Zum letzten Mal in diesem Jahr geht es am 20. Oktober unverblümt auf Kulturexpedition durch den Wedding. Anlässlich der Frankfurter Buchmesse und weil Herbstzeit generell Bücherzeit ist, haben wir diesmal gleich zwei Lesungen im Programm. Aber natürlich gibt es wie immer auch Live-Musik und als kleines Bonbon eine Führung durch die aktuelle Ausstellung von Nika Fontaine. Der Eintritt ist wie immer frei!
Station 1: Kleine Bar
Los geht‘s um kurz vor sechs in der „Kleinen Bar“ in der Hochstraße, unweit vom S‑Bahnhof Humboldthain. Von Anfang an mit dabei und normalerweise hinterm Mischpult, wird Tontechniker Günter aka Bad Man „G“ heute mal selbst auf der Bühne stehen. In der Kleinen Bar, die mindestens so gemütlich ist wie das eigene Wohnzimmer, weiht er in die Geheimnisse des „Fingerstyle Jazz“ ein. In New York, wo er lange lebte, hat er sich diese Technik angeeignet. Der Daumen ist für den Rhythmus zuständig und spielt wechselnde Bass-Loops, während die anderen Finger die Melodie übernehmen. Ihren Ursprung hat die Fingerstyle-Technik im späten 19. beziehungsweise frühen 20. Jahrhundert, als südamerikanische Bluesmusiker versuchten, den Wechselbass der damals populären Ragtime-Klavier-Musik auf die Gitarre zu übertragen.
Station 2: Geigenbauerwerkstatt
Weiter geht es dann zu den Gerichtshöfen in die Geigenbauwerkstatt von Andreas Kägi. Dort warten nicht nur interessante Einblicke in den Arbeitsalltag eines doch eher ungewöhnlichen Berufs, sondern auch eine Lesung von Theresia Enzensberger, der Tochter des „Überintellektuellen“ Hans Magnus Enzensberger.
Theresia studierte Film und Filmwissenschaft am Bard College in New York und schreibt als freie Journalistin unter anderem für ZEIT Online, FAZ und Monopol. Seit 2014 verlegt sie das vielfach preisgekrönte BLOCK Magazin, ein Potpourri aus Essays, Reportagen und Texten. Nun hat sie mit „Blaupause“ ihren ersten Roman veröffentlicht. Blaupause erzählt von der jungen Berlinerin Luise Schilling, die sich 1921 an der Bauhaus-Kunstschule in Weimar einschreibt, um Architektur zu studieren. Es geht um Anerkennung und Sexismus, Kommunismus und Avantgarde, Träume und Ideen in einer Zeit zwischen zwei Weltkriegen – und natürlich um Liebe. In der Vergangenheit und mitten im Jetzt.
Station 3: PURPLE Contemporary Space
Die nächsten beiden Orte der kleinen Tour befinden sich in den sogenannten „Panke-Höfen“, einer alten Fabrik in der Gerichtstraße 23. Im Hof V, neben dem Panke Club, befindet sich im ersten Stock die Galerie PURPLE Contemporary Space von Michael Watkins. Derzeit sind dort Malereien der kanadischen Künstlerin Nika Fontaine zu sehen. Ihre Ausstellung trägt den Namen „Akasha“. In der tradititionellen indianischen Kosmologie bedeutet dies Himmel oder Himmelsraum und ist neben Feuer, Wasser, Wind und Erde das fünfte Element. Akasha ist der Raum zwischen und in allen Dingen, wo das Licht leuchtet und entsteht. Jedes Gemälde ist eine Momentaufnahme des fortlaufenden Lebenstanzes auf einer spirituellen Ebene. Besucher sollen dazu ermutigt werden, hinter die Kunst in einen (sinnbildlich) unbekannten Raum zu schauen.
Nach einer Führung durch die Ausstellung inklusive Künstlergespräch wartet schon der nächste Programmpunkt: Stefan Etgeton und sein Roman „Das Glück meines Bruders“. Der zweite Roman des Wahl-Weddingers erzählt von einem Trip in die Vergangenheit im Sommer 2010. Botho, der Ich-Erzähler des Romans, sein Bruder Arno und dessen Freundin Anja fahren zusammen ins belgische Örtchen Doel, wo die Brüder bei ihren Großeltern regelmäßig die Sommerferien und Weihnachtsfeste ihrer Kindheit und Jugend verbracht haben. Das Dorf liegt unweit des gleichnamigen Pannen-Kernkraftwerks und gleicht einem Geisterdorf, da der Ort bald schon der Hafenerweiterung weichen muss. Die Tage in Doel bringen die Brüder einander näher, reißen aber auch alte Wunden wieder auf.
Station 4: Secret Place
Melancholisch-beschwingt geht es dann zum letzten Ort der Oktober-Kulturexpedition. Unverblümt kehrt quasi zurück zum Anfang und schließt den Kreis. Denn im September 2015 fand die Auftaktveranstaltung für die Kultur- und Konzertreihe im Garten des Panke-Clubs statt, bei strahlendem Sonnenschein mit tollen Bands und vielen fröhlichen Besuchern. Da die Nächte nun schon ziemlich lang sind und auch kalt, findet das Konzert der Band Nearest Gas Station natürlich drinnen statt – mit Blick auf den Garten. Mehr zum Raum wird nicht verraten, folgt der unverblümt-Blume und lasst euch überraschen!
2015 haben sich auch die drei Bandmitglieder Gabriela Ambrosio, Thomas Marshal und Jeremie Fakir bei einem Konzert der Band Beach House kennengelernt. Das Trio improvisiert und experimentiert in dunklen Gewässern zwischen Post-Punk, Krautrock und New Wave. Im Frühjahr haben sie ihr erstes Studioalbum namens Supervoid veröffentlicht. Der Bandname kommt übrigens von diesem Gefühl, das man hat, wenn man sich sicher ist, dass jeden Moment alles zusammenbrechen könnte. Ohne Benzin und total verloren im Unbekannten ist der einzige Wege zurück zur Normalität, die nächstgelegene Tankstelle zu finden.
Kommt vorbei, das unverblümt-Team hilft beim Suchen!
Zeitplan für unverblümt im Oktober 2017 (wie immer ohne Gewähr)
17.53 Uhr: Start Unverblümt Kulturexpedition #18, Kleine Bar, Hochstraße 44
18.10 Uhr: Bad Man „G“ (Fingerstyle Jazz), Kleine Bar, Hochstraße 44
18.45 Uhr: Theresia Enzensberger (Lesung), Atelier Geigenbaumeister Andreas Kägi, Gerichtshöfe, Gerichtraße 12–13, Aufgang 7, 2. Etage
20.00 Uhr: Akasha | paintings by Nika Fontaine (Ausstellung), PURPLE Contemporary Space, Gerichstraße 23, Hof V, Aufgang 6, 1. Stock
20.20 Uhr: Stefan Ferdinand Etgeton (Lesung), PURPLE Contemporary Space, Gerichstraße 23, Hof V, Aufgang 6, 1. Stock
21.00 Uhr: Nearest Gas Station (dreampop, krautrock, postpunk, new wave, psychedelic), Secret Place, Gerichtstraße 23, Hof VII, 13347 Berlin; folgt der unverblümt-Blume!
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Text: georg+georg