Im Interview spricht der Weddinger Abgeordnete Mathias Schulz von der SPD über seinen Vorschlag für eine Mietenprogressionssteuer. Sie ist ein Vorschlag, wie die Ankündigung des Berliner Koalitionsvertrages für mehr Mieterschutz umgesetzt werden könnte.
Herr Mathias Schulz, Sie und Ihr Parteifreund Lars Rauchfuß fordern eine Mietenprogressionssteuer. Was ist das?
Mathias Schulz: Wir wollen die Mietenexplosion ausbremsen. Ausgangspunkt ist der Mietspiegel. Ab einer Miete von 110 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete würde eine Abgabe fällig. Je höher die Miete über diesem Wert liegt, desto höher wird der Abgabensatz. Deshalb steckt das Wort Progression in unserem Vorschlag. Wichtig ist zu sagen, dass wir zwar politisch von einer Mietensteuer sprechen, aber rechtlich eine Abgabe formulieren wollen. Hier haben die Bundesländer eine eigene Gesetzgebungshoheit. Wir wollen die Abgabe so ausgestalten, dass Vermieter sie nicht auf die Miete umlegen können – das ist die Grundbedingung. Am Ende muss gelten: Es trägt derjenige die Abgabe, der die hohen Mieten kassiert.
Warum dieses weitere Mietpreis-Instrument?
Mathias Schulz: Die Mietpreisbremse hat Lücken, zum Beispiel beim Neubau, möblierten Wohnen oder Wohnen auf Zeit. Diese Lücken nutzen Investoren aus. Da müssen wir ran. Ein wesentlicher Vorteil unseres Vorschlages ist, dass wir nicht in das bestehende Mietrecht des Bundes eingreifen. Dort werden Regelungen zum Mieterschutz blockiert, erst von der CDU und nun von der FDP. Wir wollen durch das Land gezielt negative Auswüchse bekämpfen. Wohnungen mit 16 oder mehr Euro pro Quadratmeter können sich die meisten Menschen in Berlin schlicht nicht leisten.
Wie würde sich Ihr Vorschlag auf den Wedding auswirken?
Mathias Schulz: Ein Beispiel:Es gibt im Wedding Studierenden-Appartements mit 30 Euro Miete pro Quadratmeter. 600 Euro im Monat für 20 Quadratmeter halte ich für Wahnsinn! Solche Projekte heizen das Mietenniveau im Umfeld an. Unser Instrument würde im ganzen Wedding wirken, im Afrikanischen und Englischen Viertel wie auch im Sprengelkiez. Das sind Kieze, in denen es eine krasse Aufwertung gibt. Auf einschlägigen Portalen werden so viele Wohnungen mit Mieten ab 16 Euro aufwärts pro Quadratmeter angeboten. Familien, Alleinerziehende, Rentner und junge Menschen finden also immer weniger bezahlbare Wohnungen. Für mich ist klar: Wir brauchen mehr Gemeinwohl auf dem Wohnungsmarkt – im Wedding und in der ganzen Stadt.
Könnte man sich nicht viele Gesetze sparen, wenn die Politik deutlich mehr genossenschaftliches Wohnen ermöglichen würde?
Mathias Schulz: Genossenschaften sind ein Teil der Lösung. Hier wird soziale Verantwortung gelebt: In der Regel werden faire Mieten erhoben und Gewinne nicht als Rendite abgeschöpft, sondern in Wohnhäuser investiert. Generell gilt für mich: Wir brauchen nicht einfach nur mehr Wohnungsbau, sondern wir müssen immer fragen, wer die Wohnungen baut und für welche Zielgruppe gebaut wird. In den Haushaltsberatungen im Land Berlin haben wir gerade beschlossen, dass wir als Koalition genossenschaftlichen und sozialen Wohnungsbau stärker fördern wollen. Wir wollen, dass künftig bis zu 5.000 Wohnungen pro Jahr im sozialen Wohnungsbau errichtet werden. Das ist das richtige Signal!
Was sagen Sie zu dem Argument, man könnte auf komplizierte Gesetze verzichten, wenn Berlin private Vermieter enteignen würde?
Mathias Schulz: Zunächst will ich sagen: Eine deutliche Mehrheit der Wählerinnen und Wähler hat in Berlin für Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ votiert. Die Idee der Vergesellschaftung hat auch in meinem Wahlkreis mit über 60 Prozent große Zustimmung erfahren. Das war ein starkes Signal für mehr Gemeinwohl auf dem Wohnungsmarkt! Das weitere Vorgehen wird jetzt durch die vom Senat eingesetzte Expertenkommission verantwortungsvoll geprüft. Das finde ich richtig. Ich glaube zugleich, dass wir mit einer Diskussion allein um die Eigentumsfrage nicht schnell genug ein rechtssicheres Instrument in die Hand bekommen. Die Vergesellschaftung wird voraussichtlich einen längeren juristischen Streit nach sich ziehen, da sie sicher von den Unternehmen vor den Gerichten angegriffen wird. Zudem gilt der Vorschlag der Initiative nur für private Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen. Deshalb müssen wir weitere Instrumente prüfen, die zügig umsetzbar sind und für alle Unternehmen gelten. Was meinen Kollegen Lars Rauchfuß und mich umtreibt, ist die Frage, was kann die Politik jetzt und heute tun, um zu mehr bezahlbaren Mieten – auch bei Bestandswohnungen – zu kommen. Da gehören alle Vorschläge auf den Tisch.