Das, wofür andere Berlinerinnen lange Wege in Kauf nehmen, haben die Weddingerinnen jetzt vor der Haustür. Gleich neben dem S‑Bahnhof Wedding und dem Café „Coffee Circle“ in der Lindower Straße haben sich die Wollhändlerinnen von „Wollen Berlin“ niedergelassen. Die Adresse ist ein Geheimtipp unter Strickbegeisterten und die große Auswahl an natürlichen Garnen ist genau das Richtige für die warmen Pullover, die wir in diesem Winter brauchen werden.
Die freundlichen Frauen von „Wollen“ sind nicht leicht zu finden. „Hof 2, Aufgang 5 – Tor bitte drücken“ steht unter den Kontaktangaben im Internet. Doch wenn man vor dem schmiedeeisernen Tor des prächtigen Gewerbehofs aus der Gründerzeit in der Lindower Straße steht, geht es ganz einfach. Kein Ruckeln und Rütteln und auch kein Treppensteigen. Das Geschäft ist im Erdgeschoss. In der hellen Fabriketage empfängt mich Ruta Sluskaite-Dittmann, die Gründerin und Inhaberin von „Wollen“.
Die kalte Jahreszeit steht vor der Tür. Kommen viele zu euch, mit dem Wunsch, sich etwas Warmes für den Winter zu stricken?
Ruta: Ja, der Herbst lief gut. Viele kamen mit der Idee „Ich strick mir jetzt einen warmen Pulli.“ Wer selber stricken kann, ist jetzt ja im Vorteil.
Eine Kollegin aus Frohnau hat mich auf euer Geschäft aufmerksam gemacht. „Wollen“ war das erste, was ihr zum Thema Wedding eingefallen ist. Ist „Wollen“ ein Geheimtipp?
Ruta: Wir haben uns einen guten Ruf erarbeitet. Wir führen nur natürliche Garne, die meistens aus der Region oder aus Europa kommen. Merino-Wolle muss nicht aus Übersee kommen, sie kann auch aus Brandenburg stammen. Und dann nehmen wir uns viel Zeit für Beratung.
Kennt ihr das Spreegarn aus dem Wedding?
Ruta: Ja, darüber habe ich im Weddingweiser gelesen. Mein Mann ist ja ein großer Fan vom Weddingweiser.
Auf wen zielt euer Angebot?
Wir haben für alle was, auch preislich. Für die 16-jährigen, die auf TikTok gesehen haben, dass Häkeln im Trend ist und für Ältere, die schon ihr Leben lang stricken.
Und woher kommt eure Kundschaft?
Ruta: Aus ganz Berlin, aber nicht nur. Es kommen sogar regelmäßig Touristen aus Skandinavien, wo Stricken ja noch stärker eine Tradition ist. Wir haben uns über die Jahre eine Stammkundschaft aufgebaut und freuen uns über alle, die uns auch nach dem Umzug von Friedrichshain in den Wedding treu geblieben. Aber natürlich auch über alle, die neu dazu gekommen sind.
Seit einigen Jahren ist Stricken auch in Deutschland wieder ziemlich beliebt. Mit YouTube-Tutorials kann man sich das jetzt auch selbst beibringen. Mittlerweile machen wir etwa die Hälfte des Umsatzes online. Aber viele kommen trotzdem gerne weiterhin in den Laden. Garne sind ein Produkt, das man gerne anfasst und sieht – wegen der Qualität, dem Gefühl und den Farben.
Ihr seid seit einem Jahr im Wedding. Was hat euch nach zehn Jahren im Friedrichshain hierher bewegt?
Ruta: Ich lebe schon lange im Wedding, am Nauener Platz. Als ich Mutter geworden bin, bin ich mit dem Kinderwagen hier viel durch die Straßen spaziert und habe diesen tollen Ort entdeckt! Auch die Hälfte unseres Teams wohnt im Wedding.
Und eure Kundinnen haben den Umzug mitgemacht?
Ruta: Wir haben vorher eine Umfrage in den sozialen Medien gemacht. Und vielen war es egal, wohin sie in Berlin anreisen. Andere sahen sogar Vorteile, weil es direkt an der S‑Bahn liegt. Wir werben auch für den Wedding und sagen: „Verbinden Sie den Einkauf mit einem Ausflug in den Kiez.“ Mit dem Café vor der Tür ist das natürlich eine gute Kombination. Wir haben einige Kundinnen, die im Friedrichshain direkt neben uns gewohnt haben, verloren, aber jetzt kommen mehr aus Reinickendorf oder Charlottenburg und natürlich auch aus dem Wedding.
Vor vierzig Jahren war es ein politisches Statement, als die Männer der Grünen, mit dicken Bärten und Latzhosen im Bundestag strickten. Welche Männer kommen heute zu euch?
Ruta: Ganz unterschiedliche. Wir haben einen Rechtsanwalt, der strickt und andere nehmen sich die isländischen Männer zum Vorbild, die ja auch stricken. Männer machen etwa 10 Prozent unserer Kundschaft aus. Die meisten die kommen nicht allein wegen des Strickens, sondern haben sich auch sonst mit Mode oder Design beschäftigt.
Öffnungszeiten
Mo geschlossen, Di – Fr 11–19 Uhr, Sa – 11–16 Uhr
Telefon 030–29351995, Whatsapp 015172041943
Lindower Str. 18, 13347 Berlin
Hof 2, Aufgang 5 – Tor bitte drücken