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Mietenpolitik:
Vorschlag gegen überhöhte Mieten

7. Juni 2022

Im Inter­view spricht der Wed­din­ger Abge­ord­ne­te Mathi­as Schulz von der SPD über sei­nen Vor­schlag für eine Mie­ten­pro­gres­si­ons­steu­er. Sie ist ein Vor­schlag, wie die Ankün­di­gung des Ber­li­ner Koali­ti­ons­ver­tra­ges für mehr Mie­ter­schutz umge­setzt wer­den könnte.

Herr Mathi­as Schulz, Sie und Ihr Par­tei­freund Lars Rauch­fuß for­dern eine Mie­ten­pro­gres­si­ons­steu­er. Was ist das?

Mathi­as Schulz: Wir wol­len die Mie­ten­ex­plo­si­on aus­brem­sen. Aus­gangs­punkt ist der Miet­spie­gel. Ab einer Mie­te von 110 Pro­zent über der orts­üb­li­chen Ver­gleichs­mie­te wür­de eine Abga­be fäl­lig. Je höher die Mie­te über die­sem Wert liegt, des­to höher wird der Abga­ben­satz. Des­halb steckt das Wort Pro­gres­si­on in unse­rem Vor­schlag. Wich­tig ist zu sagen, dass wir zwar poli­tisch von einer Mie­ten­steu­er spre­chen, aber recht­lich eine Abga­be for­mu­lie­ren wol­len. Hier haben die Bun­des­län­der eine eige­ne Gesetz­ge­bungs­ho­heit. Wir wol­len die Abga­be so aus­ge­stal­ten, dass Ver­mie­ter sie nicht auf die Mie­te umle­gen kön­nen – das ist die Grund­be­din­gung. Am Ende muss gel­ten: Es trägt der­je­ni­ge die Abga­be, der die hohen Mie­ten kassiert.

War­um die­ses wei­te­re Mietpreis-Instrument?

Mathi­as Schulz: Die Miet­preis­brem­se hat Lücken, zum Bei­spiel beim Neu­bau, möblier­ten Woh­nen oder Woh­nen auf Zeit. Die­se Lücken nut­zen Inves­to­ren aus. Da müs­sen wir ran. Ein wesent­li­cher Vor­teil unse­res Vor­schla­ges ist, dass wir nicht in das bestehen­de Miet­recht des Bun­des ein­grei­fen. Dort wer­den Rege­lun­gen zum Mie­ter­schutz blo­ckiert, erst von der CDU und nun von der FDP. Wir wol­len durch das Land gezielt nega­ti­ve Aus­wüch­se bekämp­fen. Woh­nun­gen mit 16 oder mehr Euro pro Qua­drat­me­ter kön­nen sich die meis­ten Men­schen in Ber­lin schlicht nicht leisten.

Wie wür­de sich Ihr Vor­schlag auf den Wed­ding auswirken?

Mathi­as Schulz: Ein Beispiel:Es gibt im Wed­ding Stu­die­ren­den-Appar­te­ments mit 30 Euro Mie­te pro Qua­drat­me­ter. 600 Euro im Monat für 20 Qua­drat­me­ter hal­te ich für Wahn­sinn! Sol­che Pro­jek­te hei­zen das Mie­ten­ni­veau im Umfeld an. Unser Instru­ment wür­de im gan­zen Wed­ding wir­ken, im Afri­ka­ni­schen und Eng­li­schen Vier­tel wie auch im Spren­gel­kiez. Das sind Kieze, in denen es eine kras­se Auf­wer­tung gibt. Auf ein­schlä­gi­gen Por­ta­len wer­den so vie­le Woh­nun­gen mit Mie­ten ab 16 Euro auf­wärts pro Qua­drat­me­ter ange­bo­ten. Fami­li­en, Allein­er­zie­hen­de, Rent­ner und jun­ge Men­schen fin­den also immer weni­ger bezahl­ba­re Woh­nun­gen. Für mich ist klar: Wir brau­chen mehr Gemein­wohl auf dem Woh­nungs­markt – im Wed­ding und in der gan­zen Stadt.

Könn­te man sich nicht vie­le Geset­ze spa­ren, wenn die Poli­tik deut­lich mehr genos­sen­schaft­li­ches Woh­nen ermög­li­chen würde?

Mathi­as Schulz: Genos­sen­schaf­ten sind ein Teil der Lösung. Hier wird sozia­le Ver­ant­wor­tung gelebt: In der Regel wer­den fai­re Mie­ten erho­ben und Gewin­ne nicht als Ren­di­te abge­schöpft, son­dern in Wohn­häu­ser inves­tiert. Gene­rell gilt für mich: Wir brau­chen nicht ein­fach nur mehr Woh­nungs­bau, son­dern wir müs­sen immer fra­gen, wer die Woh­nun­gen baut und für wel­che Ziel­grup­pe gebaut wird. In den Haus­halts­be­ra­tun­gen im Land Ber­lin haben wir gera­de beschlos­sen, dass wir als Koali­ti­on genos­sen­schaft­li­chen und sozia­len Woh­nungs­bau stär­ker för­dern wol­len. Wir wol­len, dass künf­tig bis zu 5.000 Woh­nun­gen pro Jahr im sozia­len Woh­nungs­bau errich­tet wer­den. Das ist das rich­ti­ge Signal!

Was sagen Sie zu dem Argu­ment, man könn­te auf kom­pli­zier­te Geset­ze ver­zich­ten, wenn Ber­lin pri­va­te Ver­mie­ter ent­eig­nen würde?

Mathi­as Schulz: Zunächst will ich sagen: Eine deut­li­che Mehr­heit der Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler hat in Ber­lin für Volks­ent­scheid „Deut­sche Woh­nen & Co. Ent­eig­nen“ votiert. Die Idee der Ver­ge­sell­schaf­tung hat auch in mei­nem Wahl­kreis mit über 60 Pro­zent gro­ße Zustim­mung erfah­ren. Das war ein star­kes Signal für mehr Gemein­wohl auf dem Woh­nungs­markt! Das wei­te­re Vor­ge­hen wird jetzt durch die vom Senat ein­ge­setz­te Exper­ten­kom­mis­si­on ver­ant­wor­tungs­voll geprüft. Das fin­de ich rich­tig. Ich glau­be zugleich, dass wir mit einer Dis­kus­si­on allein um die Eigen­tums­fra­ge nicht schnell genug ein rechts­si­che­res Instru­ment in die Hand bekom­men. Die Ver­ge­sell­schaf­tung wird vor­aus­sicht­lich einen län­ge­ren juris­ti­schen Streit nach sich zie­hen, da sie sicher von den Unter­neh­men vor den Gerich­ten ange­grif­fen wird. Zudem gilt der Vor­schlag der Initia­ti­ve nur für pri­va­te Woh­nungs­un­ter­neh­men mit mehr als 3.000 Woh­nun­gen. Des­halb müs­sen wir wei­te­re Instru­men­te prü­fen, die zügig umsetz­bar sind und für alle Unter­neh­men gel­ten. Was mei­nen Kol­le­gen Lars Rauch­fuß und mich umtreibt, ist die Fra­ge, was kann die Poli­tik jetzt und heu­te tun, um zu mehr bezahl­ba­ren Mie­ten – auch bei Bestands­woh­nun­gen – zu kom­men. Da gehö­ren alle Vor­schlä­ge auf den Tisch.

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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