In der BVV wird die CDU-Fraktion am 18. Februar abermals versuchen, den Dauerbrenner Afrikanisches Viertel für sich politisch nutzbar zu machen. Nachdem 1986 schon die Petersallee umgewidmet wurde, sollen nun also weitere Umwidmungen auf der hiesigen Agenda landen. Wie sich allerdings geschichtsklitternde Umwidmungen von Straßennamen mit dem zuvor beschlossenen postkolonialen “Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel” vertragen sollen, das verrät die Fraktion nicht.
So, wie die nach dem Rassisten und Kolonialisten Carl Peters von den Nationalsozialisten benannte Petersallee 1986 auf damaligem Anwohnerwunsch umgewidmet wurde und heute an den gleichnamigen NS-Widerständler Hans Peters erinnern soll. So sollen nun unter anderem auch der nahegelegene Nachtigalplatz sowie die Lüderitzstraße umgewidmet werden.
Der Nachtigalplatz soll künftig also an den Theologen Johann Carl Christoph Nachtigal erinnern, die Lüderitzstraße hingegen an die gleichnamige Stadt Lüderitz im heutigen Namibia. Dass es Franz Adolf Lüderitz war, der mit illegalen Mitteln 1883 just dort, im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika Land nehmen ließ, um es zur deutschen Kolonie zu machen, dass die Stadt heute noch immer ausgerechnet nach ihm benannt ist, all das macht eine Umwidmung nicht unbedingt nachvollziehbarer.
Umwidmung als Weg des geringsten Widerstands
In diesem Zusammenhang wird es ebenfalls besonders spannend zu beobachten sein, wie der seit einiger Zeit schon heiß diskutierte “Dauer-Kleingartenverein Togo e.V.” darauf reagieren wird, dass nun auch ihre Wege unter anderem nach togolesischen Städten benannt werden sollen.Genau dort liegt wahrscheinlich auch das eigentliche Problem. Viele Anwohner des Afrikanischen Viertels sind des Themas Straßenumbenennung insgesamt schlicht überdrüssig. Es wurde schon so viel darüber gesprochen, passiert ist aber nie etwas. Eine Umwidmung kann hingegen ganz geräuschlos vonstatten gehen und kann somit getrost als der Weg des geringsten politischen Widerstands betrachtet werden.
Wie die Afrikanische Community zu den neuerlichen Versuchen, koloniales Erbe umzudeuten steht, ist übrigens nicht überliefert. Seit Jahren schon werden besonders seitens der Community mehr Informationstafeln im Viertel gefordert. Seit Jahren schon geht es, wenn überhaupt, nur mühsam voran.
Wer umwidmet, will sich nicht erinnern
Umwidmen, gleichzeitig aber an die Geschichte erinnern. Nicht rückwärtsgewandt denken oder ausschließlich auf deutsche Kolonialgeschichte rekurrieren. So will es die CDU-Fraktion. Ist das nicht aber ein Widerspruch? Darüber hinaus auf moderne Entwicklungen afrikanischer Länder, besonders Namibias verweisen. So stellt man sich, ja, was eigentlich, vor? Erinnerung? Gedenken? Lernen? Nichts von alledem scheint mit Straßenumwidmungen wahrscheinlich. Wer umwidmet, will nicht gedenken – da hilft auch kein Feigenblatt in Form einer Informationstafel.
Am Ende der, von der CDU eingebrachten Drucksache mit dem Titel “Änderungen zur Würdigung, bzw. des Gedenkens durch Straßen-/Platznamen im Afrikanischen Viertel des Bezirks Mitte von Berlin” heißt es dann auch passend wie entlarvend:
“Die Umwidmung des Gedenkens greift die bewährte Vorgehensweise dem Jahre 1986 bezüglich der Petersalle aus auf..” (sic!)
Diese Formulierung lasse man sich auf der Zunge zergehen, bevor man sie möglichst weit wieder von sich gibt..
Alle weiteren Informationen, siehe Drucksache 2568/IV unter: http://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/vo020.asp?VOLFDNR=7195
In Windhoek wird deutsche Kolonialgeschichte unter dem Titel „1884 to 1915- an artistic position“ bis zum 12. März 2016 in der National Art Gallery of Namibia in Windhoek zu sehen sein. Künstler aus Namibia und aus Deutschland zeigen Arbeiten, „wie man mit dem deutschen Kolonialismus, seine Verbrechen und die Verletzungen, die er bis heute hinterlassen hat, umgehen kann.“
Hier unter diesem Link erfahrt ihr im Kunstforum International mehr darüber.
http://kunstforum.de/nachrichten.aspx?id=11441
Grundsätzlich ist es misslich, wenn diese Diskussion weiter an Parteilinien geführt wird. In der Tat versucht da jede Fraktion, das Geschehen für die eigenen Ambitionen nutzbar zu machen. Das führt in der Tat zu den immer wiederkehrenden Diskursen “Pro/Contra”, ohne dass erkennbar wäre, dass nach all den Jahren mal der Zeitpunkt gekommen ist, dass parteiÜBERGREIFEND eine Lösung gefunden wird, mit der man in Frieden leben kann.
Aber bitte: Es GIBT KEINE homogene “Afrikanische Community”. Es gibt – besonders auch im Kiez – einen sehr heterogenen Anteil afrikanischstämmiger Anwohner und Besucher. Afrikanische Familien, Singles, Gewerbetreibende, Kirchengemeinden usw. usw. Und alle Haltungen, die man auch bei anderen Leuten findet, gibt es auch hier: Von Engagement über “laissez faire” bis hin zu vollkommenem Desinteresse (wozu übrigens auch jeder berechtigt ist).
Zu behaupten, es gäbe eine mit einer Stimme sprechende “Afrikanische Community” bewirkt genau das, was eigentlich unbedingt vermieden werden soll, nämlich das Aufreißen von Gräben zwischen Mehrheitsbevölkerung und äußerlich erkennbarer Minderheit (frei übersetzt von “visible minorities”).
Die im Beitrag abgebildete Infotafel ist übrigens ein schönes Beispiel, wie es laufen kann. Erst eine Riesendebatte – und jetzt haben wir eine verschmierte und verdreckte Luxus-Hundetoilette, an der nicht erkennbar ist, dass irgendeiner der Aktivisten mal einen Versuch unternommen hätte, die Inhalte (beider Flächen) wieder in einen präsentablen Zustand zu versetzen. Offenbar steht im Vordergrund: Fortdauernde Provokation und am Ende feixender Triumph, wenn man etwas gegen vermeintliche Widerstände durchgesetzt hat.
Das ist dann didaktisch genauso am Ziel vorbei, wie bisher fast alles, was “erreicht” wurde.