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Von türkischen Glücksritterinnen

9. Dezember 2021
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Ab wann ist jemand ein rich­ti­ger Ber­li­ner oder ein ech­ter Wed­din­ger? Muss er hier gebo­ren sein? Soll­te er in der Haupt­stadt oder im Wed­ding auf­ge­wach­sen sein, mehr als 20 Jah­re hier leben oder kommt es auf die Ein­stel­lung an? Die neue Son­der­aus­stel­lung im Mit­te Muse­um betrach­tet die Fra­ge des Dazu­ge­hö­rens und der Her­kunft unter einem beson­de­ren Blick­win­kel. „Ich bin aus Mit­te“ ist die Aus­stel­lung selbst­be­wusst über­schrie­ben. Gezeigt wer­den weib­li­che Zuwan­de­rungs­ge­schich­ten aus der Tür­kei nach Ber­lin-Mit­te. Die Aus­stel­lung wur­de Mit­te Novem­ber eröffnet.

Gäste der Vernissage betrachten die Ausstellung im Mitte Museum
Gäs­te der Ver­nis­sa­ge betrach­ten die Aus­stel­lung im Mit­te Muse­um. Foto: Hensel

„Wenn man an Migran­ten denkt, denkt man vor allem an Män­ner, die ihr Glück suchen. Das ist nicht falsch, aber auch nicht kor­rekt“, sagt Bur­cu Argat. Des­halb kon­zen­trier­te sich die Kura­to­rin der Aus­stel­lung auf die weib­li­che Migra­ti­on. Denn oft sei­en es seit den 1960er Jah­ren die tür­ki­schen Frau­en gewe­sen, die zuerst in Deutsch­land anka­men. Die Män­ner hät­ten dage­gen oft län­ger gebraucht, um als Gast­ar­bei­ter eine Arbeit zu fin­den. Die Idee zur der Aus­stel­lung hat­te Bur­cu Argat vor einem Jahr. Mit einer För­de­rung aus dem Bezirks­kul­tur­fonds konn­te sie dann fünf Mona­te lang recher­chie­ren und „Ich bin aus Mit­te“ vorbereiten.

„Ich habe vie­les gele­sen, Bücher, Pri­vat­fo­tos gefun­den, Inter­views geführt“, erklärt die Kura­to­rin. Aus den Inter­views mit Frau­en zwi­schen 28 und 80 Jah­ren wur­den Video­por­träts, es ent­stan­den Schau­ta­feln mit Zita­ten und Foto­gra­fien vie­ler tür­ki­scher Ber­li­ne­rin­nen. Zu sehen sind Inge­nieu­rin­nen, Ärz­tin­nen, Künst­le­rin­nen, eine Haus­frau, eine Rent­ne­rin. In der Aus­stel­lung ler­nen die Betrach­ter sie­ben Frau­en ken­nen. Auf den Tafeln sind ihre Fotos zu sehen, Zita­te geben einen Ein­blick in ihre Gedan­ken über ihre Über­sied­lung nach Ber­lin-Mit­te und ihr Leben in Deutsch­land. Eine klei­ne Bil­der­se­rie unter der Über­schrift „Drei Gene­ra­tio­nen in der Frem­de“ von Dilek Yer­li­ka­ya aus Istan­bul ergänzt die Schau.

Die kleine Bilderserie „Drei Generationen in der Fremde“ von Dilek Yerlikaya
Die klei­ne Bil­der­se­rie „Drei Gene­ra­tio­nen in der Frem­de“ von Dilek Yer­li­ka­ya. Foto: Hensel

Die Aus­stel­lung ent­stand im Zusam­men­hang mit dem 60. Jah­res­tag des Anwer­be­ab­kom­mens mit der Tür­kei. Auf­grund des Abkom­mens, das 1961 geschlos­sen wur­de, kamen vie­le Men­schen als Gast­ar­bei­ter aus der Tür­kei nach Deutsch­land. Im Wed­ding ist die­se Geschich­te bis heu­te prä­gend für die Bevöl­ke­rungs­zu­sam­men­set­zung. Das Beson­de­re an der Aus­stel­lung „Ich bin aus Mit­te“ ist nicht nur die weib­li­che Per­spek­ti­ve, die sie ein­nimmt. Mit Bur­cu Argat hat sich eine Migran­tin des The­mas Migra­ti­on ange­nom­men. Es ist ein Blick aus dem Zen­trum einer Com­mu­ni­ty auf ihre eige­ne Geschichte.

Die Aus­stel­lung ist bis zum 13. Febru­ar 2022 im Mit­te Muse­um zu sehen. Der Muse­um in der Pank­stra­ße 47 ist Sonn­tag bis Frei­tag von 10 bis 18 uhr geöff­net. Der Ein­tritt ist kos­ten­frei. Die Aus­stel­lung „Ich bin aus Mit­te“ ist indes als Wan­der­aus­stel­lung kon­zi­piert. Die nächs­te Sta­ti­on steht aber noch nicht fest. Wer den Fort­gang ver­fol­gen möch­te, kann das unter www.kultur-online.berlin tun.

Dominique Hensel

Dominique Hensel lebt und schreibt im Wedding. Jeden zweiten Sonntag gibt sie hier den Newsüberblick für den Stadtteil. Die gelernte Journalistin schreibt für den Blog gern aktuelle Texte - am liebsten zu den Themen Stadtgärten, Kultur, Nachbarschaft und Soziales. Hyperlokal hat Dominique es auf jeden Fall am liebsten und beim Weddingweiser ist sie fast schon immer.

5 Comments

  1. Ich lebe seit über 50 Jah­ren im Wed­ding und bin stolz ein Wed­din­ger zu sein, mit all sei­nen Höhen und Tiefen.
    Mit­te exis­tiert für mich nur als frü­he­rer Ost­be­zirk. Bei der Bech­rei­bung wo ich woh­ne, sage ich Wed­ding und wenn ich nach Tier­gar­ten oder Mit­te fah­re, dann mei­ne ich auch die­se Bezir­ke. Die­se Ein­spa­rungs­maß­nah­me des Senats, zur Zusam­men­le­gung der Bezir­ke, war für mich / ist für mich ein gro­ßer Schwach­sinn, weil ein Bezirks­amt Mit­te, sich nie­mals so inten­siv um einen Bezirk enga­gie­ren wird wie zum Bei­spiel ein indi­vi­du­el­les Bezirks­amt Wed­ding. Auch die­se neu­en Kiez­pol­ler, sind für mich das letz­te, genau­so wie die geplan­te Park­raum­be­wirt­schaf­tung im Sol­di­ner Kiez. Es geht bei die­ser Poli­tik, aus mei­ner Sicht, nur noch um die Ver­drän­gung des Autos, kos­te es was es wolle.

  2. Hal­lo

    Wed­ding ist für mich nicht Mit­te… Mit­te ist ein Ver­wal­tungs­kon­strukt wegen der Zusam­men­füh­rung der Bezirke
    Bin in Moa­bit groß gewor­den … ist für mich auch nicht Mitte
    War­um sagen sie es nicht Herr J Schmitz … ist es ihnen pein­lich ? unangenehm ?

  3. „Ich bin aus Mit­te“ – die­sen Satz sage ich auch fast immer!
    Obwohl dort woh­nend, ver­mei­de ich es doch zumeist, im Gespräch mit ande­ren Ber­li­nern dar­auf hin­zu­wei­sen, dass ich aus dem Wed­ding kom­me. Bes­ten­falls erwäh­ne ich in der heu­ti­gen Zeit noch, dass ich in der Nähe des RKI bin – und das muss reichen!

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