Nach den neuaufgelegten Büchern von und über Otto Nagel bringt Walter Frey in seiner Reihe „Wedding Bücher“ jetzt eine neue sehr eindrucksvolle Biographie des Weddinger Arztes, Stadtschularztes, Bezirksverordneten, Kommunisten und Widerstandskämpfer Georg Benjamin heraus.
Ein bürgerlicher Revolutionär?
Georg Benjamin, 1942 im KZ Mauthausen ermordet, stand in den Nachkriegsjahren im Schatten seiner negativ angesehenen Ehefrau und zeitweiligen Justizministerin der DDR Hilde Benjamin. Aber das Buch macht deutlich, wie sehr er sich gerade in der Gesundheitspolitik eher modern sozialreformerisch engagierte, als der Fundamentalkritik der KPD zu folgen, die er andererseits zeitlebens unterstützte. Vom bürgerlichen Revolutionär schreibt der Autor, weil er herausarbeitet, dass sich Benjamin nicht in den proletarischen Habitus der KPD-Umwelt einpasste. Er pflegte Kunst und Kultur und liebte Auslandsreisen. Das Buch arbeitet viele kleine Details aus, die auch für Wedding-Kenner neu sind. So auch Details über das „Bullenkloster“ in der Schönstedtstraße, wobei der Autor nicht erwähnt, dass sich dort bis zum Bau des Rathauses die Büros des Bezirksamtes befanden. Interessant auch, dass die Freundin seines Bruders Walter mit ihrem Verlobten und späteren Mann in der Prinzenallee 60 wohnte: Theodor W. Adorno. Bei der Datierung der Reichstagsabgeordneten der SPD ist der Autor ungenau. Zwei Jahre nach dem Vereinigungsparteitag wurde Wilhelm Hasenclever Weddinger Reichstagsabgeordneter, Wilhelm Liebknecht erst nach dessen krankheitsbedingten Rücktritt. Das Buch bietet so viele Eindrücke in die Zeit der Weimarer Republik im Wedding, dass es für die Wedding-Literatur unverzichtbar ist.
Autor: Bernd Schimmler
Bernd-Peter Lange: Georg Benjamin. Ein bürgerlicher Revolutionär im roten Wedding Verlag Walter Frey, Berlin 2019, 200 Seiten, 15 €