Nicht alle haben spitz aufragenden Türme, die das Stadtbild beherrschen. Sie sind manchmal ganz unscheinbar. Und wie alles im Wedding sind auch die Kirchen oft ganz anders als das, was man landläufig unter Sakralbauten versteht.
Die ländlichen Siedlungen rund um den Siedlungskern am Vorwerk und rund um den Gesundbrunnen besaßen keine eigenen Kirchen. Erst mit den vier um 1830 vom König gestifteten Schinkelschen Vorstadtkirchen, von denen mit der Nazarethkirche und der Paulskirche zwei im Wedding liegen, entstanden eigene Kirchengemeinden auf heutigem Weddinger Gebiet. Die Kirchen selbst waren ursprünglich turmlos und schlichte Predigtkirchen, die auf römischen Vorbildern beruhen. Daher wirken sie auch eher wie Tempel.
1865 entstand das heutige Lazarus-Haus an der Bernauer Straße/Gartenstraße. Auch eine Kapelle gehörte dazu, die heute die drittälteste Kirche im Wedding ist.
Bilder von der Kapelle am Lazarus-Haus (Danke an Th. Jeutner)
In der Kaiserzeit, als der Wedding explosionsartig auf über 300.000 Einwohner anwuchs, entstanden viele neue, oft repräsentative Kirchen wie die Dankeskirche (1884) und die Himmelfahrtkirche (1893). Beide, von August Orth entworfen, wurden im Krieg zerstört und nicht in der alten Form wieder aufgebaut. Nur die Friedenskirche in der Ruppiner Straße 28 vom gleichen Architekten (heute serbisch-orthodoxe Hl. Sava-Kirche) blieb trotz der Kahlschlagsanierung des Brunnenviertels erhalten.
Noch immer beeindruckend: die Neue Nazarethkirche (1893), die St. Sebastiankirche (1893), die Stephanuskirche (1904) sowie die beiden im Krieg teilweise zerstörte Kapernaumkirche (1902) und die Osterkirche (1912). Katholische Kirchen waren in Berlin traditionell in die Baublöcke integriert. Das gilt besonders für St. Afra an der Graunstraße (1898), St. Petrus an der Bellermannstraße (1908) und St. Joseph an der Müllerstraße (1909).
Besondere Kirchen
Die fast vollständig im Wedding liegende Versöhnungsgemeinde ließ 1965 auf der Weddinger Seite ein Gemeindezentrum errichten, nachdem ihre auf der Ostseite befindliche Kirche eingemauert worden war. Im 1. Obergeschoss befand sich der Gemeindesaal mit Blick auf die Kirche im Grenzstreifen. Heute befindet sich an dieser Stelle das Dokumentationszentrum Berliner Mauer, unmittelbar gegenüber der Gedenkstätte. 1985 wurde die Kirche, die den Grenzern im Weg stand, gesprengt. Einige Meter weiter nordöstlich wurde 2000 die Kapelle der Versöhnung als schlichter Lehmstampfbau in ovaler Form gebaut – die vielleicht ungewöhnlichste Kirche für Weddinger Gläubige. Auch an der Wollankstraße gab es eine durch die Mauer geteilte Kirchengemeinde, deren Gotteshaus ebenfalls im Osten, in Pankow, lag. Die 1962 gebaute Kirche wurde 2004 für den Bau des Netto-Supermarkts abgerissen, nur das Gemeindehaus steht heute noch an der Wollankstraße 84–94.
Die Baptistengemeinde hat ein schlichtes, von der Straße zurückgesetztes, turmloses Gotteshaus aus Backstein in der Müllerstraße 14a. An der Usedomer Str. 11 wurde 1963 der turmlose schlichte Neubau der kriegszerstörten Augustanakirche der selbständigen evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde eröffnet. Am Lazarus-Haus in der Bernauer Straße befindet sich die Keimzelle dieser diakonischen Einrichtung, eine Kapelle aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Und auch im Paul-Gerhardt-Stift, ebenfalls ein Haus der Diakonie an der Müllerstraße, gibt es einen Anbau mit einem richtigen Kirchsaal. Die Stiftung der Hospitäler zum Heiligen Geist und St. Georg – fast so alt wie Berlin – hat in ihrer Seniorenwohnanlage an der Reinickendorfer Straße einen Altarraum und auch eigene Glocken.
Nachkriegskirchen
Bei so vielen zerstörten Kirchen wurden in der Nachkriegszeit einige interessante Kirchenneubauten errichtet. Die Himmelfahrtkirche wurde bis 1956 in Fertigbauweise am Südostrand des Humboldthains mit einem frei stehenden Kirchturm gebaut. Ebenfalls aus dieser Zeit stammt der Neubau der St. Aloysiuskirche am Rand des Schillerparks (Barfus-/Schwyzer Straße). Nach einem Entwurf von Fritz Bornemann entstand bis 1972 die neue Dankeskirche am Weddingplatz, ein typischer Betonbau ohne Fenster, dafür mit Fensterbändern, die Licht hereinlassen.
Als Ausgründung der Kapernaumkirche entstand die Korneliusgemeinde. 1959 war ihr Gemeindehaus mit Kindergarten entstanden, 1975 kam dann noch die turmlose Kirche an der Dubliner Straße dazu. Der quadratische Kirchenraum wird von kreuzförmigen Oberlichtern belichtet.
Friedhofskapellen
Interessant sind auch die Friedhofskapellen im Wedding. Die Kapelle auf dem St.-Elisabeth-Kirchhof II geht – wie auch das Eingangsgebäude des denkmalgeschützten Friedhofes – auf einen Entwurf des Architekten Gustav Erdmann zurück. Sie wurde 1875 – 76 errichtet, in den 1950er-Jahren im damaligen Zeitstil umgestaltet und ausgestattet.