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Was Anwohnende wissen sollten:
Straßenumbenennungen: Und jetzt?

13. Dezember 2022
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Die Fern­seh­ka­me­ras sind wie­der weg aus dem Wed­ding, zwei alte Stra­ßen­na­men im Afri­ka­ni­schen Vier­tel auch. Doch wie ging es für die Anwohner:innen wei­ter mit der Umbe­nen­nung ihrer Wohnadresse?

Aus Betroffenen keine Beteiligten gemacht

Eigent­lich hät­te die­ser Arti­kel mit der Aus­sa­ge „Ope­ra­ti­on gelun­gen, Pati­ent tot“ begin­nen kön­nen. Zwar tra­gen die Lüde­ritz­stra­ße und der Nach­ti­gal­platz ihre neu­en Namen Cor­ne­li­us-Fre­de­ricks-Stra­ße und Man­ga-Bell-Platz, es hat eine Fei­er mit viel Medi­en­prä­senz gege­ben und zwei Schil­der wur­den sym­bol­träch­tig ent­hüllt. Doch fehlt es im Kiez wei­ter­hin an all­ge­mei­ner Akzep­tanz für die Umbe­nen­nung, wer­den doch nur die Unan­nehm­lich­kei­ten wie die Gewöh­nung an neue Namen und Ämter­gän­ge gese­hen. Dazu haben ver­schie­de­ne Fak­to­ren bei­getra­gen, die den poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen durch­aus ange­las­tet wer­den kön­nen. Ohne Not wur­den die Anwohner:innen beim Umbe­nen­nungs­pro­zess nicht wirk­lich betei­ligt, und die Begrün­dung, war­um den Weg­be­rei­tern des Kolo­nia­lis­mus kei­ne Ehrung mehr zuteil wer­den soll, wur­de nicht deut­lich genug kom­mu­ni­ziert. Nur poli­tisch und his­to­risch Inter­es­sier­ten, Vertreter:innen der afri­ka­ni­schen Com­mu­ni­ty und amt­li­chen Wür­den­trä­gern war die Umbe­nen­nung ein wich­ti­ges Anlie­gen, für das es auch kei­ne Alter­na­ti­ven zu geben schien.

Da war es kein Wun­der, dass skep­ti­sche Anwohner:innen bei den Ent­hül­lungs­fei­ern der neu­en Schil­der buch­stäb­lich außen vor blie­ben und vom Rand aus „Pfui“ rufen konn­ten, bis die Poli­zei ein­griff und die Stö­rung der Fei­er­lich­kei­ten unter­bin­den muss­te. Wenn die Anwoh­nen­den es über­haupt mit­be­kom­men hat­ten, denn die rein deutsch­spra­chi­gen Info­zet­tel waren nicht in allen Haus­hal­ten ange­kom­men und die Pres­se­mit­tei­lung des Bezirks hat­te nur die wenigs­ten Betrof­fe­nen erreicht. Und betrof­fen sind selbst des­in­ter­es­sier­te Anwohner:innen durch­aus, denn die poli­zei­li­che Ummel­dung, neue Adress­auf­kle­ber für Aus­wei­se und Fahr­zeug­pa­pie­re sind not­wen­dig. „Bei uns hat nie­mand im Haus eine Infor­ma­ti­on bezüg­lich der Umbe­nen­nung bekom­men“, schrieb uns Johan­na, die sich aber sehr gefreut hat und stolz ist, jetzt in der Cor­ne­li­us-Fre­de­ricks-Stra­ße zu woh­nen. Aber: „Die Stra­ße lässt sich wei­ter­hin nicht über gän­gi­ge Such­ma­schi­nen oder Ein­ga­ben finden.“

Bürgeramtstermine sind leicht zu bekommen

Kiez­be­woh­ne­rin Mar­ga­re­te hat uns eben­falls ange­schrie­ben und mit­ge­teilt: „Nach nur 20 Minu­ten in der War­te­schlei­fe der Tele­fon­num­mer 115 habe ich zwi­schen den Jah­ren einen Ter­min für die Ände­rung des Per­so­nal­aus­wei­ses in der Oslo­er Stra­ße bekom­men. Mal sehen, ob mein Ener­gie­lie­fe­rant und mei­ne Bank das mit einer Mail auch so kapie­ren“, ist Mar­ga­re­te gespannt.

Auch Johan­na hat beim Bür­ger­amt über die Num­mer 115 Hil­fe bekom­men. „Die Per­son wuss­te auch sofort Bescheid und hät­te mir jeden Tag freie Ter­mi­ne dafür anbie­ten kön­nen. In der Oslo­er Stra­ße wären dafür Kapa­zi­tä­ten geschaf­fen wor­den“, so Johan­na. Anwoh­ner Rolf berich­tet, dass im Bür­ger­amt eigens ein Mit­ar­bei­ter abge­stellt wur­de, der Auf­kle­ber auf den Per­so­nal­aus­weis klebt und den Chip des Aus­wei­ses ändert. 

Einen Wer­muts­trop­fen gibt es laut Rolf aber doch. „Nach dem Ter­min ist man aber noch nicht umge­mel­det. Die Umstel­lung des Mel­de­re­gis­ters auf die neu­en Stra­ßen­na­men durch das Lan­des­amt für Bür­ger- und Ord­nungs­an­ge­le­gen­hei­ten (LABO), und damit die Ummel­dung, erfolgt erst nach der Wahl, also frü­hes­tens am 13. Febru­ar 2023, angeb­lich auto­ma­tisch. Das heißt, dass ich jetzt einen Per­so­nal­aus­weis habe, der eine Adres­se aus­gibt, die es im Mel­de­re­gis­ter nicht gibt. Auf die Dis­kus­sio­nen, die das bei mei­nem nächs­ten Kon­takt mit den Ord­nungs­be­hör­den (Ihre Papie­re bit­te..) aus­löst, freue ich mich schon“, schreibt Rolf.

Der freund­li­che Mit­ar­bei­ter habe auch davon abge­ra­ten, ein Kraft­fahr­zeug vor Ende Febru­ar 2023 umzu­mel­den, denn die Zulas­sungs­be­hör­den hät­ten die neue Adres­se bis dahin nicht im Sys­tem. Das berich­tet auch Johan­na, die einen eige­nen Ter­min für den Fahr­zeug­schein machen muss.

Auch Positives zu berichten

Viel­leicht soll­te man an die­ser Stel­le auch ein­mal berich­ten, was gut geklappt hat. Die BVG hat die Bus­hal­te­stel­le Nach­ti­gal­platz bereits am Tag der Umbe­nen­nung in Man­ga-Bell-Platz umbe­nannt, sowohl online als auch an der Hal­te­stel­le selbst. Inzwi­schen sind sowohl die alten (durch­ge­stri­che­nen) als auch die neu­en Stra­ßen­schil­der an jeder Kreu­zung auf­ge­stellt. Und das mit den Bür­ger­amts­ter­mi­nen hat schließ­lich auch unbü­ro­kra­ti­scher funk­tio­niert als von vie­len befürchtet. 

Wenn das so wei­ter geht, kann es ja viel­leicht wie­der bes­ser wer­den – mit der Kom­mu­ni­ka­ti­on und dem Agie­ren des Bezirks. Mit­ein­an­der ins Gespräch kom­men, die Betrof­fe­nen auch wirk­lich betei­li­gen und über­zeu­gen, das wär’s doch – als Idee für die nächs­te Umbe­nen­nung. Denn die steht mit der Peter­s­al­lee dem­nächst noch an.

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

3 Comments Leave a Reply

  1. Lie­ber Joa­chim Faust,
    ich wür­de ger­ne das Foto für einen Arti­kel in einer sozio­lo­gi­schen Fach­zeit­schrift nut­zen. Kön­nen Sie mir sagen, wie das Copy­right für die­ses Foto ist? Haben Sie das selbst gemacht?
    Herz­li­che Dank und vie­le Grüße!

  2. Blei­ben noch die Pro­ble­me mit der Post… Sen­dun­gen mit der neu­en Adres­se errei­chen mich nicht. Wahr­schein­lich hängt auch die Post von der offi­zi­el­len Umbe­nen­nung durch das Lan­des­amt ab. Und die kommt erst nach der Wahl. Ich kann des­halb nur davon abra­ten, die neue Adres­se vor­her bei Brie­fen oder Bestel­lun­gen anzugeben.

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