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Umwidmung im Afrikanischen Viertel aus Anwohnersicht

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Petersallee
Foto: Andy Fiebert

In der BVV wird die CDU-Frak­ti­on am 18. Febru­ar  aber­mals ver­su­chen, den Dau­er­bren­ner Afri­ka­ni­sches Vier­tel für sich poli­tisch nutz­bar zu machen. Nach­dem 1986 schon die Peter­s­al­lee umge­wid­met wur­de, sol­len nun also wei­te­re Umwid­mun­gen auf der hie­si­gen Agen­da lan­den. Wie sich aller­dings geschichts­klit­tern­de Umwid­mun­gen von Stra­ßen­na­men mit dem zuvor beschlos­se­nen post­ko­lo­nia­len “Lern- und Erin­ne­rungs­ort Afri­ka­ni­sches Vier­tel” ver­tra­gen sol­len, das ver­rät die Frak­ti­on nicht.

So, wie die nach dem Ras­sis­ten und Kolo­nia­lis­ten Carl Peters von den Natio­nal­so­zia­lis­ten benann­te Peter­s­al­lee 1986 auf dama­li­gem Anwoh­ner­wunsch umge­wid­met wur­de und heu­te an den gleich­na­mi­gen NS-Wider­ständ­ler Hans Peters erin­nern soll. So sol­len nun unter ande­rem auch der nahe­ge­le­ge­ne Nach­ti­gal­platz sowie die Lüde­ritz­stra­ße umge­wid­met werden.

Der Nach­ti­gal­platz soll künf­tig also an den Theo­lo­gen Johann Carl Chris­toph Nach­ti­gal erin­nern, die Lüde­ritz­stra­ße hin­ge­gen an die gleich­na­mi­ge Stadt Lüde­ritz im heu­ti­gen Nami­bia. Dass es Franz Adolf Lüde­ritz war, der mit ille­ga­len Mit­teln 1883 just dort, im ehe­ma­li­gen Deutsch-Süd­west­afri­ka Land neh­men ließ, um es zur deut­schen Kolo­nie zu machen, dass die Stadt heu­te noch immer aus­ge­rech­net nach ihm benannt ist, all das macht eine Umwid­mung nicht unbe­dingt nachvollziehbarer.

Umwidmung als Weg des geringsten Widerstands

Die Dauerkolonie Togo wurde "wild" umbenannt
Wil­de Umbe­nen­nung im Jahr 2011
In die­sem Zusam­men­hang wird es eben­falls beson­ders span­nend zu beob­ach­ten sein, wie der seit eini­ger Zeit schon heiß dis­ku­tier­te “Dau­er-Klein­gar­ten­ver­ein Togo e.V.” dar­auf reagie­ren wird, dass nun auch ihre Wege unter ande­rem nach togo­le­si­schen Städ­ten benannt wer­den sollen.

Genau dort liegt wahr­schein­lich auch das eigent­li­che Pro­blem. Vie­le Anwoh­ner des Afri­ka­ni­schen Vier­tels sind des The­mas Stra­ßen­um­be­nen­nung ins­ge­samt schlicht über­drüs­sig. Es wur­de schon so viel dar­über gespro­chen, pas­siert ist aber nie etwas. Eine Umwid­mung kann hin­ge­gen ganz geräusch­los von­stat­ten gehen und kann somit getrost als der Weg des gerings­ten poli­ti­schen Wider­stands betrach­tet werden.

Wie die Afri­ka­ni­sche Com­mu­ni­ty zu den neu­er­li­chen Ver­su­chen, kolo­nia­les Erbe umzu­deu­ten steht, ist übri­gens nicht über­lie­fert. Seit Jah­ren schon wer­den beson­ders sei­tens der Com­mu­ni­ty mehr Infor­ma­ti­ons­ta­feln im Vier­tel gefor­dert. Seit Jah­ren schon geht es, wenn über­haupt, nur müh­sam voran.

Wer umwidmet, will sich nicht erinnern

Eine Infotafel gibt es bereits an der Müller-/Otawistr.
Eine Info­ta­fel gibt es bereits an der Mül­ler-/Ota­wistr.

Umwid­men, gleich­zei­tig aber an die Geschich­te erin­nern. Nicht rück­wärts­ge­wandt den­ken oder aus­schließ­lich auf deut­sche Kolo­ni­al­ge­schich­te rekur­rie­ren. So will es die CDU-Frak­ti­on. Ist das nicht aber ein Wider­spruch? Dar­über hin­aus auf moder­ne Ent­wick­lun­gen afri­ka­ni­scher Län­der, beson­ders Nami­bi­as ver­wei­sen. So stellt man sich, ja, was eigent­lich, vor? Erin­ne­rung? Geden­ken? Ler­nen? Nichts von alle­dem scheint mit Stra­ßen­um­wid­mun­gen wahr­schein­lich. Wer umwid­met, will nicht geden­ken – da hilft auch kein Fei­gen­blatt in Form einer Informationstafel.

Am Ende der, von der CDU ein­ge­brach­ten Druck­sa­che mit dem Titel “Ände­run­gen zur Wür­di­gung, bzw. des Geden­kens durch Stra­ßen-/Platz­na­men im Afri­ka­ni­schen Vier­tel des Bezirks Mit­te von Ber­lin” heißt es dann auch pas­send wie entlarvend:

“Die Umwid­mung des Geden­kens greift die bewähr­te Vor­ge­hens­wei­se dem Jah­re 1986 bezüg­lich der Peter­salle aus auf..” (sic!)

Die­se For­mu­lie­rung las­se man sich auf der Zun­ge zer­ge­hen, bevor man sie mög­lichst weit wie­der von sich gibt..


Alle wei­te­ren Infor­ma­tio­nen, sie­he Druck­sa­che 2568/IV unter: http://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/vo020.asp?VOLFDNR=7195

2 Comments

  1. In Wind­hoek wird deut­sche Kolo­ni­al­ge­schich­te unter dem Titel „1884 to 1915- an artis­tic posi­ti­on“ bis zum 12. März 2016 in der Natio­nal Art Gal­lery of Nami­bia in Wind­hoek zu sehen sein. Künst­ler aus Nami­bia und aus Deutsch­land zei­gen Arbei­ten, „wie man mit dem deut­schen Kolo­nia­lis­mus, sei­ne Ver­bre­chen und die Ver­let­zun­gen, die er bis heu­te hin­ter­las­sen hat, umge­hen kann.“
    Hier unter die­sem Link erfahrt ihr im Kunst­fo­rum Inter­na­tio­nal mehr darüber.
    http://kunstforum.de/nachrichten.aspx?id=11441

  2. Grund­sätz­lich ist es miss­lich, wenn die­se Dis­kus­si­on wei­ter an Par­tei­li­ni­en geführt wird. In der Tat ver­sucht da jede Frak­ti­on, das Gesche­hen für die eige­nen Ambi­tio­nen nutz­bar zu machen. Das führt in der Tat zu den immer wie­der­keh­ren­den Dis­kur­sen “Pro/Contra”, ohne dass erkenn­bar wäre, dass nach all den Jah­ren mal der Zeit­punkt gekom­men ist, dass par­tei­ÜBER­GREI­FEND eine Lösung gefun­den wird, mit der man in Frie­den leben kann.

    Aber bit­te: Es GIBT KEINE homo­ge­ne “Afri­ka­ni­sche Com­mu­ni­ty”. Es gibt – beson­ders auch im Kiez – einen sehr hete­ro­ge­nen Anteil afri­ka­nisch­stäm­mi­ger Anwoh­ner und Besu­cher. Afri­ka­ni­sche Fami­li­en, Sin­gles, Gewer­be­trei­ben­de, Kir­chen­ge­mein­den usw. usw. Und alle Hal­tun­gen, die man auch bei ande­ren Leu­ten fin­det, gibt es auch hier: Von Enga­ge­ment über “lais­sez fai­re” bis hin zu voll­kom­me­nem Des­in­ter­es­se (wozu übri­gens auch jeder berech­tigt ist).

    Zu behaup­ten, es gäbe eine mit einer Stim­me spre­chen­de “Afri­ka­ni­sche Com­mu­ni­ty” bewirkt genau das, was eigent­lich unbe­dingt ver­mie­den wer­den soll, näm­lich das Auf­rei­ßen von Grä­ben zwi­schen Mehr­heits­be­völ­ke­rung und äußer­lich erkenn­ba­rer Min­der­heit (frei über­setzt von “visi­ble minorities”).

    Die im Bei­trag abge­bil­de­te Info­ta­fel ist übri­gens ein schö­nes Bei­spiel, wie es lau­fen kann. Erst eine Rie­sen­de­bat­te – und jetzt haben wir eine ver­schmier­te und ver­dreck­te Luxus-Hun­de­toi­let­te, an der nicht erkenn­bar ist, dass irgend­ei­ner der Akti­vis­ten mal einen Ver­such unter­nom­men hät­te, die Inhal­te (bei­der Flä­chen) wie­der in einen prä­sen­ta­blen Zustand zu ver­set­zen. Offen­bar steht im Vor­der­grund: Fort­dau­ern­de Pro­vo­ka­ti­on und am Ende fei­xen­der Tri­umph, wenn man etwas gegen ver­meint­li­che Wider­stän­de durch­ge­setzt hat.

    Das ist dann didak­tisch genau­so am Ziel vor­bei, wie bis­her fast alles, was “erreicht” wurde.

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