Was passiert, wenn eine Schule plötzlich geschlossen werden muss und für 700 Kinder Unterrichtsräume gefunden werden müssen? Es entsteht viel Stress und natürlich Frust bei allen Beteiligten. Im Fall der plötzlichen Sperrung der Anna-Lindh-Schule ist neben den Bemühungen des Bezirks aber noch etwas anderes zu beobachten: Es gab im Wedding Retter:innen in der Not, die mithalfen, schnelle Lösungen auf Zeit zu finden, auch wenn sie gar nicht dem zuständigen Schulamt unterstehen. Diese Hilfe war so wichtig, weil der offizelle Ausweichstandort für die größte Grundschule Berlins in Charlottenburg erst hergerichtet werden musste.
Schule im Gewächshaus
Englisch auf der Wiese? Mathe im Gewächshaus? Deutsch in der Werkstatt? Das Schul-Umwelt-Zentrum Mitte (SUZ) ist mit dem Schuljahresbeginn kurzfristig zu einem Ausweichquartier für 100 Schüler:innen der Anna-Lindh-Schule geworden. „Die Kinder, Lehrkräfte und ErzieherInnen der fünf 4. Klassen fühlten sich heute schnell wohl in ihren Klassenzimmern im Grünen. Wir freuen uns auf die Zeit mit Euch!“, schrieb das SUZ bereits am 23. August. Aktuell werden die Gäste aus der Grundschule übergangsweise an den SUZ-Standorten in der Scharnweberstraße und in der Seestraße unterrichtet. Doch diese Zeit im Grünen endet bald. Am Freitag in den nächsten Woche wird im SUZ ein Abschiedsfest gefeiert. Die Grundschüler:innen wollen für ihre Gastgeber:innen kochen und sich so für die Gastfreundschaft bedanken.
Schule im Vorlesungssaal
Insgesamt 150 Kinder der Anna-Lindh-Schule haben gerade außer der Reihe die Möglichkeit, Universitätsluft zu schnuppern. Die Berliner Hochschule für Technik (BHT) in der Luxemburger Straße hat in den Semsterferien ebenfalls mit Räumen ausgeholfen. Als der Hilferuf aus der Schule kam, war es für BHT-Präsident Professor Dr. Werner Ullmann klar: „Wir wissen aus eigener Erfahrung um die Nöte, wenn Gebäude oder Gebäudeteile geschlossen werden müssen. Daher war es für mich selbstverständlich, dass wir alle Möglichkeiten geprüft haben. Aufgrund der vorlesungsfreien Zeit können wir bis Mitte September ‘Nachbarschaftshilfe’ leisten. Vielleicht werden ja einige Schülerinnen und Schüler angeregt, sich später mal hier bei uns um einen Studienplatz zu bewerben.“
In den Containern sind Drittklässler, im Haus Grashof Fünftklässler untergebracht worden. Die Schüler:innen hatten während ihrer Zeit an der BHT auch die Möglichkeit, die Hochschule kennenzulernen: Sie besichtigten beispielsweise den Wellenkanal im Labor für konventionelle und erneuerbare Energien. „Wir haben uns bislang sehr willkommen gefühlt! Besonders die Kinder sind begeistert von der Aussicht und den Aufzügen im Haus Grashof, aber auch von den Laboren. Wir sind sehr zufrieden und verbringen unsere Pausen aktuell auf dem Zeppelinspielplatz“, sagte Ingrid Hüchtker, Lehrerin der 5b der Anna-Lindh-Schule.
Weil die Semsterferien nun enden und die Studierenden im kommenden Monat zurückkehren, endet auch für die Grundschüler:innen ihre Zeit in der Weddinger Hochschule.
Schule im Gemeindesaal
Sogar die nächstgelegene Kirche ist eingesprungen. “Wir haben unseren Gemeindesaal eine Woche lang für eine fünfte Klasse zur Verfügung gestellt”, sagt Pfarrer Alexander Tschernig von der evangelischen Kapernaumgemeinde. Weil aber die Gemeindearbeit in der Zwischenzeit wieder aufgenommen wurde, war diese Lösung nur von kurzer Dauer.
Was ist mit dem Schulsport?
Auch KiezSportLotsin Susanne Bürger gehört zu den Menschen, die im Hintergrund an der Lösung der aktuellen Probleme um die Anna-Lindh-Schule mitarbeiten. „Stadträtin Frau Remlinger hat mich bei der Sportausschuss-Sitzung am 23. August gefragt, ob ich mit ‘Rat und Tat’ bei der Suche nach Sportmöglichkeiten für die Anna-Lindh-Schule zur Seite stehen könnte“, sagt die KiezSportLotsin. Am Ausweichstandort am Saatwinkler Damm gibt es schließlich keine Sporthalle. „Klar habe ich sofort zugesagt!“, sagt Susanne Bürger. Sie nutzte ihre Kontakte, beriet sich mit dem Landessportbund der Sportjugend Berlin. „Von dort kam auch sofort das Signal, dass man Unterstützung geben könnte.“ Auch wenn die Situation schwierig ist, habe sie den Eindruck, dass gemeinsam praxistaugliche Lösungsansätze gefunden werden könnten. Bei den Ideen für den Sportunterricht am Ausweichstandort geht es vor allem um nötige Räume und Anbieter (Sportvereine) für Bewegungsangebote.
Eine Schule muss umziehen
Die Nachricht kam für alle ziemlich kurzfristig: Wenige Tage vor Schuljahresbeginn erfuhren Eltern, Schüler:innen und Personal der Anna-Lindh-Schule im afrikanischen Viertel, dass ihre Schule wegen Schimmelbefalls umziehen muss. Jahrelang hatte es immer wieder Schimmelprobleme gegeben, kleinere Sanierungsmaßnahmen halfen nicht. Schulstadträtin Stefanie Remlinger sah deshalb nur eine radikale Möglichkeit, um die Beschulung der rund 700 Grundschüler:innen der Schule zu gewährleisten: Umzug in den Saatwinkler Damm, der aber erst sukzessive erfolgen konnte. Viele Jahre, bis eine Sanierung der Schule erfolgt ist, werden die Kindern nun pendeln müssen. Sie können dabei einen Shuttlebus nutzen. Nicht alle Eltern haben die drastische Maßnahme mitgetragen: Wie jetzt vom Schulleiter der Anna-Lindh-Schule Mathias Hörold zu hören war, sind 100 Kinder abgemeldet worden. Dem Vernehmen nach wollten die meisten auf die Möwensee-Grundschule wechseln. Mehr zu dem Fall steht im Beitrag Anna-Lindh-Schule kommt ins alte Air Berlin-Haus.
Text: Dominique Hensel Andrei Schnell, Joachim Faust
So viel unbürokratische Hilfe hätte ich nicht erwartet. Aber es klingt mehr nach Abenteuerurlaub als nach geregeltem Unterricht.
Erstmal besser als nichts. Da alle Provisorien jetzt enden, fängt hoffentlich jetzt auch ein regulärer Unterricht statt.