Die Weddingwoche ist eine wöchentliche Kolumne über aktuelle Ereignisse in unserem Stadtteil. Diese erscheint auch samstags im Berliner Abendblatt, Ausgabe Wedding.
Neulich lauschte ich auf der Müllerstraße unfreiwillig dem Gespräch zweier älterer Damen, die vor mir liefen. Genau genommen hörte ich nur anfangs unfreiwillig zu. Denn als sie an einem Grabbeltisch vor Woolworth stoppten, wühlte ich am Nebentisch in bunten Sitzkissen. Ich brauchte überhaupt keine Sitzkissen, aber es ging in dem Gespräch um die Müllerstraße und ich hoffte, Details aus der Zeit zu erfahren, als sie noch „Kudamm des Nordens“ genannt wurde. Die Frauen schwärmten von früheren Fachgeschäften und ärgerten sich, wie runtergegammelt vieles wirke, zum Beispiel der Mittelstreifen. Auf den hatte ich noch nie wirklich geachtet, ein Mittelstreifen eben. Aber sie hatten Recht. Denn dort, wo bis in die 50er Jahre noch die Straßenbahn fuhr, erstreckt sich ein in schmutzig-graue Betonsteine eingefasstes Hochbeet, das an vielen Stellen nur zertrampelten Rasen und Baumstümpfe beherbergt.
Einen Schönheitspreis würde die Straße heute sicher nicht einheimsen. Das könnte sich aber bald ändern, denn im Mai beginnt die große Schönheits-OP der Einkaufsmeile. Sie erhält Radwege, die Plätze werden verschönert, die Gehwege saniert und auch der Mittelstreifen wird erneuert und mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt. Wenn die Umbauten fertig sind, so hoffen die Planer, wird die Straße ein Ort an dem sich die Weddinger gerne aufhalten. Da Letztere in die Planungen einbezogen wurden, stehen die Chancen dafür sogar sehr gut. Ob der Kudamm künftig als die „Müllerstraße Charlottenburgs“ bezeichnet wird, darf noch bezweifelt werden, aber das Urteil der beiden Damen, die noch die Glanzzeit der Müllerstraße erlebten, dürfte deutlich milder ausfallen.
Autor: Ingo Scharmann
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