Rund 100 Mieter des Eckhauses Müllerstraße und Kameruner Straße haben sich zusammengeschlossen und auf eigene Faust einen Käufer für das von ihnen bewohnte Haus gesucht. Sie haben einen Vorkauf durch den Bezirk erreicht und damit verhindert, dass ihr Haus in den Besitz eines Immobilieninvestors gelangt.
Im September 2020 erreichte die Mieter die Nachricht, dass ihr Miethaus nach dem Tod des privaten Eigentümers zum Verkauf stand. „Verdrängung durch Luxussanierungen oder Umwandlung in Eigentumswohnungen standen im Raum und bereiteten unserer Häusergemeinschaft große Sorgen“, sagen die Mieter rückblickend. Sie schafften es, dass nun die DPF e.G Eigentümerin ist. Die nach dem Krieg in Ostberlin gegründete Genossenschaft erwarb gleichzeitig ein Haus in der Torfstraße 26. Dort leben 33 Mietparteien.
Der Weg dorthin führte über das Vorkaufsrecht. In Milieuschutzgebieten (offiziell Erhaltungsgebiete) kann der Bezirk in einen geschlossenen Kaufvertrag in die Rolle des Käufers springen. Weil der Bezirk oft nicht das Geld hat, um den Kaufpreis zu zahlen, kann in Berlin eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft aushelfen und das Miethaus übernehmen. Aber auch Genossenschaften kommen in Frage, um als mieterfreundliche Käufer einzuspringen. Andreas Böhm, Vorstand der DPF e.G. sagt, dass dies aus einem einfachen Grund so selten geschieht. Die Inhaber der Wohnungsgenossenschaften sind Mieter und vorsichtig. Anders als private Investoren wollen sie das Risiko minimieren. Deshalb müsse die Politik in Berlin mit Bürgschaften und Zinsgarantien helfen. Dann würden es sich mehr Genossenschaften zutrauen, langfristige Kredite für Vorkäufe aufzunehmen.
2020 gab es in Mitte nur vier Vorkäufe. Geprüft wurden 57 Fälle. Der durchschnittliche Verkaufspreis eines gelungenen Vorkaufs liegt im Bezirk bei 2.300 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Immobilienwebseiten nennen für den Ortsteil Wedding über 3.500 Euro pro Quadratmeter als Preis. Viele Vorkäufe verhindert der neue Eigentümer, indem er eine Abwendungsvereinbarung unterschreibt. In dieser erklärt er sich zu bestimmten Zugeständnissen bereit.
171 Mitglieder gründeten die DPF e.G. am 28. Mai 1957 in Ostberlin. Die Genossenschaft zählt heute über 6.000 Mitglieder. Sie besitzt fast 4.000 Wohnungen, viele davon sind Plattenbauten.
Hinweis der Redaktion
Hier ein Artikel, den die Mieter:innen des ebenfalls betroffenen Hauses in der Kameruner Str.55 geschrieben haben.
Der Text stammt aus der Weddinger Allgemeinen Zeitung, der gedruckten Zeitung für den Wedding. Geschrieben wurde er von Andrei Schnell. Wir danken dem RAZ-Verlag.