Im Brunnenviertel reden die Menschen wie selbstverständlich von der Zisterne unter der Swinemünder Straße. Das nennt man Buschfunk. Die Aufgabe des Journalisten ist es dann, aus dem Kiezwissen ein offizielles zu machen. Damit nicht nur die Eingeweihten mitreden können. Sein Mittel ist das Vorrecht, auch als Unbeteiligter allen Behörden eine Frage stellen zu können. Dennoch ist es nicht immer leicht, auf die richtige Antwort zu kommen. Hier ein Blick über meine Schulter, bei der Suche nach einer Zisterne, von der ich schon vorher wusste, dass es sie gibt.
Ganz klassisch kommt die Auflösung an den Anfang: Über die Zisterne weiß die Berliner Feuerwehr Bescheid. Pressesprecher Stefan Salzwedel erklärt: “Alle Zisternen der Berliner Feuerwehr haben ein Fassungsvermögen von 300.000 Liter.” Die Zisterne “Vinetaplatz” misst 30 Meter in der Länge, 6,10 Meter in der Breite und 4,06 Meter in der Höhe, wobei die Füllhöhe 2,65 Meter beträgt. Errichtet wurde der Wasserspeicher im Jahr 1938. Und stillgelegt hat die Berliner Feuerwehr die unterirdische Anlage 2005. Seitdem ist sie nicht mehr mit Wasser befüllt. Wobei Stefan Salzwedel einschränkt “Seit 1990 ist der Abteilung Löschwasserversorgung keine einsatzrelevante Nutzung bekannt”. Aber: Folgende Nachricht ist wichtig für die Menschen im Brunnenviertel, die hofften als Gemeinschaftsgärtner den Wassertank übernehmen zu können: “Durch die aktuellen Ereignisse ist es geplant, die 19 Zisternen wieder mit Wasser zu befüllen”, sagt Stefan Salzwedel.
Der Weg bis zur Antwort durch die Feuerwehr
Hinter diesen Antworten steht ein ungewöhnlich lang anhaltendes Frageroulette. Fangen wir bei Schritt eins an: Weil während eines Kiezfestes im September die Anwohner im Zusammenhang mit der Zisterne vom Projekt Kiezklima sprachen, startet die erste Suche dort. Kiezklima war eine von Oktober 2014 bis September 2017 mit öffentlichen Geldern unterstützte Untersuchung. Sie nahm das Brunnenviertel als Beispiel für künftig notwendige Klimaanpassungen unter die Lupe. Doch in der von dem Projekt 2017 veröffentlichten Broschüre „Kiezklima – Maßnahmenvorschläge Handlungsräume‟ findet sich kein Hinweis auf die Zisterne. In allgemeiner Weise schreiben die Autoren von „Wasserrecycling‟ und der „Installation von Systemen, die Regenwasser speichern (Gießpaten)‟.
Mehrmals erwähnt wird in der Broschüre das Wohnungsbauunternehmen Degewo. Das ist kein Zufall, denn die Degewo ist nicht von ungefähr der größte Vermieter im Viertel. Von den 1960er Jahren bis 1991 hat sie das heutige Brunnenviertel als größtes Gebiet einer Flächensanierung in Deutschland zu großen Teilen abgerissen und neu gebaut. In dieser Zeit ist Swinemünder Straße in eine Fußgängerpromenade umgewandelt worden. Liegt das unterirdische Bauwerk unter dieser Promenade? Ein Pressesprecher der Degewo sagt, eine Zisterne sei dem Unternehmen nicht bekannt.
Allerdings, wenn es um Wasser geht, dann ist eine Anfrage bei einem Wohnungsbauunternehmen tatsächlich etwas verdreht. Sich in allen öffentlichen Belangen auszukennen, das ist eine Sache, die ich dem Bezirksamt zutrauen darf. Und die Antwort des Straßen- und Grünflächenamtes lässt mich zweifeln, ob die Anwohner mit ihrem Vorortwissen dieses Mal richtig liegen. Nein, eine Zisterne sei nicht bekannt, erhalte ich vom Amt zur Antwort.
Wenn es um Wasser geht, ist natürlich eine Anfrage bei den Berliner Wasserbetriebe naheliegend. Pressesprecher Stephan Natz antwortet mir: „Wir haben uns die uns zugänglichen Pläne der Unterwelt am Vinetaplatz angesehen und finden dort neben vielen Strom‑, Gas‑, Wasser‑, Fernwärme- und Telekommunikationsleitungen einen mit 1,90 Meter Höhe und bis 1,27 Meter Breite im Ei-Profil recht großen Misch(ab)wasserkanal sowie einen 63 cm innen messenden Regenkanal.‟ Das ist interessant, handelt aber nicht von einer Zisterne.
Das ist der Moment, an dem man als Journalist aufgibt – oder beginnt, an Verschwörungstheorien zu glauben. Hat da nicht jemand gemurmelt, so eine Zisterne könne zur kritischen Infrastruktur gehören? Das sei dann topsecret. Doch ich reiße mich zusammen und stelle eine letzte Anfrage. Dieses Mal bei der Berliner Feuerwehr, die möglicherweise kritische Infrastruktur betreibt. Und ich erhalte nach ein paar Tagen eine Antwort. Endlich. Liebe Pressestelle der Berliner Feuerwehr, wenn es eure Aufgabe ist, Journalisten glücklich zu machen, dann ist es euch mit der oben stehenden Antwort gelungen. Danke!
Ich freue mich, dass du Licht in die Unterwelt gebracht hast. 😉
Das erinnert mich, dass ich den Link dem Unterwelten e.V. schicken wollte. Danke.
Danke für den Artikel.
Ich finde es bedauerlich dass das Bezirksamt nicht mal von so einem riesigen Becken weis und daher mutmaßlich auch nicht von allen anderen der 19 Becken mit 19×300.000=5.7Millionen Litern Kapazität.
Stattdessen wird unter dem Mauerpark für 20Millionen ein Stauraumbecken für7.4M Liter Regenwasser gebaut.
https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/werkzeuge-der-anpassung/tatenbank/stauraumkanal-im-mauerpark
https://www.wf-ib.de/projekte/tunnelbau/maschineller-tunnelbau/deutschland/projekte/stauraumkanal-mauerpark-berlin/
(1.Link leider ohne Kapazitätsangabe)
Ich zweifel nicht daran, dass das neue Becken sinnvoll ist. Man hätte aber schon 15 Jahre früher prüfen können welche der 19 Zisternen dafür verwendet werden können. Das kann aber nur, wer seine Infrastruktur kennt (und digitalisiert).
Hallo Max, die Zisternen gehören der Feuerwehr, derzeit will diese die Wasserspeicher nicht hergeben – weder für urbane Gärtner:innen noch für Stauraumkanäle. Die Berliner Wasserbetriebe hatten die Option, einfach die Zisternen der Feuerwehr für ihre Zwecke zu nutzen, nicht. Dass der Bezirk von den Zisternen hätte wissen müssen, sehe ich auch so. Vermutlich gibt es auch irgendwo im Archiv Unterlagen von 1930 dazu. Digitalisierung wäre in der Tat echt toll!
Weiter so Andrei, vielleicht klappt es mal mit unserem Wasseranschluss💪💪💪💪💪
Dafür eignet sich vermutlich ein ganz anderes Modell besser, Cecilia! Ich glaube, man könnte Deinen Vermieter zu sowas hier überreden: https://www.pankstrasse-quartier.de/aktuelles/neuigkeiten/566-eine-regentonne-fuer-die-adolfstrasse