Eine besonders wertvolle Ressource in der Stadt ist Platz. Jeder, der sich im Auto, auf dem Fahrrad oder als Fußgänger auf den Straßen und Gehwegen bewegt, weiß, dass darum immer wieder gekämpft wird. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde dem platzraubendsten Verkehrsmittel die höchste Priorität eingeräumt, nämlich dem motorisierten Individualverkehr. An der Müllerstraße wird sich das ändern: Eine temporäre Radspur kommt.
Der Stellenwert des Autos nimmt ab
Beim Rad- und Fußgängerverkehr soll den Realitäten besser Rechnung getragen werden. Die Studie der TU Dresden zu „Mobilität in den Städten 2019“ zeigt: Noch immer werden die meisten Wege in Berlin zu Fuß zurückgelegt (über 30 Prozent). Auch der öffentliche Nahverkehr hat seinen Anteil leicht auf 26,9 Prozent erhöhen können. Der Autoverkehr ist um 4 Prozent auf 24,3 Prozent zurückgegangen. Der Radverkehr hat seinen Anteil am Verkehrsaufkommen in fünf Jahren von 13 auf 18,4 Prozent gesteigert. Es hat sich also einiges verschoben, dementsprechend eng ist es auf den wenigen Radwegen, Schutzstreifen oder den Straßen ohne Radinfrastruktur. Dazu kommen auf Busspuren, Geh- und Radwegen geparkte Autos sowie Lieferfahrzeuge.
Die Corona-Krise zeigt inzwischen auf, dass ausreichend Abstand und Überholmöglichkeiten für Radfahrende bei den heutigen Verhältnissen auf den meisten Hauptverkehrsstraßen nicht möglich ist. Abstand ist in dieser Phase der Pandemie, in der der Verkehr wieder zunimmt, unerlässlich. Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass noch mehr Menschen als bereits jetzt schon aufs Rad umsteigen, weil sie die Nutzung des Nahverkehrs vermeiden möchten und kein eigenes Auto besitzen. Zum Glück hat die Verkehrspolitik dieser Stadt die Weichen schon vor der Corona-Krise gestellt: Denn mit dem Mobilitätsgesetz des rot-rot-grünen Senats wurde 2018 eine Verkehrswende angekündigt. Zumindest für alle Hauptverkehrsstraßen wurde eine Radinfrastruktur festgeschrieben, die einen guten Belag haben und ausreichend Platz zum Überholen bieten soll. Selbst wenn es alternative Strecken auf ruhigen Nebenstraßen oder in Grünanlagen gibt, muss sich auch an den Hauptachsen des Verkehrs nun etwas verändern, wenn dem Gesetz Rechnung getragen werden soll.
Konkrete Situation an der Müllerstraße
Im Moment verfügt die Müllerstraße zwischen der Seestraße und der Ringbahnbrücke am Bahnhof Wedding über drei Spuren für Autos, von denen die rechte nur für Parkplätze und Lieferverkehr genutzt wird. Radwege, Schutzstreifen oder Busspuren gibt es keine. Schon lange wurde eine Umgestaltung geplant. Das Bezirksamt Mitte hat angekündigt, die jetzige Pandemie-Situation zu nutzen, um lange geplante Radspuren zu beschleunigen. Mit den „Regelplänen zur temporären Einrichtung und Erweiterung von Radverkehrsanlagen“, die die Senatsverwaltung am 2. April herausgegeben hat, kommt nun auch an der Müllerstraße einiges in Bewegung: Die jetzige Parkspur könnte ohne großen Aufwand nach links verschoben werden. Damit bliebe dem Autoverkehr der restliche linke Fahrbahnbereich, dem Radverkehr die jetzige Parkspur, und die Fußgänger könnten weiterhin die ganze Breite des Gehwegs nutzen.
Natürlich gibt es einige problematische Stellen für die temporäre Radspur, vor allem die drei Ausgänge des Bahnhofs Seestraße ragen in die Fahrspuren hinein. Auch an den Bushaltestellen (eine besonders stark frequentierte befindet sich am Leopoldplatz) werden sich Radfahrende und andere Verkehrsteilnehmer ins Gehege kommen. Hier wird es auf gegenseitige Rücksichtnahme und eine intelligente Markierung ankommen.
Kommentar
Es ist auf jeden Fall zu begrüßen, dass der Bezirk Mitte und auf Hauptstraßen auch die Senatsverkehrsverwaltung – trotz sicherlich schwieriger Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden – ihre Verantwortung wahrnehmen und zügig für Verbesserungen sorgen. Damit wird das hochgelobte Mobilitätsgesetz endlich mit Leben erfüllt und der Realität der Verkehrsverhältnisse im Wedding Rechnung getragen. Und wenn man schon einmal dabei ist: Auch auf anderen großzügig dimensionierten Straßen wie Badstraße, Luxemburger Straße (mit katastrophal schlechtem Radweg) und Amrumer Straße muss schleunigst etwas für den Radverkehr passieren.
Was sich in den Bezug auf den Radverkehr ab 28. April in der StVO geändert hat, findet ihr hier.
Temporäre Radspur: Übersicht für Berlin
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Aktuell sind Höhe Cittipoint Halteverbotsschilder auf der anderen Straßenseite aufgestellt die ab dem 12.05. 7 Uhr gelten.
Zur temporären Radspur auf der Müllerstraße: Es ist dringend notwendig, das sofort zu beginnen,
weil es alternative Strecken auf den ruhigen
Nebenstraßen zur Zeit nicht gibt. Die Fahrt vom Afrikanischen Viertel Richtung „alte Mitte“ ist aufgrund der vielen Baustellen und Sperrungen ein
einziges Hindernisrennen, wenn man nicht doch die gefährliche Müllerstraße benutzt.
Super! Das sind sehr erfreuliche Nachrichten!
Weiß man schon konkret, wann es losgehen soll?