Im Frühlingslicht kann man die ersten grauen Haare noch besser erkennen. Also probieren wir aus, wie es sein wird: Alt sein. Zaghaft tragen wir beige Parkas, fahren Elektrofahrrad und bepflanzen den Balkon. Jeden vierten Mittwoch im Monat können Spielwütige und Zahlenaffine im Mastul zudem das schönste Klischee aller Seniorenheimaktivitäten ausprobieren: Bingo spielen.
So finden sich lauter junge Menschen im selbstverwalteten Weddinger Kneipenhinterzimmer wieder, um mit etwas Zahlenglück Schnaps, Süßigkeiten und zerknitterte Scheine zu gewinnen. Bingo ist ein Glücksspiel. Das muss an dieser Stelle natürlich erwähnt werden. Fast gefährlich mutet es an, leicht verrucht. Man macht sich nackt beim Bingo-Spielen. Dein Besitz, deine Bartlänge, dein Bausparvertrag: Völlig egal. Es gewinnt, wer alle Zahlen senkrecht, waagerecht oder in den Ecken auf seinem Loszettel umkreisen konnte. Wer eine gute Wahl traf, als er seinen Loszettel aus dem bunten Bauchladen zog. Wer konzentriert die Zahlen umkreist, welche die Lostrommel mit einem leisen Klacken ausspuckt. Und dann mit voller junger Inbrunst „Bingo!“ brüllt.
Das ganze Leben ist ein Bingo-Spiel
Während wir im verrauchten Hinterzimmer das Salz von den Chips lecken und die Bingo-Zettel ordnen, wird klar, dass es zwar ein simples Glücksspiel ist, aber doch etwas über das Leben lehrt. Im ersten Durchlauf greifst du noch tief in den Bingo-Bauchladen. Der Plan ist durch mehr Lose die Gewinnwahrscheinlichkeit zu erhöhen und schon winken Schnaps und Schokolade am Ende des Abends. Doch Obacht. Deine Augen müssen dann mehr Zettel nach den gezogenen Nummern scannen, das kann überfordern, da werden aus Versehen Biergläser umgeschüttet und in Chipsschalen geascht. Du übersiehst die Zahlen. Du kommst nicht mehr mit. Du, ha, verzettelst dich. Im Leben lieber auf weniger konzentrieren. Zügele deine Gier, sonst sitzt du da und musst Chips essen, die nach Asche schmecken.
Nach der ersten verlorenen Runde grummelt es aus den dunklen Ecken. Was soll das sein, dieses Spiel, diese Ungerechtigkeit, wir werfen alle Geld in einen Topf und einer mit viel Glück gewinnt es? Doch dann tauchen die gewonnenen Süßigkeiten in der Tischmitte auf und jeder darf danach greifen. Fremde Menschen reichen Kugelschreiber und weisen auf vergessene Zahlen hin. Die Schnapsgläser werden vorsichtig in die Runde gereicht. Wir wissen ja, dass das mit dem Glück ziemlich kompliziert ist.
Wer will und einen Platz erwischt, kann einmal im Monat im Mastul Bingo spielen. Man braucht für einen Abend dort nicht viel, ein paar Freunde, Konzentration und wer es drauf anlegt etwas Glück. Aber ohne wird es auch ganz gut.
Bingo!
Immer der letzte Mittwoch im Monat.
(Dezember Änderungen möglich)
Runde 1: 20:00 Uhr
Mastul
Liebenwalder Straße 33
13347 Berlin
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