Mastodon

Der Wedding läuft asynchron

1. April 2020
1
Armbanduhren
Wed­din­ger hadern mit der Zeit. Foto: Hensel

April­scherz Das Zeit­ge­fühl ist per­dü. Manch einer weiß nicht, wel­cher Wochen­tag gera­de ist. Und noch weni­ger Men­schen haben regis­triert, dass sie seit der Nacht von Sonn­abend auf Sonn­tag in der fal­schen Stun­de leben. Vom Wed­ding unbe­merkt hat die Euro­päi­sche Uni­on in die­sem Jahr wegen wich­ti­ge­rer Sor­gen die Zeit­um­stel­lung gestoppt. Jetzt ist der Wed­ding asyn­chron, ist aus der Zeit gefal­len – aber will er über­haupt zeit­ge­mäß sein?

Vie­len Men­schen ist bis­lang über­haupt nicht auf­ge­fal­len, dass sie der fal­schen Uhr­zeit fol­gen. Grund: sie ver­las­sen der­zeit kaum ihre Woh­nung und schon gar nicht Wed­ding. „Weil Klein Lily-Mar­le­ne nicht zur Schu­le muss, schau­en wir mor­gens sowie­so nicht mehr auf die Uhr“, sagt Vater Arndt Pau­ker. Offen­bar tun die bei­den dies auch den Rest des Tages nicht. „Seit­dem ich Stu­ben­bü­ro auf­ge­brummt bekom­men habe und ich nicht mehr mei­ne U‑Bahn sieb­zehn nach um schaf­fen muss, ist mir die Uhr­zeit egal“, sagt Notar­ge­hil­fin Sheyda Fil­kür. Auch habe nichts in der Zei­tung gestan­den. Dafür ent­schul­digt sich Tomis­lav Bucec, der die Wed­din­ger All­ge­mei­nen Zei­tung her­aus­gibt. Er sagt: „Wir wis­sen, dass die Wed­din­ger außer unse­rem Blatt kaum eine ande­re Infor­ma­ti­ons­quel­le haben. Doch lei­der kam die Nach­richt, die Uhren in Ruhe zu las­sen, erst nach Redak­ti­ons­schluss.“ So haben die Wed­din­ger ganz dem Takt der letz­ten Jah­re fol­gend die Uhr­zeit eine Stun­de vorgestellt.

Armbanduhren im Schaufenster eines Geschäfts in der Brunnenstraße. Foto: Hensel
Viel Zeit. Foto Hensel

Vie­le Wed­din­ger sind aber jetzt nicht bereit, die Zei­ger wie­der zurück­zu­stel­len, um sich mit dem Rest der Welt zu syn­chro­ni­sie­ren. Die Rebel­len auf Zeit tref­fen sich beim Rebel Room Bur­ger in der See­stra­ße. Sie wol­len an der Som­mer­zeit fest­hal­ten und sagen: „Das ist unse­re Zeit. Wir las­sen uns nicht vor­schrei­ben, wie spät es ist.“ Das wie­der­um ruft sogar die EU auf den Plan. Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin Ursu­la von der Ley­en wen­det sich mit einem auf­wüh­len­den Appell direkt an die Wed­din­ger: „Stel­len Sie die Uhr zurück! Der euro­päi­sche Zeit­geist steht auf der Kippe.“

Auch die Bezirks­po­li­tik will gleich­gül­ti­ge und ableh­nen­de Hal­tun­gen nicht hin­neh­men. Bür­ger­meis­ter Ste­phan von Das­sel möch­te schnell einen Zeit­be­auf­trag­ten ein­stel­len. Die­ser soll erst­ma­lig einen bezirk­li­chen Zeit­plan auf­stel­len. Zudem soll er Zeit­fra­gen koor­di­nie­ren. „Der neue Beauf­trag­te wird dar­auf ach­ten, dass bei allen Beschlüs­sen die Belan­ge der Zeit berück­sich­tigt werden.“

Als Sofort­maß­nah­me ver­füg­te von Das­sel, dass ab sofort auf öffent­li­chen Spiel­plät­zen ein gene­rel­les Uhr-Umstel­lungs­ver­bot gilt. Außer­dem dür­fen nur noch maxi­mal zwei Arm­band­uh­ren in der Öffent­lich­keit getra­gen wer­den. Von Zeit­rei­sen, und sei es auch nur nach Rei­ni­cken­dorf, sol­le vor­über­ge­hend abge­se­hen werden.

be'kech
Sich Zeit neh­men. Foto: Schnell

Die christ­li­chen Kir­chen wol­len mit ihren Mit­teln die Men­schen zur Umkehr bewe­gen. Pfar­rer Peter Paul (86 Jah­re) von der Hei­lig­keits-Gemein­de hat sofort das Zeit­li­che geseg­net. Auch die mus­li­mi­schen Glau­bens­ver­ei­ne enga­gie­ren sich: “Alles, jeder Schritt im Allag, ist eine Fra­ge der Zeit”, mahnt Iman Moha­mad Frai Tak.

Es gibt auch Wed­din­ger, die die Ent­wick­lung vor­aus­ge­ahnt haben. Joa­chim Faust, Grün­der des Wed­ding­wei­sers, wuss­te schon immer: „Im Wed­ding ticken die Uhren anders“. Auch für die Kunst ist das The­ma Zeit kein neu­es. Die Gale­rie Wed­ding im Rat­haus Mül­lerstra­ße habe schon frü­her tem­po­rä­re Aus­stel­lun­gen gemacht, so Kura­to­rin Sabi­ne Graphyk.

Chro­no­lo­ge Dr. sec. Gegen­ward for­dert die Men­schen auf, das Pro­blem ernst zu neh­men: „Wir ste­hen erst am Anfang einer Pan­tem­po­rie.“ Das Wed­din­ger Ori­gi­nal Kal­le vom Prime Time Thea­ter redet den Men­schen des­halb ins Gewis­sen. Sie sol­len sich auf die all­ge­mein gül­ti­ge Zeit ein­stel­len: „Dat üben wa’ jetz ma’. Wen oder wat stell’ ick?“*

Andrei Schnell und Dominique HenselDomi­ni­que Hen­sel und And­rei Schnell haben immer wenig Zeit, schmun­zeln aber trotz allem gern.

*Für Nicht-Wed­din­ger: Die Ant­wort lau­tet „Mir“.

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

1 Comment

  1. Nach zeit­lich unab­hän­gi­gen Quel­len, soll der Sach­stand der­zeit fol­gen­der sein:
    Da die Bestel­lung eines Zeit­be­auf­trag­ten aus eige­nem Per­so­nal­stamm der­zeit nicht in so kur­zer Zeit rea­li­siert wer­den kann, wird zur­zeit geprüft, ob die­se Stel­le nicht zeit­nah durch einen Ange­stell­ten einer Zeit­ar­beits­fir­ma auf Zeit besetzt wer­den kann. Eine Abrech­nung auf Stun­den­ba­sis wird nicht ange­strebt, da bekannt­lich Zeit Geld ist.
    Susan­ne und Micha

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben