Wegwerfen statt Reparieren - im Kleinen wie im Großen. Das nächste Beispiel für die Wegwerf-Mentalität der öffentlichen Hand ist die Jugendverkehrsschule Gottschedstraße. Nachdem sie jahrelang nicht gepflegt wurde, sei eine Sanierung nun nicht mehr wirtschaftlich, sagt der Bezirk. Am Montag (11.12.) werden die Neubaupläne vorgestellt.
Wie ein alter Verkehrsturm aus der Frühzeit des Autozeitalters schwebt der Seminarraum der Jugendverkehrsschule auf zwei Stahlbeinen über dem Platz. Wer hier am Fenster steht, kann die gesamte Übungsanlage überblicken, auf dem zumeist Schüler die Verkehrsregeln für Fahrradfahrer üben. Aus Sicht der Betreiber steht das Häuschen aber am falschen Fleck. Jetzt ist der Abriss beschlossen. Mit der Vorplanung eines neuen Gebäudes in nachhaltiger Bauweise wurde begonnen. Nähere Informationen zu den konkreten Plänen gibt es bei einer Veranstaltung im Büro des Quartiersmanagements Pankstraße in der Prinz-Eugen-Straße 1. Am kommenden Montag, 11. Dezember, wird das Neubauprojekt ab 17 Uhr vorgestellt. Bei der Versammlung "sollen Hinweise, Beiträge, Anregungen und Wünsche von Mitbürgern aufgenommen und zusammengetragen werden", heißt es auf der Beteiligungsplattform Mein Berlin. Dort können Anregungen auch online abgegeben werden. Gefragt sind Meinungen "zu den weiteren Angeboten und Nutzungen der Verkehrsfreifläche und des künftigen Gebäudes".
Von der Idee, die Gebäude der Verkehrsschule abzureißen, hatte die Weddinger Allgemeine Zeitung bereits im Juni berichtet. „Sanierung macht keinen Sinn″, hatte Joachim Hampel, Geschäftsführer der Wendepunkt gGmbH, vor gut einem halben Jahr gesagt. Die Wendepunkt gGmbH kümmert sich seit Anfang 2018 um das Gelände. Eigentümer des rund 2.200 Quadratmeter großen Grundstücks ist der Bezirk. Joachim Hampel empfahl, zuerst ein neues Gebäude und eine neue Wegelandschaft zu bauen und anschließend das bestehende Gebäude mit Schulungsraum, Werkstatt und Toiletten abzureißen. Einen Antrag auf Fördergelder hatte er beim Quartiersmanagement Pankstraße formuliert. Die Probleme des Gebäudes sind eine defekte Heizung, eine leistungsschwache Elektrik, rostende Stelzen, eine nicht winterfeste Wasseranlage. Die Wege auf dem Freigelände sind wellig. Und „sie bilden nicht die aktuelle Verkehrssituation ab″, sagte Joachim Hampel. Zum Beispiel gibt es keine Radspuren.
Bislang wurde die Jugendverkehrsschule von drei bis vier Schulklassen pro Tag besucht, sagt Geschäftsführerin Karin Al-Shraydeh. 20 Grundschulen liegen im Einzugsbereich der Gottschedstraße. In den Ferien nutzten die Anlage Kitas für Pedaltraining. Nach dem Umbau sollen nicht nur Kinder ihre Runden drehen. "Darüber hinaus soll das Konzept der Jugendverkehrsschule so weiterentwickelt werden, dass mit neuen Angeboten weitere Zielgruppen erreicht werden", heißt es auf der Plattform Mein Berlin zu dem Projekt. So könne sich das Gelände zu einem vom Schulbetrieb losgelösten Bildungs- und Nachbarschaftsort entwickeln. Die Anlage könne sich öffnen für Angebote wie offene Reparaturwerkstätten und es könnte Veranstaltungsräume geben.
Gebaut wurde die Jugendverkehrsschule in der Gottschedstraße Mitte der 1970er Jahre. In Berlin gibt es 25 solcher Anlagen, im Bezirk Mitte gibt es zwei. Verkehrserziehung ist in Deutschland seit 1930 Bestandteil des Schulunterrichts. In Berlin fordert das Berliner Schulgesetz seit dem 1. August 2016 verpflichtend Jugendverkehrsschulen. In den letzten Jahren hat sich der Trend entwickelt, dass Verkehrsschulen auch Erwachsenen ein Angebot machen. So richten sich Kurse zum Erlernen des Fahrradfahrens oder Sicherheitstrainings der Polizei an alle Bevölkerungsschichten.
Nachtrag am 8.12.: Mich erreicht die Nachfrage, was ich mit Wegwerfmentalität meine. Hier eine Auswahl: Abriss Parkcafé Rehberge vom Denkmalschutz gestoppt, wird nun zum Glück von einer Bürgerinitiative saniert. Abriss ExDiesterweg-Gymnasium im Brunnenviertel vom Denkmalschutz gestoppt, verrottet nun. Abriss Haus der Gesundheit in der Reinickendorfer Straße. Pläne Abriss der vom berühmten Werner Düttmann geplanten Seniorenanlage Schulstraße 97. Abriss der ehemaligen Passierscheinstelle Maxplatz. Geplanter Abriss von Teilen der Ernst-Reuter-Schule, die nicht unter Denkmalschutz stehen. Das Argument, diese Gebäude sind nicht mehr sanierbar, funktioniert, weil diese Gebäude jahrzehntelang nicht gepflegt wurden. Deshalb mein Fazit: Der Bezirk wirft Gebäude lieber weg, als dem Bestand Respekt zu zollen.
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Liebe Dominique,
danke für deinen Kommentar.
Natürlich bleibt die Kindheits-Erinnerung vorhanden. Keine Frage. Es war eher so ein genereller Seufzer von mir.
Ich hoffe sehr, dass die Kinder schnell ein neues Haus zur Verkehrserziehung erhalten.
Leider bin ich im Moment tatsächlich etwas frustriert ob der vielen Gebäude, die im Wedding nicht mehr genutzt werden und zum Teil verfallen. Zur Diesterweg Schule kommen das Schillercenter Ungarn Ecke Müllerstraße und wahrscheinlich ja auch das Karstadt Gebäude dazu. Wie sieht es eigentlich mit dem Gelände des ehemaligen Himmelbeets in der Schulstraße aus? Ein Fußballplatz ist schon entstanden aber sollte da nicht auch ein Jugendhaus (Safe-Hub - Bildungs- & Sportzentrum) entstehen? Ich muss ehrlich sagen, ich laufe dort so oft vorbei, ich weiss jedoch nicht, wie weit die Baumaßnahmen sind.
In der Reinickendorfer Straße entsteht auf jeden Fall die neue Schule in flottem Tempo. Da ist der Baufortschritt ersichtlich.
Ich wünsche dir einen schönen Vorweihnachtstag,
liebe Grüße von Susanne
Nicht nur „dem Bestand Respekt zollen“ sondern auch unserer Umwelt: „ Es geht dabei nicht nur um große Mengen Schutt, die vielfach auf Deponien gekippt werden, sondern auch um CO₂-Ausstoß und Ressourcen. Schließlich ist das, was die Abrissbirne zerstört, einst mit hohem Material- und Energieeinsatz produziert worden.“-SZ 18.7.21
Danke für die Ergänzung.
Eine der wenigen noch bestehenden Stätten unserer Kindheit wird damit verschwinden! Dabei wäre eine gute Verkehrserziehung schon der kleinsten bitter notwendig!
Lesen Sie den Text gerne noch einmal: Die Anlage soll mitnichten verschwinden. Sie soll lediglich modernisiert werden.
Tut mir sehr leid, dass ihre Kindheit nur aus der Jugendverkehrsschule bestand. Ich habe im Wedding viele weitere Erinnerungsorte meiner Kindheit abseits der gestelzten Barracke.
Schade, dass es nicht ohne Spitze ging. Der erste Satz hätte ausgereicht und nicht für schlechte Stimmung gesorgt. Ich finde, grummelig geht es von allein zu; um so wichtiger, auf die Menschen guten Mutes zuzugehen.
Mir geht dieses ständige unreflektierte Gemecker der Pisterin mega auf den Keks und da halte ich gerne dagegen. Irgendwas neues soll gemacht werden, Geblubber früher war alles besser nichts dürfen wir mehr denkt denn keiner an die Kinder!!1!111!!!! und der Text wurde nicht mal gelesen. Spitzen gegen diese Ablehnung jeglicher Entwicklung gibts von mir gerne jederzeit im 10er-Pack.
Hallo René, ich kann verstehen, dass das so grundsätzlich nervt. Aber in dem Fall schießt Du übers Ziel hinaus. Wir kennen die Kommentatorin, die Du hier anschießt, sehr gut. Sie ist sogar eine unserer Autorinnen und sie liest fast jeden Text, der bei uns erscheint. Unabhängig davon, möchten wir, dass hier auf dem Blog auch in den Kommentaren ein respektvoller Umgangston herrscht. Bitte halte Dich daran, denn Respektlosigkeit nervt halt auch (zumindest uns).
Ich habe wohl zur Kenntnis genommen, dass die Anlage nicht verschwinden, sondern neu entstehen soll. Es stellt sich nur die Frage, wann! Ich möchte hier auf den Nachtrag von Andrei Schnell verweisen.
Liebe Susanne, auch wenn die Jugendverkehrsschule ja nicht verschwindet, weiß ich, was Du meinst. Es verbinden sich Erinnerungen mit ihr, so wie sie ist. Zum Glück bleiben die Kindheitserinnerungen, auch wenn die nächste Generation ein neues Haus bekommt.
Ich habe wohl zur Kenntnis genommen, dass die Anlage nicht verschwinden, sondern neu entstehen soll. Es stellt sich nur die Frage, wann!
Ich möchte hier auf den Nachtrag von Andrei Schnell verweisen.