Berlin ist bekannt für seine nach dem Ersten Weltkrieg gebauten Wohnanlagen. Am nordwestlichen Rand der Gründerzeitbebauung des Wedding, entlang der 1906 angelegten Afrikanischen Straße, wurde eines der früheren Wohnungsbauvorhaben der Weimarer Republik realisiert. 1919 wurden die schmalen Querstraßen Tanga‑, Uganda‑, Duala- und Sambesistraße von den Architekten Mebes und Emmerich mit niedrigen Doppelhäusern bebaut.
Welch ein Kontrast zu der Randbebauung zur Afrikanischen Straße, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kleinhaussiedlung! Diese 1926⁄27 vom Architekten Ludwig Mies van der Rohe entworfenen Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 88 Wohnungen sind auf drei gleichartige Wohnblocks mit Flachdächern verteilt. Dazu kommt noch ein vierter kleinerer Block mit einer Ladenfläche, der die Anlage zum Friedhof an der Seestraße hin abgrenzt. Die kubischen Blöcke haben drei Stockwerke und ein Dachgeschoss. An den Einmündungen der Seitenstraßen befinden sich niedrigere Seitenflügel, die durch abgerundete Loggien mit den Gebäuden zur Hauptstraße hin verbunden sind.
Durchdachte Grundrisse
Wie die Problemlage von vor hundert Jahren der heutigen Zeit ähnelt: Die Häuser sind von der Idee inspiriert, die soziale Frage, die die überbevölkerten Wohnquartiere der Kaiserzeit prägten, durch neuen Wohnraum zu lösen. Und dafür musste anders gebaut werden: Die praktisch geschnittenen, intelligent konzipierten Wohnungen sind von zwei Seiten belüftet und belichtet, auf hohe Decken wurde ebenso wie auf Fassadenschmuck verzichtet. Auf Zeitgenossen muss dieser Minimalismus und die Wiederholung der schlichten Fassaden provokant gewirkt haben – mit dem heutigen Blick erkennt man aber, wie gut diese sorgfältig durchdachte Gestaltung noch immer funktioniert.
Die Wohnungen mit ihren Wohnküchen – damals galt das als verpönt, heute wieder als zeitgemäß – gelten bei ihren Bewohnern zu Recht als sehr attraktiv. Kein Wunder, kommt man doch immer ins Grüne, wenn man entweder aus der Haustür oder aus der Tür zum Hof geht. Die Nähe zum Goethepark und zum Volkspark Rehberge trägt ebenfalls dazu bei, dass die Gegend einen hohen Freizeitwert genießt.
Neues Bauen im Wedding
Noch immer drängt sich die Wohnanlage dem Betrachter nicht auf; die Fassade ist zur Straße hin glatt in einem hellen Gelbton verputzt. Nur der Sockel und die Dachkante sind mit Klinker verziert. Einen Farbakzent setzen die blauen Haustüren mit ihren kreisrunden Fenstern. Zur Afrikanischen Straße hin wurden in den offenen Grünflächen Pappeln gepflanzt, die die Architektur nicht beeinträchtigen.
Das alles erinnert in manchen Details an die Bauhaus-Architektur, der diese Wohnanlage jedoch nicht zugerechnet wird (auch wenn Mies van der Roha später Bauhaus-Direktor war). Sie ist aber Teil der Vorstellung vom Neuen Bauen, dem sich viele Architekten der Weimarer Republik verschrieben und wofür es im nördlichen Wedding auch viele andere Beispiele gibt.
So haben die Architekten der kleinbürgerlich wirkenden Kleinhaussiedlung 1929⁄30 an der Friedrich-Ebert-Siedlung nur wenige hundert Meter weiter nördlich mitgewirkt. Für Architekt Mies van der Rohe war dies seine erste Mehrfamilienhausplanung – bekannter ist sein zeitgleich entstandener Beitrag zur Weißenhof-Siedlung in Stuttgart.
Beneidenswerte Wohnlage
Bei einer Führung zum Tag des Offenen Denkmals mit Kunsthistorikerin Bettina Güldner sind auch Bewohner der Häuser mit dabei. Manche Teilnehmende an der Führung beneiden sie um das Wohnen in einer ästhetisch so ansprechenden, zugleich schlichten Wohnanlage in Parknähe. Doch der Denkmalschutz kann auch Kopfzerbrechen bereiten, wie ein Bewohner berichtet. So seien die alten, waagerecht ausgerichteten Fenster ein Schwachpunkt, denn sie dürfen nicht nach modernen Kriterien ersetzt werden.
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Sehr geehrter Herr Faust,
Vielen Dank fpr die tollen Beiträge aus Wedding. Wissen Sie, wer diese Wohnungen vermietet?
.mfg
Gabriele Wensch