Soso. Die BIM (Berliner Immobilienmanagement GmbH) hat also offenbar keine anderen Probleme als zu verhindern, dass der Platz neben dem Rathaus Wedding einen würdigen Namen erhält, nämlich „Elise und Otto Hampel-Platz“. Elise und Otto Hampel waren ein Weddinger Arbeiter-Ehepaar, die nach dem Tod ihres einzigen Sohnes im Zweiten Weltkrieg mutigen Widerstand gegen die Nazis leisteten, mit schlichtesten Mitteln. Sie verteilten heimlich handgeschriebene Postkarten gegen den Krieg, bis die Gestapo sie nach langer Suche verhaftete. Beide wurden von den Nazis hingerichtet. Hans Fallada widmete ihnen seinen weltberühmten Roman „Jeder stirbt für sich allein“.
Nun nimmt der (bislang namenlose) Weddinger Rathausvorplatz neue Gestalt an, in das sanierte Hochhaus zieht das Jobcenter ein, die Bibliothek erhält einen Neubau. Und die BIM (eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Landes Berlin) als Eigentümerin des Hochhauses sowie eines Stückchens des Platzes will jetzt nicht, dass der bislang namenlose Platz nach Elise und Otto Hampel benannt wird – obwohl Anwohner, Stadtteilvertretung und auch die BVV klar für diese Neubenennung votierten.
Zwei Jobcenter an der gleichen Straße
Doch dies, so das BIM-Argument, würde auch „eine Adressänderung für das Jobcenter“ bedeuten, für dessen Kunden die Orientierung nicht erschwert werden solle – denn die würden die Müllerstraße 147 leichter finden.
Das ist in vielfacher Hinsicht ein unsinniges Argument. Erstens muss das Jobcenter sowieso seine Geschäftsadresse und sämtliche Drucksachen ändern, weil es an diesem Ort ja völlig neu ist. Zweitens müssen die Kunden des Jobcenters sowieso eine für sie neue Adresse aufsuchen. Hält man sie für so dumm, dass sie einen neubenannten Platz nicht finden? Drittens würde die Namensgebung für den Platz im Gegenteil für mehr Orientierung sorgen – schließlich gibt es mit der Müllerstraße 16 noch ein weiteres Jobcenter für einen anderen Einzugsbereich. Das sorgt viel eher für Verwirrung. Manche nennen die Müllerstraße deshalb auch scherzhaft „Jobcenter-Boulevard“. Als „Jobcenter Berlin Mitte Müllerstraße“ firmiert jedenfalls bereits die Müllerstraße 16 sowohl bei der Arbeitsagentur als auch in den Tiefen des Internets: Termin verpasst, lieber Kunde, weil im falschen Jobcenter vorgesprochen? Pech gehabt, die Leistung wird gekürzt!
Viertens durfte das Argument der angeblich unzumutbaren Adressänderung jedenfalls im Ostteil der Stadt niemals gelten, als nach der Wiedervereinigung zahllose Straßen rückbenannt wurden: Auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften wurden nicht gefragt, ob es großen Aufwand bedeute, wenn beispielsweise die Wilhelm-Pieck-Straße in Torstraße rückbenannt wird und ihre Häuser und Vorgärtchen davon betroffen waren.
Sollten nicht die Volksvertreter entscheiden?
Und warum schwingt sich die BIM – eine landeseigene Gesellschaft, deren Aufgabe lediglich in Immobilienverwaltung besteht – überhaupt zum „Sprecher“ des Jobcenters auf ? Soll wirklich die BIM mehr Stimme haben als die Bürger, die Stadtteilvertretung und ihre demokratisch gewählten Vertreter in der BVV, die mit großer Mehrheit für die Benennung des namenlosen Rathausvorplatzes in Elise und Otto Hampel-Platz stimmten? Welche geschichtsvergessene, bürokratische Haltung offenbart sich hier – ausgerechnet 70 Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft, wo es endlich an der Zeit wäre, auch die stillen Helden des Widerstands zu würdigen?
Verheerendes Signal gegen Zivilcourage
Was ist das für ein Signal an jene Bürger, die immerfort zu Zivilcourage aufgefordert werden? Für Zivilcourage wäre das Ehepaar Hampel ja wohl das beste Vorbild – als einfache Weddinger und späte, aber tapfere Gegner des Naziregimes, die im traurigsten Wortsinn für ihren Mut den Kopf hinhielten und kurz vor Kriegsende unter dem Fallbeil starben.
Auch deshalb sollte sich der Bezirk gegen das BIM-Begehren wehren – aus Respekt.
Autorin: Ulrike Steglich
Dieser Artikel erschien in der Sanierungszeitung “Ecke Müllerstraße” Nr. 1/2015. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
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[…] An Vorschlägen hat es nicht gemangelt, und am Ende waren sich sogar Anwohner, die Stadtteilvertretung Müllerstraße und die Bezirksverordneten von Berlin-Mitte einig: der bislang namenlose Platz zwischen altem Rathaus Wedding, dem zukünftigen Job-Center und der neuen Schiller-Bibliothek soll nach Elise und Otto Hampel benannt werden. Das Ehepaar aus der Amsterdamer Straße leistete am Ende des Zweiten Weltkriegs Widerstand gegen das Naziregime, wurde entdeckt und dafür hingerichtet. Doch die BIM, das landeseigene Immobilienmanagement und neuer Verwalter des Hochhauses, lehnt den demokratisch gefassten Beschluss ab (wir berichteten). […]
Nur zur vollständigen Information und ohne Wertung, was daraus folgen soll: Es handelt sich offensichtlich um “Privateigentum” (in Anführungszeichen, da mittelbar natürlich städtisch), auf dessen Namensgebung der Bezirk nur auf Antrag des Eigentümers Einfluss hat – genau den hat die BIM aber nicht gestellt/zurückgezogen.
Das ist wirklich ein Skandal! Jemand sollte den Namen einfach auf den Platz schreiben, oder ein Schild aufbauen.