Die Weddingwoche ist eine wöchentliche Kolumne über aktuelle Ereignisse in unserem Stadtteil. Diese erscheint auch samstags im Berliner Abendblatt, Ausgabe Wedding.
Während ich die obere Müllerstraße entlangspaziere, überlege ich, was es bedeutet, dass wir bald nicht mehr Papst sind. Für mich hat es hoffentlich keine großen Konsequenzen, denn ursprünglich wollte ich nie Papst werden. Trotzdem hat man sich doch irgendwie daran gewöhnt. Plötzlich ragt vor mir ein großes, neu aufgestelltes Bauschild in die Höhe und reißt mich aus meinen Gedanken. Auf ihm steht “Kaufland kommt!”, was so kämpferisch klingt, dass ich unwillkürlich einen Schritt zurückweiche. Vermutlich ist es eine Warnung an den nur rund 200 Meter entfernten Real, sich schon mal warm anzuziehen. Ich male mir aus, mit was für einem Schild Real kontern wird, bedauere, dass die Fläche nicht für ein schwedisches Möbelhaus reichte und werde schließlich melancholisch. Denn hier stand sie, die inzwischen abgerissene Müllerhalle. In der Markthalle konnte man außer dem Duft von frischem Obst und Bratfett auch noch die Aura des alten Frontbezirks Wedding atmen. Dieser charmant-schummrige Betonbau war eines der letzten Refugien für Berliner Originale. Es musste ja nicht die Aufnahme ins Weltkulturerbe sein, aber gab es wirklich keine Möglichkeit die Halle samt der Originale zu erhalten? Manche Dinge schätzen wir offenbar erst, wenn sie nicht mehr sind. Ich tröste mich mit einem Fischbrötchen in Moni’s Fischkajüte und beschließe, mich damit abzufinden, kein Papst mehr zu sein. Vielleicht werde ich ja 2014 wieder Fußball-Weltmeister.
Autor: Ingo Scharmann
TIPP: Monis Fischkajüte: Müllerstr. 114, U Rehberge
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