Die Stadtteilvertretung mensch.müller setzt sich für eine rasche Verbesserung der gefährlichen Verkehrssituation auf der Müllerstraße ein, beißt bei Senat und Bezirk bislang allerdings auf Granit, wenn es um eine sofortige Gefahrenentschärfung geht. Mit der Forderung nach Sofortmaßnahmen prescht das Bürgergremium jetzt vor.
Situation heute
Die Stadtteilvertretung beschreibt die gefährliche Situation so: Es gibt keinerlei Fahrradinfrastruktur auf der Müllerstraße. Radfahrende würden auf den drei Spuren je Richtung zwischen den U‑Bahnhöfen Seestraße und Wedding zwischen parkenden Autos und dicht überholenden Rasern in einer gefährlichen Position eingeklemmt. Hinzu kämen zu jeder Tageszeit Falschparkende in der zweiten Reihe. Laut Senat und Bezirk soll sich an diesem Zustand so schnell nichts ändern. Das geht zumindest aus einer Antwort auf die schriftliche Anfrage von Tobias Schulze (Linke) im Berliner Abgeordnetenhaus hervor, die zusammen mit der Stadtteilvertretung erarbeitet wurde.
Konkret wollte mensch.müller wissen, wie die Situation für den Radverkehr nach den geplanten Umbaumaßnahmen in der Müllerstraße aussehen soll. Erfreulich sei hier die Ausrichtung der Entwurfsplanung nach dem Mobilitätsgesetz – es soll ein geschützter Radweg ähnlich an der Hasenheide kommen. Da die Umbaumaßnahmen mit den notwendigen Tunnelarbeiten der BVG koordiniert werden sollen, sei jedoch mit einer extrem langen Umsetzungszeit zu rechnen. Daher ist aus Sicht der Stadtteilvertretung eine schnelle Zwischenlösung unbedingt notwendig. Der Senat überlasse die überbreite Straße im Moment gänzlich dem motorisierten Individualverkehr. „Wie das einem im Senat und auf Bezirksebene grün geführten Verkehrsressort passieren kann, ist schwer nachzuvollziehen“, sagt Norbert Schneider, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehr bei mensch.müller. Er wünscht sich sichtbare Veränderungen an der Müllerstraße.
Da mit der Fertigstellung erst in einigen Jahren zu rechnen ist, hat mensch.müller nach dringend erforderlichen Sofortmaßnahmen gefragt. Das Bezirksamt Mitte verneint diese zweite Frage jedoch und lässt verlauten, dass die „derzeit vorhandenen Radverkehrsanlagen“ auch bis „zum Baubeginn der Tunneldeckensanierung weiterhin zur Verfügung“ stehen. Allerdings: Es gibt keine einzige Radverkehrsanlage. „Ein Schlag ins Gesicht aller Bürger, die auf das Fahrrad angewiesen und täglicher Lebensgefahr ausgesetzt sind“, sagt Matthias Bartsch, Sprecher der Stadtteilvertretung und Aktiver beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) und dem Verein Changing Cities.
Sofortmaßnahmen gefordert
Die Stadtteilvertretung fordert ein Paket an Sofortmaßnahmen, das „schnell umsetzbar, einfach und effektiv ist“. Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, hat sich im Januar 2020 das „Bündnis Sicherer Radverkehr Müllerstraße“ gegründet. Interessierte, Anwohnende und weitere Mitstreitende sind herzlich eingeladen, mitzuwirken und sich für eine zügige Umgestaltung der Müllerstraße einzusetzen.
Die Stadtteilvertretung fordert von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und dem Bezirk Mitte als Baulastträger die zügige Umsetzung folgender Maßnahmen:
Durch eine verkehrsrechtliche Anordnung soll die Senatsverwaltung die Markierung eines überbreiten Fahrstreifens direkt am Mittelstreifen auf der Müllerstraße stadteinwärts zwischen Transvaalstraße und Burgsdorfstraße, stadtauswärts zwischen Lindower und Transvaalstraße anordnen.
Ebenfalls durch eine einfache Markierung werden vorhandene, bereits bestehende Parkräume an die rechte Kante des überbreiten Fahrstreifens verschoben. Die ausgewiesenen Parkflächen am Abschnitt Burgsdorfstraße bis Lynarstraße entfallen, vorhandene Parkflächen für mobilitätseingeschränkte Personen werden hingegen beibehalten, ggf. sogar ausgeweitet. Vorhandene Ladezonen werden beibehalten. Im Bereich der Bushaltestellen soll geprüft werden, ob der neu anzulegende sichere Radweg hinter dem Ein-/Aussteigebereich geführt werden kann.
Die durch diese Maßnahmen entstandene Freifläche an den Borden zum Straßenseitenraum wird als benutzungspflichtiger Radstreifen markiert und mit einer baulichen Trennung zur Begrenzung des Parkstreifens linksseitig hin versehen.
Das Ordnungsamt Mitte wird aufgefordert, die Kontrolldichte deutlich zu erhöhen, um die Anordnungen durchzusetzen.
Weiterhin wird gefordert: Die Stadtteilvertretung, Changing Cities und der ADFC sollen beim Verkehrssicherheitsaudit, angesetzt im 1. Quartal 2020, einbezogen werden. Ebenso soll die Stadtteilvertretung in die Planungsphasen und in kurzfristige Entscheidungen zur Verbesserung der Verkehrssituation an der Müllerstraße eingebunden werden.
Kommentar
Es ist gut, dass sich die Stadtteilvertretung Rat und Hilfe bei engagierten Bürgerinnen und Bürgern holt, die es zum Beispiel bei dem aus dem Volksentscheid Fahrrad hervorgegangenen Verein Changing Cities gibt. Da die Bezirksverordnetenversammlung am 23. Januar den Klimanotstand anerkannt hat, stünde es dem Bezirk und dem Senat gut zu Gesicht, am Beispiel der Müllerstraße schnell und unbürokratisch tätig zu werden. Der Fuß- und Radverkehr sowie der Öffentliche Personenverkehr haben wegen des Klimanotstands im Bezirk jetzt Priorität. Der Vorschlag führt zur überfälligen Trennung von Rad- und Autoverkehr durch die andere Anordnung der Parkplätze, wie das aussieht, kann man heute schon auf der Straße des 17. Juni und an der Stromstraße erleben. Vordergründig geht es um weiße Farbe. Aber in Wirklichkeit würde die Botschaft sein: Wir meinen es ernst mit der Entschärfung der Gefahrensituation, wir treiben die Verkehrswende voran und zeigen, wozu wir als Verwaltung in der Lage sind, wenn es drauf ankommt. Bis zur nächsten Wahl im September 2021 sollte das zu schaffen sein.
Autor: Joachim Faust
Auf der Facebookseite der Stadtteilvertretung ist ein Video zu sehen, das die Gefahrensituation aus Radfahrerperspektive aufzeigt.
Die Stadtteilvertretung trifft sich an jedem 1. Donnerstag im Monat um 19.00 Uhr in der Triftstr. 2