Der Weddingweiser existiert seit gut zehn Jahren. Wir haben aber auch schon vorher Texte verfasst, die wir euch in loser Folge vorstellen. Die alten Texte scheinen manchmal aus einer anderen Zeit zu stammen. Diesmal ein Text aus dem Jahr 2007 über einen kleinen, nicht mehr vorhandenen Friseursalon an der Wollankstraße. In diesem Umfeld vermischten sich deutsche und türkische Friseurstraditionen.
Nassrasur am Luftballon
Ich war heute bei meinem Friseur, in meinem Viertel, das sich im Übergangsbereich vom multikulturellen Wedding zum brav-vorstädtischen Pankow befindet. Der junge Mann hat sich vor kurzem mit seiner Freundin mit einem eigenen Salon selbständig gemacht. „Der Laden läuft ganz gut“, sagt er, was wohl auch an den Kampfpreisen liegt. Seine Ambition ist, mit den deutschen Salons zu konkurrieren, aber eben modernere Schnitte zu bieten.
Von den ebenfalls in der Nähe konkurrierenden türkischen Herrensalons will man sich ebenfalls absetzen, auch wenn nicht ohne Neid anerkannt wird, dass den Herren der Schöpfung dort ein toller Service geboten wird. Das bleibt nicht ohne Folgen für den jungen deutschen Friseur: Er möchte gern, und das ist wirklich nicht mehr typisch in der Branche, Nassrasuren anbieten. „Die Türken lernen noch das Barbiershandwerk in der Türkei“, erklärt er. Er hat das Rasieren aber nicht mehr in der Ausbildung gelernt, sondern musste einen Kumpel monatelang rasieren. Und an einem Luftballon hat er auch geübt.
So treibt die Vermischung der Kulturen den Servicegedanken auf die Spitze, und am Ende bietet das junge Friseurpaar etwas, was es so in deutschen Salons noch nicht gab: die Nassrasur direkt neben der Trockenhaube für weibliche Kunden.