netz zu setzen ist eine Strategie, die nicht aufgehen sollte. Leider scheint das vielen der Gäste im “neuen” Café Auszeit egal zu sein. Schade für den Kiez.
Das Original-Auszeit muss sich das natürlich nicht gefallen lassen und kann gegen die neuen Betreiber_Innen nach § 8 I UWG in Verbindung mit §§ 3 I, 4 Nr. 3 UWG vorgehen.
Das sollten die Betreiber des ehemaligen Auszeit ernsthaft in erwägung ziehen!
Von juristischer Seite besteht ein hoher Aussicht auf Erfolg.
prenzelwedding,da geht einem der hut hoch!