Sie sind jung, talentiert, kommen aus Frankreich und wohnen im Wedding. Zwei Musiker haben diesen Teil Berlins zu ihrem Wohn- und Schaffensort auserkoren.
Franz Geil übersetzt das beste der französischen Musik ins Deutsche. Serge Gainsbourg, Françoise Hardy, Joe Dassin und natürlich France Gall – er hat sie alle im Repertoire und überzeugt mit Witz und Charme. Amalia González singt freche Lieder auf Französisch und auf Deutsch und tritt zusammen mit ihrer kleinen Band, bestehend aus Cellistin und Kontrabassspieler auf. Am letzten Mittwoch sind die beiden gemeinsam aufgetreten, natürlich im Wedding. Vor dem Auftritt in der gemütlichen Kugelbahn treffe ich die beiden Musiker zu einem kleinen Plausch und konnte einiges aus dem Leben der jungen Musiker erfahren.
Was treibt zwei junge Musiker also in den Wedding, möchte ich wissen. „Das Leben hat mich hierher verschlagen“ berichtet Amalia, die seit 11 Jahren im Wedding lebt. Mittlerweile wohne Sie auch gerne hier, vor ein paar Jahren sei das noch anders gewesen. Aber es tue sich was im Wedding, der Bezirk öffne sich kulturell – man könne viel mitmachen, mitwirken und verändern. Veranstaltungen wie das Wedding Kulturfestival zeigen die Offenheit und das Potential das im Bezirk steckt – “Es macht mir Spaß, ein Teil davon zu sein”, sagt sie. Franz Geil, der mit bürgerlichem Namen Antoine Léchevin heißt, wohnt erst seit Kurzem im Wedding. „Prenzlauer Berg ist vorbei“, sagt der junge Musiker. Der Wedding sei so, wie Ostberlin vor ein paar Jahren war. Es gibt schöne Bars, lockere Leute, eine entspannt-kreative Atmosphäre. Das gefalle ihm sehr.
Ob der Wedding als Inspiration für die Musik dienen würde, frage ich. Für Franz Geil ist es eher die Stadt an sich. Amalia sagt, dass sie die Menschen hier schon inspirieren würden, einige hätten ein hartes Leben.
Mich interessiert nun, wie es zu der Idee eines gemeinsamen Auftrittes kam. Kannte man sich schon vorher? Die französischen Musiker in Berlin kennen sich alle untereinander, berichtet Amalia. Man beobachte die anderen, ginge zu den Auftritten, komme ins Gespräch. So habe sich eine Freundschaft zwischen den beiden entwickelt und damit auch die Idee von gemeinsamen Auftritten. Zusammen mit anderen Musikern im Wedding habe man auch das Projekt „Melodie Wedding“ ins Leben gerufen – als musikalische Parallele zur Kunstinitiative „Kolonie Wedding“. Beim Quartiersmanagement fragte man bezüglich einer Finanzierung an – leider erfolglos. Aber man wolle trotzdem weiter machen und das Netzwerk der Weddinger Musiker weiter ausbauen und gemeinsam Musik machen.
Vor dem Auftritt möchte ich noch wissen, was das Publikum erwarten kann. „Natürlich das beste der französischen Chansons auf Deutsch“, lässt Franz Geil verlauten. Falle die liebliche französische Sprache erst einmal weg, wirken viele als harmlos wahrgenommene Songs schockierend oder amüsant. Amalia möchte die Leute überraschen. Menschen hätten eine bestimmte Idee im Kopf, wenn sie auf ein französisches Konzert gehen und sie mache „was anders“. Brave französische Musik gäbe es hier nicht.
Während unseres Gesprächs hat sich der anfangs leere, gemütliche Gastraum der Kugelbahn mit Gästen gefüllt. Es wird gelacht, getrunken, geplaudert. Als dann alle Instrumente gestimmt sind, begibt man sich in das Untergeschoss, wo der Auftritt stattfindet. Franz Geil macht den Anfang. Im schummrigen Licht und der gemütlichen Atmosphäre kommt sein französischer Charme ganz besonders gut zur Geltung. Spätestens beim Song „Unter den Linden“, der Übersetzung von „Champs Elysées“ von Joe Dassin schwenken alle ihr Glas Wein in Glückseligkeit. Dann betritt Amalia González die Bühne, die mittlerweile ihr Erkennungsmerkmal, die grüne Perücke, trägt. Zusammen wird nun eine Übersetzung von “Bonnie and Clyde” von Serge Gainsbourg gesungen – einfach zauberhaft. Amalia und ihre Band spielen im Anschluss ein paar ihrer eigenen Songs, ein paar französische, ein paar mit deutschem Text, mit lauten und leisen Tönen. Aber immer mit Schwung, viel Gefühl und Witz. Très charmant!
Wer seine Ohren und Augen selbst einmal in Entzückung versetzen will oder sich ein Bild von der Weddinger Musikszene machen möchte, hat zum Beispiel am Samstag, den 15. Dezember bei “MICHELE – Feinkost & Fremdsprachen” eine gute Gelegenheit. Dort werden die beiden Musiker zusammen mit anderen Sängern des Projektes Melodie Wedding auftreten. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall!
Autorin: Karolin Hagendorf
Website von Amalia Gonzalez
Melodie Wedding
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