In Pankow gibt es eine Pankgrafenstraße. Aber komisch, von einem Adelsgeschlecht dieses Namens hat man noch nie gehört. Ob es wohl in der Wiesenburg an der Panke residierte? Das denkt sich allenfalls ein oberflächlicher Betrachter. Wer das glaubt, kennt den Wedding schlecht. Und den sehr speziellen Humor der Berliner erst recht nicht.
Graf Udo mit der gespaltenen Klaue
Die Pankgrafen gab es tatsächlich, es gibt sie auch heute noch. Offiziell gehen sie auf das Jahr 1881 zurück, als 15 Berliner Bürger eine „Antipolitische Vereinigung (APV)“ gründeten. Daraus entstand dem damaligen Geist der Zeit entsprechend eine Gemeinschaft, die auf mittelalterliche Traditionen und Vorbilder zurückgriff. Wichtig war dabei, dass der Humor nicht zu kurz kam. So wurde der Verein als „Alte Pankgrafen-Vereinigung von 1381 zu Berlin bey Wedding an der Panke (APV)“ mit dem Motto „Wohltun, Freundschaft, Vaterland“ betitelt. Diese widmete sich kulturellen Aktivitäten in Berlin und der näheren Umgebung. Nach der APV wurden später Straßen, Brunnen und sogar Binnenschiffe benannt.
In die Fluten gestürzt
Es gibt auch eine skurrile Gründungslegende, wonach bereits 1381, also 500 Jahre vor Gründung der APV, die Pankgrafen unter ihrem Heerführer „Graf Udo mit der gespaltenen Klaue“ nach einer Schlacht in den Rehbergen den „Wedding bey Berlin“ eroberten. „Der Legende nach soll sich der kampf- und sieggewohnte Udo am Ende seines Lebens aus Gram darüber, daß man das Flüßchen Panke, diesen herrlichen märkischen Strom mit seinem schwarz-grün-grau-blauen Wellengang, zuschmeißen wollte, nach einem Umtrunk in voller Rüstung in die Fluten gestürzt, […] aber leider in diesem Modergrab nicht die gewünschte Ruhe gefunden haben. [Denn alle 50 Jahre führe ihn] sein schauerliches Geschick in die Erdenwelt zurück, um zu schauen, ob das Gewässer noch vorhanden sei und ob die Nachfahren seiner Devise Wohltun – Freundschaft – Vaterland noch treu geblieben.“
So sei es geschehen auch vor 140 Jahren im Jahre 1881. Bei diesem „letzten Erscheinen“ des Urgrafen Udo „mußte er leider feststellen, daß dem keineswegs und mitnichten so war“. Im Gegenteil, einige der direkten Nachkommen der ritterlichen Pankgrafen saßen zwar beim herkömmlichen gewaltigen Schoppen, zankten sich um einen Stammtisch in der Norddeutschen Brauerei am Pankestrand sitzend um Parteidoktrinen und jeder wollte recht haben. Als nun Graf Udo dieses Geschrei und Gezanke hörte, erschien er in voller Rüstung unter den Streitenden, die schon erheblich in den Humpen geblickt hatten, schlug mit der Faust auf den Tisch und gebot ihnen, sich des alten Wahlspruches zu erinnern und danach zu handeln. Er verlangte von ihnen, die Alte Pankgrafschaft wiedererstehen zu lassen und mit neuem Leben zu erfüllen. Sie sollten echte Deutsche, aber keine kleinlichen Bürger sein. „Darauf verschwand er wieder in den schwarz-grün-grau-blauen Fluten der Panke.“ So die Chronik der Pankgrafen.
“Pankgraf” = Vereinsmitglied
Über den heutigen Verein APV mit Sitz fernab des Wedding, in Charlottenburg, lässt sich sagen: Es handelt sich um einen reinen Herrenclub, der über den angeschlossenen Barnajaden Bund e.V. wohltätig ist, in erster Linie aber die Freundschaft der gut situierten Vereinsmitglieder pflegt. Dafür nutzen diese einen “Remter”, d.h. einen rustikalen Vereinssaal am Gierkeplatz, in dem Mittelalter-Atmosphäre herrscht. Dort wird gesungen und das Brauchtum gepflegt – zum Beispiel das Ordensfest am 12. Mai, dem Pankratiustag. Darüber hinaus gehört die Planung von Ritterfahrten in andere Orte, die Vasallenstädte genannt werden, zum Vereinsleben. Nur bei Freundschaftsfahrten dürfen übrigens auch die Ehefrauen mitkommen. Bei Festumzügen treten die Pankgrafen in einem Ordenskleid auf. Dazu gehört auch ein Hut mit Feder.
Mit einem Adelsgeschlecht haben die heutigen Pankgrafen also gar nichts zu tun, nicht einmal mit dem Wedding. Auch das “Wirtshaus zum Pankgrafen” mit Flussbadeanstalt stand einst in Pankow, an besagter Pankgrafenstraße. Dort gab es den Trinkspruch:
Wenn aus der Panke Silberquell
Statt Wasser flösse Bier
Dann säße ich an jener Stell
So aber sitz ich hier.
Einen Bezug des Vereins zur Panke gibt es dann aber doch noch: Die Farben Schwarz, Grün, Grau und Blau im Wappen des Vereins beziehen sich auf die Farben des Flüsschens, als es noch als Abwassergewässer für die an seinen Ufern gelegenen Werkstätten des Gerber- und Färberhandwerks genutzt wurde und dabei eine entsprechende Färbung annahm.
Wenn man die Geschichte der Pankgrafen, ihr Ordenskleid und das alles so sieht, soll noch mal jemand behaupten, Berlin sei traditions- und humorlos. Und etwas von Karneval hat das Brauchtum der Pankgrafen ja irgendwie auch.
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