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Zoff um neuen Wahlkreis in Mitte

26. Juli 2015
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7 Wahlkreise in 2001. Warum nicht wieder so? - Bild: www.wahlen-berlin.de / wikipedia
7 Wahl­krei­se in 2001. War­um nicht wie­der so? – Bild: www.wahlen-berlin.de / wikipedia

Ber­lin wächst und wächst. Das führt zum einen dazu, dass in Ber­lin die Woh­nun­gen knapp wer­den, zum ande­ren genügt aber auch die Anzahl der Wahl­krei­se nicht mehr. Des­halb hat der Senat am 6. Juni beschlos­sen, dass Mit­te für die Abge­ord­ne­ten­haus­wahl 2016 einen zusätz­li­chen Wahl­kreis braucht. Bis­lang zwei Vari­an­ten kur­sie­ren im Bezirks­amt, wie in Mit­te aus sechs Wahl­krei­sen sie­ben wer­den könnten.

Nun wur­de der Ver­dacht geäu­ßert, der sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Bezirks­bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Han­ke wol­le die Gele­gen­heit nut­zen, die Grü­nen gezielt zu schwä­chen. Die fin­den die Art und Wei­se, wie der Bür­ger­meis­ter sei­nen Plan durch­setzt „unge­heu­er­lich“. Han­ke spricht von einer “Kam­pa­gne”.

Wahlkreisgeographie gewinnt - Grafik: www.wahlrecht.de/lexikon/gerrymander
Wahl­kreis­geo­gra­phie gewinnt – Gra­fik: www.wahlrecht.de/lexikon/gerrymander

Wahl­kreis­gren­zen und Wahlergebnisse
Es geht um Direkt­man­da­te, die auf der Land­kar­te gewon­nen wer­den. Rich­tig ist zwar, dass Direkt­kan­di­da­ten Wah­len durch jah­re­lan­ge Gesprächs­ar­beit im Kiez gewin­nen. Auf der ande­ren Sei­te gewin­nen sie Wah­len aber auch mit Geo­gra­phie­kennt­nis­sen. Wie das im Extrem­fall geht, zeigt neben­ste­hen­de Gra­fik von www.wahlrecht.de.

Wer weiß, in wel­cher Stra­ße wel­che Par­tei stark ist, kann die Gren­zen eines Wahl­krei­ses für sich vor­teil­haft (und für ande­re nach­tei­lig) ziehen.
Bevor der Schreck jedoch zu groß wird, soll­te man sich bewusst machen, dass eine geschick­te Grenz­zie­hung – Ger­ry­man­de­ring genannt – kei­nen Ein­fluss auf das Ergeb­nis der Zweit­stim­men hat. Es geht bei aller Auf­re­gung nur – aber immer­hin – um die Direktmandate.

Die bisherige Aufteilung in 6 Wahlkreise. Bild: www.wahlen-berlin.de und wikipedia
Die bis­he­ri­ge Auf­tei­lung in 6 Wahl­krei­se. Bild: www.wahlen-berlin.de und wikipedia

Zwei Vor­schlä­ge für eine Neu­auf­tei­lung der Wahlkreise
Der ers­te Vor­schlag kam aus dem Bezirks­wahl­amt. Bezirks­wahl­lei­ter Rai­ner Rin­ner hat den Bezirk Anfang Juli in sie­ben Wahl­krei­se auf­ge­teilt. „Wir vom Bezirks­wahl­amt haben einen rein mathe­ma­tisch ori­en­tier­ten Vor­schlag gemacht.“ Der Gegen­vor­schlag von Chris­ti­an Han­ke, aus dem der Tages­pie­gel am 16. Juli (und am 22. Juli) zitiert, hat im Brüs­se­ler Kiez und in der Hei­de­stra­ße umstrit­te­ne Gren­zen gezo­gen. Sol­len im Nor­den Wed­dings Direkt­man­da­te der Grü­nen ver­hin­dert werden?
Wahr ist aber auch, dass sich Poli­tik­pro­fis sofort fra­gen wer­den, ob nicht die Regel gilt: Die größ­ten Fein­de eines Poli­ti­kers ste­hen nicht vor ihm, son­dern hin­ter ihm. In die­ser Les­art wür­de Chris­ti­an Han­kes Vor­schlag in die eige­nen Rei­hen zielen.

Reak­ti­on der Grünen
Marc Urbatsch, für die Grü­nen in der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung, ver­gleicht die ers­te Ver­si­on von Rai­ner Rin­ner mit der zwei­ten Ver­si­on des Bür­ger­meis­ters: „Betrach­tet man die Ver­än­de­run­gen in umkämpf­ten Wahl­krei­sen, so pro­fi­tie­ren SPD und CDU nach unse­ren Berech­nun­gen.“ Gemeint ist: Die Grü­nen haben sich für die Land­tags­wahl 2016 Chan­cen auf Direkt­man­da­te aus­ge­rech­net, die nun zer­stört sind. Marc Urbatsch ärgert sich über Bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Han­ke: „Dass ein Mit­glied des Bezirks­am­tes die Vor­la­ge eines Kol­le­gen wäh­rend des­sen Urlaubs modi­fi­ziert und ein­bringt ist ein beson­de­rer Vor­gang.“ Und wei­ter: „Ich fin­de es unge­heu­er­lich“. Gemeint ist: Der Plan von Bezirks­wahl­lei­ter Rai­ner Rin­ner, den des­sen Chef Stadt­rat Ste­phan von Das­sel zur Abstim­mung stel­len woll­te, wur­de in Abwe­sen­heit des Stadt­ra­tes in die Abla­ge P gelegt.

Sicht des Bürgermeisters
Chris­ti­an Han­kes Argu­ment ist: Es sol­len “stär­ker sozi­al­räum­li­che Zusam­men­hän­ge oder die künf­ti­ge Bevöl­ke­rungs­ent­wick­lung berück­sich­tigt” wer­den. Damit hat er den Geist des Bun­des­wahl­ge­set­zes § 3 Abs. 1 und des Lan­des­wahl­ge­set­zes § 9, Abs. 4 auf sei­ner Sei­te. Der Grund­satz des ers­ten Vor­schla­ges sei akzep­tiert. Sein Kom­men­tar: “Wahr­schein­lich ein schö­nes Som­mer­loch­the­ma, wenn man Poli­ti­kern fins­te­re Machen­schaf­ten unter­stel­len kann.”

Aus­wir­kun­gen
Posi­tiv ist, dass 2016 durch den zusätz­li­chen Wahl­kreis auch ein zusätz­li­cher Abge­ord­ne­ter aus Mit­te ins Ber­li­ner Abge­ord­ne­ten­haus ein­zieht – unab­hän­gig davon, wel­cher Par­tei er ange­hö­ren wird. Und: Bei der Bun­des­tags­wahl 2017 gilt der gesam­te Bezirk Mit­te als ein Wahl­kreis, so dass die geplan­te Neu­auf­tei­lung inner­halb des Bezirks die Wie­der­wahl von Ange­la Mer­kel nicht ver­hin­dern wird – aller Wahr­schein­lich­keit nach.

LINKs
Wer alles über Wah­len wis­sen will, geht auf www.wahlrecht.de.
Urlich Zawat­ka-Ger­lach bespricht im Tages­spie­gel die neu­en Gren­zen gleich zwei­mal: Eins + Zwei
Sprich Ger­ry – nicht Jer­ry : Ger­ry­man­de­ring auf Wiki­pe­dia mit ein­drück­li­chem his­to­ri­schen Bild.

Autor: And­rei Schnell, Gra­fi­ken: www.wahlrecht.de / www.wahlen-berlin.de / wikipedia

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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