Passanten wundern sich, Radfahrer drehen ihre Köpfe und schauen beim Vorbeifahren staunend auf die Verkehrsinsel vor dem Gleimtunnel. Auf der Gleim-Oase stehen viel mehr Menschen als üblich und eine Fernsehkamera filmt sie. Mitten in dem kleinen, fast 30 Jahre alten Park ist am Montag (3.11.) ein Schild zur Geschichte der Verkehrsinsel enthüllt worden. Das Schild wird bis zum 11. November zu sehen sein.
Die große Aufmerksamkeit für die zeitlich begrenzte Aktion erklärt sich nicht auf den ersten Blick. Aber dass eine Bezirksstadträtin, das Amt für Umwelt und Natur, viele Kiezläufer aus Mitte, Anwohner aus dem Kiez, Bezirkspolitiker, Journalisten und sogar ein Fernsehteam ins Brunnenviertel gekommen sind, hat gute Gründe. Ein Grund ist, dass sich die Gleim-Oase direkt an der ehemaligen Berliner Mauer befindet und in den Rahmen der Feierlichkeiten zum Mauerfalljubiläum passt. Bezirksstadträtin Sabine Weißler hob bei der Enthüllung des Schildes deshalb auch die besondere der Gleim-Oase hervor: „Das ist ein besonderer Platz. Schließlich hat sich nicht in allen Sackgassen an der Mauer so etwas gebildet: Es ist ein Ort des Zusammenkommens. Um die Lebensqualität zu erhalten, braucht man solche Orte.“
Die Gleim-Oase, das sind 530 Quadratmeter Stadt. Ein Skulpturenpark, der offiziell Straßenland ist, 1985 gestaltet nach Plänen den Künstler- und Architektenpaares Alessandro und Erdmute Carlini. In den 90er Jahren wurde die Gleim-Oase vergessen und wucherte zu. Im Jahr 2010 legten die damaligen Kiezläufer Dunja Berndt und Holger Eckert die Verkehrsinsel frei, fanden Skulpturen, Tische, Stühle. Seitdem kümmern sie sich als Paten darum, pflegen die Beete, laden zu Lesungen, Ausstellungen und Brunches ein.
Ein weiterer Grund für die Aufmerksamkeit ist die Lage am Mauerpark. Weil auf der Erweiterungsfläche nördlich des Gleimtunnels ein umstrittenes Neubaugebiet entstehen soll, ist die Zukunft der Verkehrsinsel unsicher. Wahrscheinlich muss sie der geplanten Auffahrt zum neuen Quartier weichen. „Die Gleim-Oase hat einen großen Stellenwert und wir müssen sehen, wie wir sie in die neue Zeit retten können“, formulierte es Bezirksstadträtin Weißler, die für Soziales zuständig ist. Doch viel mehr als das Schild zu enthüllen, den beiden Paten Mut zu machen und mit dem zuständigen Stadtrat Carsten Spallek zu sprechen, kann sie nicht tun – Stadtentwicklung gehört nicht in ihr Ressort.
Dass so viele zu der Enthüllung des Schildes gekommen sind, hat vor allem aber damit zu tun, dass Dunja Berndt und Holger Eckert keine fünf Meter vor dem Gleimtunnel seit fast fünf Jahren zeigen, was man mit unermüdlichem Bürgerengagement erreichen kann und wie man die Nachbarn in ein Projekt einbindet. Mit sehr viel Hingabe kümmern sie sich um den Minipark, ohne Mittel für die ungezählten Stunden, die Grünpflege oder ihre Veranstaltungen in Anspruch zu nehmen.
An den Protesten der verschiedenen Bürgerinitiativen gegen das geplante Wohngebiet beteiligen sie sich nicht. „Wir hoffen, dass es nicht kommt“, ist alles, was Dunja Berndt dazu sagt. „Wir sagen unsere Meinung und hoffen, dass die Gleim-Oase auch für andere erhaltenswert ist. Alles andere überlassen wir den Fachleuten.“
Zum ersten Mal haben die Paten jetzt aber doch Geld erhalten. Die Conrad-Stiftung „Bürger für Mitte“ hat 1500 Blumenzwiebeln bezahlt, damit Winterlinge, Tulpen und Narzissen im kommenden Frühling die Verkehrsinsel erblühen lassen. Das Schild indes, das in der Mitte der Gleimstraße nur ein paar Tage über die Geschichte der besonderen Verkehrsinsel informiert, wird im kommenden März in einer Ausstellung über die Gleim-Oase im Rathaus Mitte zu sehen sein.
Text + Fotos: Dominiqu Hensel