Dieser Beitrag zur Geschichte des Brunnenviertels beschäftigt sich mit einem gruseligen Kapitel aus der Weddinger Lokalhistorie.
Der Scharfrichter wartet schon. Er hat es nicht weit, denn er wohnt in der Scharfrichterei, die unmittelbar neben dem Gerichtsplatz liegt. Hier wohnen die Henker und Scharfrichter, zwischen den Hinrichtungen ist die Abdeckerei, die Beseitigung von Tierleichen, ihr alltägliches Geschäft. Endlich wird die Witwe Meyer, die sich durch Gattenmord eigenhändig in den Witwenstand befördert hat, zum Galgen geführt. Die Menge johlt und schreit. Es ist die letzte öffentliche Hinrichtung in Berlin. Was eine abschreckende Wirkung auf Preußens Untertanen haben sollte, ist längst zu einem Volksfest verkommen. Bis in die späte Nacht wird gefeiert, zehn Tage lässt man ihren Leichnam von Schaulustigen begaffen.
Es ist ein kühler Morgen und dennoch haben sich bereits tausende Menschen an diesem Ort versammelt. Männer und Frauen, Angehörige aller Stände warten auf das große Ereignis. Die Straßen sind voll, die Menschen lehnen sich neugierig und erwartungsvoll aus ihren Fenstern. Fliegende Händler verkaufen Branntwein und kleine Leckereien. Soldaten des Königs bahnen sich an diesem 2. März 1837 einen Weg durch die Menge, um die Verurteilte zum Richtplatz zu führen. Die Hinrichtungsstätte der preußischen Hauptstadt besteht aus einem zwei Meter hohen quadratischen Steinkubus, auf den eine Treppe führt. Auf diesem Fundament steht der dreifüßige Galgen, an dem das Urteil vollstreckt werden soll. Im Volksmund wird er “Schindberg” oder “Teufels Lustgarten” genannt.
Ein flackerndes Licht um Mitternacht
Wer heute den Gartenplatz in Berlin-Gesundbrunnen aufsucht, findet eine friedliche grüne Oase mit Kinderspielplatz und Parkbänken vor. Dort, wo zahllose Menschen gerädert und geköpft, aufgehängt und verbrannt wurden, erhebt sich heute die katholische Kirche St. Sebastian, 1890 bis 1893 erbaut, majestätisch in den Himmel. Die „alte Scharfrichterei“ musste dem Stettiner Bahnhof, dem heutigen Nordbahnhof, weichen. Nur wenige Schritte vom Gartenplatz entfernt befindet sich übrigens die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße. Ein bedrückender Ort der Erinnerung im Wedding, der bei keiner Berlin-Tour fehlen sollte. Falls Sie Ihren Besuch um Mitternacht machen, gehen Sie ruhig zur alten Richtstätte auf dem Gartenplatz. Mit ein wenig Glück können Sie durch die Kirchenfenster ein Licht sehen, das unruhig flackert. Es ist die alte Witwe Meyer, die in der Gruft unter der Kirche keine Ruhe findet. Der Ort ihres schaurigen Ablebens hat sich seither so verändert, dass sie mit einer Laterne ihre Grabstätte sucht…
Erster Teil: Wie das Brunnenviertel besiedelt wurde
Autor: Matthias Eberling, kiezschreiber.blogspot.de
Die eigentliche Hinrichtungsstätte lag nicht am Platz der heutigen Kirche sondern genau dort wo man geschmackvollerweise das heutige Seniorenheim errichtet hat.