Die Togostraße ist eine zwei Kilometer lange Straße, die direkt vom lauten Großstadttreiben in die Peripherie führt.
Sie beginnt an der großstädtisch-breiten Seestraße und ist dort von typischen Berliner Altbauten eingerahmt. Das ganze Viertel geht auf eine planmäßige Stadterweiterung aus der Zeit um die Jahrhundertwende zurück. Doch auch die Togostraße selbst fällt im Schachbrettmuster der Straßen des Afrikanischen Viertels durch ihre ungewöhnliche Breite auf, verfügt sie doch über einen grünen Mittelstreifen mit Bäumen, Spielplätzen und – nun ja – meist verwilderten und ungepflegten Rasenflächen. An ihrem südlichen Anfang endete auf der breiten Promenade bis 1963 sogar eine Straßenbahnstrecke.
Die Togostraße wurde 1899 nach der damaligen deutschen Kolonie Togo benannt – im Zuge der kolonialen Begeisterung im wilhelminischen Kaiserreich wurden alle Straßen im umliegenden Viertel nach solchen Orten oder Gebieten benannt. Die Togostraße ist dabei so etwas wie das Rückgrat im gesamten Afrikanischen Viertel, denn sie durchzieht schnurgerade die einzelnen Bauabschnitte – beginnend im gründerzeitlichen Berlin der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, endend in der Peripherie inmitten von 50er-Jahre-Wohnblöcken.
Besonders im unteren Abschnitt, wo es noch viele schöne Altbauwohnungen und Ladengeschäfte gibt, ist die Togostraße eine bunt durchmischte Straße mit viel Gewerbe. In Sicht- und Hörweite des Straßen- und Tramlärms der Seestraße hat sich eine kleine Modemanufaktur etabliert, die Montagehalle Berlin. Mehrere eigene Labels wie CHAKAL werden dort in kleinen Stückzahlen von Modemacherinnen produziert und verkauft. Gleich nebenan gibt es mit den Wild-Werkstätten eine Werkstattgemeinschaft aus Tischlern, Designern und Architekten. Dort hat man sich auf den Bau von hochwertigen Möbeln und anspruchsvollen Innenausbau spezialisiert. Gegenüber hatten sich zeitweise mit dem Laden Mabellevie für künstlerisch aufgearbeitete Möbelstücke und mit einem Fotoatelier ebenfalls weitere Kreative angesiedelt.
Einige Meter weiter. Die rechtwinklig querende Kameruner Straße schafft hier mit der Togostraße eine großzügige und doch überschaubare Kreuzung. In einem der Eckläden ist ein traditionsreicher Biomarkt - der älteste und für lange Zeit sogar der einzige Naturkostladen im Wedding. Mit einer Einkaufsgemeinschaft und Mitgliedern im ganzen Wedding versucht “Natürlich Bio” bezahlbare Preise für regionale und andere Bioprodukte zu erzielen. Die überfüllte Pinnwand zeigt, dass der Eckladen als Kommunikationsort für den ganzen Kiez dient. An dieser Ecke spürt man, dass die Togostraße die Keimzelle für ein urbanes, alternatives Stadtviertel ist, das hier eines Tages entstehen könnte.
Im weiteren Verlauf verliert die Togostraße rapide an städtebaulicher Qualität und wird für kurze Zeit zu einem Weg, der Fußgängern und Radfahrern vorbehalten ist. Außerdem wurde im Jahr 2014 ein aufwendig gestalteter Spielplatz mit Afrika-Bezug angelegt, der den Mittelstreifen ausfüllt. Die Freiräume, die nach dem durch den Weltkrieg gestoppten Bauboom der Kaiserzeit oder durch Bombenschäden entstanden, sind hier durch gesichtslose Wohnhäuser der Nachkriegszeit bebaut worden. Einzig die Rückfront der denkmalgeschützten Anna-Lindh-Grundschule (Guineastraße 17⁄18) mit ihrer typischen 50er-Jahre-Architektur verdient eine besondere Erwähnung, aber nur, wenn man dafür die Togostraße kurz verlässt.
Nach der Kreuzung mit der Transvaalstraße, wo man im “Kibo” zu einem Eis oder Kaffee einkehren kann, wird die Togostraße wieder zu einer richtigen Straße mit dem breiten Mittelstreifen. Hier ist sie von einheitlichen Blöcken aus den 1920er Jahren eingerahmt, die durch farbige Streifen und expressionistische Details gefallen. Allerdings sind nicht alle Gebäude saniert und so dominiert oft tristes Grau. Man kann allenfalls ahnen, dass die Wohnungen einen hohen Wohnwert besitzen dürften. Die für diese Bauperiode typische Entmischung von Wohnen und Gewerbe macht sich negativ bemerkbar: nur noch wenige Geschäfte und Kneipen haben sich hier gehalten. Doch Jashim’s Tante-Emma-Laden an der Ecke Otawistraße ist eine rühmliche Ausnahme. 2008 hat der Bangladeshi Jashim-Uddin Kazi das leerstehende Ecklokal übernommen und zu einer Mischung aus Spätkauf und Kneipe ausgebaut. Trotz Anlaufschwierigkeiten und einiger Überfälle will Jashim weitermachen: Der Laden und die Menschen im Kiez sind zu einer Ersatzfamilie für ihn geworden. Der Kiez, in dem sich nicht mehr viele Geschäfte halten können, hat mit dem Tante-Emma-Laden an der Straßenecke wieder seinen Mittelpunkt.
Mit der Otawistraße endet die Bebauung der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg endgültig. Auf beiden Seiten der Togostraße prägen jetzt sehr schlichte, balkonlose Gebäuderiegel aus den frühen 1940ern Jahren das monotone Straßenbild. Kein Geschäft, keine Kneipe – von Kiezleben kaum eine Spur. Hier wohnte traditionell das Kleinbürgertum, die kleinen Beamten und Angestellten, das die Entfernung zum “tiefen Wedding“und die Nähe zum Volkspark Rehberge schätzte. Das ist bis heute weitgehend so geblieben. In einer 100 Meter breiten Lücke zwischen den Genossenschaftsbauten beginnt auf der rechten Seite ein Querweg, der durch den Kleingartenverein Togo e.V. führt, eine ausgedehnte Kleingartenanlage, die an der Müllerstraße endet und fast den gesamten Straßenblock einnimmt.
Der Nachtigalplatz ist eine städtebaulich misslungene Freifläche aus der Nazizeit. Hier kreuzt die breite Togostraße die im 45 Grad-Winkel kreuzende Afrikanische Straße und die rechtwinklig von beiden Seiten kommende Petersallee. Daraus hat man einen rechteckigen, riesigen Platz geschaffen, dessen Ecken von höheren, einheitlich gestalteten Wohngebäuden umbaut ist. Wenn man in die Petersallee links einbiegt, gelangt man bald darauf in den schönen Landschaftspark Rehberge mit einer Freilichtbühne, die im Sommer für Open-Air-Kino genutzt wird.
Kaum als Verlängerung wahrnehmbar, geht die Togostraße auch hinter dem Nachtigalplatz weiter – der freie Blick auf die Togostraße wird nämlich von einem Gebäuderiegel verstellt, der die Straße überspannt. Der einzige Zweck dieses Laubenganghauses aus den späten 30er Jahren war es, die Aufmerksamkeit von der nördlich anschließenden Friedrich-Ebert-Siedlung abzulenken. Diese erstreckt sich zu beiden Seiten der Togostraße und kann als ein herausragendes Beispiel für das Neue Bauen der Weimarer Republik gelten. Zwar wurden die einzelnen Abschnitte 1929–31 von verschiedenen Architekten (linke Seite: Mebes/Emmerich, rechte Seite: Bruno Taut) gestaltet, jedoch hielten sich alle an bestimmte Vorgaben.
Es gibt keine durchgezogenen Blockrandbebauungen, sondern in Grünanlagen eingebettete Zeilenbauten. Die Wohnungen verfügen alle – neben einem Blick aufs Grüne – über Wintergärten oder Balkone. Auf der rechten Straßenseite sind die Wohnriegel mit markanten Kopfbauten versehen. Revolutionär – und ganz und gar nicht nach dem Geschmack der Nazis – waren die Flachdächer. Den Namensgeber Friedrich Ebert, den sozialdemokratischen Reichspräsidenten, ehrte man mit einer Plakette, die sich an der Kreuzung Swakopmunder/ Afrikanische Straße befindet. Im Dritten Reich wurde die Plakette eingeschmolzen und die Siedlung umbenannt, doch man hat das Kunstwerk wiederhergestellt. Auch hier fällt auf, dass bis auf wenige Ausnahmen kaum ein Gebäude dieser denkmalgeschützten Siedlung saniert ist, so dass man heute vom einstigen Glanz dieser städetbaulich bedeutenden Siedlung allenfalls noch etwas ahnen kann.
An der Kreuzung mit der Swakopmunder Straße endet die Togostraße, die eigentlich noch bis über den Kurt-Schumacher-Damm in Reinickendorf hinaus weitergeführt werden sollte – statt dessen findet man hier Wohnblöcke aus den 1950ern, Gewerbebauten, Kleingärten und einen Baumarkt. Vorstädtische Trostlosigkeit, in der sich jedoch eine Perle versteckt: die letzte innerstädtische eiszeitliche Düne Deutschlands, die heute auf dem Gelände des Schul-Umwelt-Zentrums (Scharnweberstraße 159 ) liegt.
Togostr.77, meine Heimat von 1949 bis1957
[…] herunter gekommenen Grünstreifen. Vieles, was den Wedding ausmacht, gibt es links und rechts der Promenade zu bewundern. Allerdings wird man ebenso konstatieren müssen: Die Promenade ist vielerorts nichts […]
[…] Marc Franzkowiak betrieb zuvor als geschäftsführender Gesellschafter den Berliner Ableger der Leipziger Galerie Irrgang in Berlin-Mitte. Seine Pläne für die Etablierung einer neuen Galerie mit speziellem Profil führten ihn in das südliche Afrikanische Viertel, wo schon seit Jahren viele Manufakturen existieren und Designer arbeiten und leben. Ob Schmuck (Anna Kiryakova), Mode (Montagehalle), Porzellan (ManuFactory), Leder (Leevenstein) und jetzt auch Möbelaufarbeitung (Mabellevie), das unaufgeregte Wohnviertel ist für Kreative gut geeignet, um sich zu vernetzen und zu etablieren. Von Anbeginn war auch der Vermieter der beiden Läden vom Konzept begeistert: als Mitglied der „Zentralkapelle“ organisierte er zur Eröffnung Anfang September 2014 ein großes Konzert – vor der Galerie – auf dem Mittelstreifen der Togostraße. […]
Könnten Sie uns die Fotos per Mail zukommen lassen? Das wäre großartig… [email protected]
Hier wurde ich 1949 geboren, Togostr. 77 unten links in dem Laden, der damals die Versicherungsagentur meines Opas beherbergte. In der großen Wohnung dahinter wohnten auch meine Eltern und ich. Damals hatte die Togostr. in der Mitte noch Straßenbahnschienen und einen Wendekreis für die Straßenbahn. Im Hinterhof, unten im Keller, hatte ein Schlosser seine Werkstatt, der auch Töpfe und Pfannen reparierte. Es gab noch viele Trümmergrundstücke, wo sich teilweise Altmetall- oder Kohlenhändler niedergelassen hatten. Sie waren auch unser Spielplatz.
Und in der Kameruner Str. gab es in einem Hinterhof einen Kuhstall, wo ich Brennholz gegen Kartoffelschalen eintauschen konnte.
Ich habe sogar noch ein Bild von meiner Einschulung mit Teilen der Togostr. im Hintergrund, wo die Straßenbahnschienen und mein Geburtshaus zu erkennen sind. Ich erinnere mich gern daran.
Über die Einsendung des Bildes aus der Togostraße würden sich sicher nicht nur wir freuen!
Hallo Herr Faust, anbei zwei Fotos aus dem Jahre 1956, dem Jahr meiner Einschulung. Das Eine hat im Hintergrund die StraÃenbahnschienen und das Andere den Eingang zu unserer Wohnung. Die Nr. 77 befindet auf dem Teil zwischen der Seestr. und der Kameruner Str. Zu meinem Bedauern gibt es die alte Müllerhalle nicht mehr, als Kinder haben wir diese geliebt und sind durch die Gänge getobt. Immer wenn ich wieder mal in Berlin war, habe ich die Müllerhalle besucht und war über den Niedergang traurig. Lieben Gruà aus Düsseldorf G.Reise
Ich hab in der Togostr. 77 auch gewohnt
[…] Aktivitäten, um die sozialräumliche und städtebauliche Entwicklung zu verbessern. Mit der Togostraße im Afrikanischen Viertel wurde ein Bereich im Afrikanischen Viertel ausgewählt, der bislang wenig […]
[…] hat einen Blick auf eine Grünfläche. Der östliche Abschnitt von der Müllerstraße bis zur Togostraße wurde von den Architekten Mebes und Emmerich geplant, während Bruno Taut die Gebäude im Gebiet von […]
[…] Artikel über die Togostraße […]
[…] kann man die fünf Saucen-Sorten auch in der Manufaktur kaufen. Und gleich nebenan, an der Ecke Togostraße, befindet sich auch einer der wenigen Bioläden im […]