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Weddinger Freiheiten: Als die Kirche besetzt war

10. Oktober 2017
Auf den Stellwänden geht es um die Geschichte im Wedding und um soziales Engagement. Fotos: Andrei Schnell
Auf den Stell­wän­den geht es um die Geschich­te im Wed­ding. Fotos: And­rei Schnell

Ja, das waren noch Zei­ten! Als ein paar laut­star­ke Außen­sei­ter ver­kün­de­ten, die Ste­pha­nus­kir­che sei jetzt besetzt. Wobei sie mit Beset­zung mein­ten, das Kir­chen­haus gehö­re jetzt ihnen und nicht mehr der amt­li­chen Kir­che. Aus heu­ti­ger Sicht ist das unvor­stell­bar. Und noch viel erstaun­li­cher wirkt heu­te, dass damals nicht als ers­tes nach dem Sicher­heits­dienst geru­fen wur­de. Nach­zu­le­sen ist die­se Epi­so­de der Kir­chen­be­set­zung auf einer von zwölf Stell­wän­den der Wan­der­aus­stel­lung „Wed­din­ger Frei­hei­ten“, die der­zeit in der St.- Paul-Kir­che in der Bad­stra­ße 50 zu sehen ist.

Die Aus­stel­lung zeigt zahl­rei­che Fotos und Doku­men­te zur Geschich­te des Wed­dings vom Kai­ser­reich bis zur Gegen­wart. Dabei rahmt die gro­ße, umfas­sen­de deut­sche Geschich­te die klei­ne Kiez­ge­schich­te ein. Und sie zoomt noch wei­ter hin­ein bis auf die Ebe­ne von Per­so­nen. So wer­den ein­zel­ne Pfar­rer der Kir­chen im ehe­ma­li­gen Arbei­ter­be­zirk vor­ge­stellt. Die zen­tra­le Fra­ge ist dabei stets: Wie haben die­se in den gro­ßen Strö­mun­gen ihrer Zeit mög­li­che Frei­räu­me für sozia­les Enga­ge­ment genutzt?

St.-Paul-Kirche in der der Badstraße 50. Foto: Andrei Schnell
Der­zeit ist die Wan­der­aus­stel­lung in der St.-Paul-Kirche in der der Bad­stra­ße 50 zu sehen. Foto: And­rei Schnell

Auch der Sol­di­ner Kiez kommt in der Aus­stel­lung vor. Zum einen bei der oben erwähn­ten Beset­zung der Ste­pha­nus­kir­che. Pfar­rer Ahrn­ke blieb dabei damals cool. Offen­bar fand er, dass die sozi­al enga­gier­ten jun­gen Men­schen, die sei­ne Kir­che sym­bo­lisch besetz­ten, mit ihrem Anlie­gen recht hat­ten. Außer­dem wird der Glas­kas­ten in der Prin­zen­al­lee erwähnt. Wäh­rend der Nazi­zeit wur­den hier – in einem ehe­ma­li­gen Arbei­ter­lo­kal – Regime­geg­ner miss­han­delt. Zur Aus­stel­lung gehört auch ein Film von Lena Reich. Die Jour­na­lis­tin, die im Sol­di­ner Kiez wohnt und auch regel­mä­ßi­ge Autorin des Kiez­ma­ga­zins Sol­di­ner ist, frag­te meh­re­re Nach­barn, was sie heu­te unter Frei­heit ver­ste­hen. Gleich zu Beginn des Vide­os ist zum Bei­spiel Kul­tur­ma­na­ger Ste­fan Höp­pe zu hören, der im Kiez vie­le Musik­ver­an­stal­tun­gen mit­or­ga­ni­siert hat.

Der­zeit ist die Aus­stel­lung „Wed­din­ger Frei­hei­ten“ bis zum 31. Okto­ber in der St. Paul-Kir­che in der Bad­stra­ße 50 zu sehen. Geöff­net ist sonn­tags von 11 bis 13 Uhr und mitt­wochs von 15 bis 18 Uhr. Es gibt auch ein Begleit­pro­gramm. Gleich im Anschluss wan­dern die “Wed­din­ger Frei­hei­ten” in die Kaper­naum­kir­che in der See­stra­ße 35. Vom 5. bis 26. Novem­ber wird sie dort zu sehen sein. Die zwölf Stell­wän­de plus vier Zusatz­wän­de wer­den im nächs­ten Jahr auch in die Ste­pha­nus­kir­che in der Prin­zen­al­lee wan­dern. Ein Ter­min dafür steht noch nicht fest. Erstellt hat die Aus­stel­lung die evan­ge­li­sche Landeskirche.

Der Text wur­de zuerst im Kiez­ma­ga­zin Sol­di­ner, Aus­ga­be Okto­ber 2017 ver­öf­fent­licht. Text und Fotos stam­men von And­rei Schnell. Mehr über das Kiez­ma­ga­zin und die Bür­ger­re­dak­ti­on, die es her­stellt: www.dersoldiner.wordpress.com

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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