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Überraschendes Baudenkmal:
St. Josephskirche – eine Basilika im Wedding

30. Oktober 2022
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An der Mül­lerstra­ße wür­de man wohl kaum eine neo­ro­ma­ni­sche, drei­schif­fi­ge Basi­li­ka ver­mu­ten. Aber die St. Josephs­kir­che ist nicht nur groß und beein­dru­ckend, son­dern besticht auch durch die beson­de­re Geschich­te ihrer künst­le­ri­schen Innen­aus­stat­tung. Ein Bericht von einem Besuch zum Tag des Offe­nen Denkmals. 

St. Joseph im Wedding

Als die Bevöl­ke­rung um die Jahr­hun­dert­wen­de in Wed­ding explo­si­ons­ar­tig anwuchs, reich­te der Platz für katho­li­sche Gläu­bi­ge in der St. Sebas­tian­kir­che am Gar­ten­platz nicht mehr aus. Für eine Aus­grün­dung wur­de ein frei­es Grund­stück zwi­schen der Will­de­now­stra­ße und der Mül­lerstra­ße erwor­ben, wo eine Not­ka­pel­le errich­tet wur­de, die noch heu­te als Gemein­de­saal mit Blick auf den Pfarr­gar­ten dient. Die dem Patron der Arbei­ter, Joseph von Naza­reth, geweih­te Kir­che selbst wur­de von 1907-09 nach Plä­nen eines Bene­dik­ti­ner­pa­ters aus Maria Laach am Mit­tel­rhein erbaut. Ein Hono­rar ver­lang­te der Mönch nicht. Ein biss­chen erin­nert die Kir­che mit­ten im Wed­ding an Köln – den Ein­fluss der rhei­ni­schen Roma­nik erkennt man sofort.

Ursprüng­lich ver­füg­te die Kir­che nur über Steh­plät­ze und ihre Wän­de und Gewöl­be­de­cken waren kahl. Erst in den 1920er-Jah­ren erhielt sie über der halb­run­den Apsis eine Nach­bil­dung des Mosa­iks der römi­schen Kir­che San Cle­men­te. 192526 wur­de die gesam­te Kir­che mit orna­men­ta­len Mus­tern und Wand­bil­dern nach der Beu­ro­ner Schu­le aus­ge­malt. Die­se Aus­rich­tung war von ori­en­ta­li­scher und byzan­ti­ni­scher Kunst inspi­riert, was man auch der St. Josephs­kir­che anmerkt. Doch war die Innen­aus­stat­tung nach einem Dach­ein­sturz infol­ge eines Bom­ben­tref­fers ver­lo­ren­ge­gan­gen – auch der Hoch­al­tar wur­de zer­stört. Bei der Wie­der­her­stel­lung wur­den die Wand­bil­der und Ver­zie­run­gen bis auf die Kreuz­weg­mo­ti­ve und das Dach­mo­sa­ik in der Apsis in den Sei­ten­gän­gen hell übertüncht.

Erst im 21. Jahr­hun­dert besann sich ein kunst­sin­ni­ger Pfar­rer anhand alter Fotos auf die unter der wei­ßen Far­be schlum­mern­den Schät­ze. In Abspra­che mit dem Denk­mal­schutz wur­den die meis­ten Farb­fel­der wie­der frei­ge­legt und restau­riert. Somit erstrahlt die Kir­che – bis auf die Decken­wän­de und das Gewöl­be – wie­der in rot­brau­nen, matt­gel­ben und bläu­li­chen Farb­tö­nen. Ins­be­son­de­re die Engels­fi­gu­ren im Altar­be­reich, die auf den im Krieg zer­stör­ten Putz auf­ge­malt waren und heu­te wie­der auf Lein­wän­den abge­bil­det sind, erin­nern optisch an Jugend­stil und Art-Déco. Der Altar wur­de 198990 aus Car­ra­ra-Mar­mor gefertigt.

Ein­ma­lig im Wed­ding dürf­te die unter der Apsis lie­gen­de Kryp­ta sein, die im Krieg ver­schüt­tet war. Sie wur­de 1995 als Gedenk­stät­te für den Pries­ter Max Josef Metz­ger wie­der­her­ge­rich­tet, der für kur­ze Zeit in der Pfar­rei gewirkt hat­te. Er wur­de 1944 von den Nazis inhaf­tiert und unter dem Scha­fott hin­ge­rich­tet. Das Kreuz in der Kryp­ta wur­de von einem ita­lie­ni­schen Künst­ler aus aus­ran­gier­ten Werk­zeu­gen in Form einer Guil­lo­ti­ne gestal­tet. Der gegen­über der Kir­che lie­gen­de Cour­biè­re­platz wur­de spä­ter nach Max Josef Metz­ger benannt.

Nicht nur ist die Grö­ße und die künst­le­ri­sche Aus­ge­stal­tung die­ser – ansons­ten sehr unschein­bar in eine Häu­ser­front an der Mül­lerstra­ße ein­ge­bet­te­ten – Kir­che beein­dru­ckend, son­dern sie dient seit 2018 sogar als Bischofs­kir­che des Erz­bis­tums Ber­lin. Die St. Hed­wigs­ka­the­dra­le in Ber­lin-Mit­te wird der­zeit umge­baut, sodass ein geeig­ne­ter Ersatz­stand­ort benö­tigt wurde.

St. Joseph (Pfar­rei St. Eli­sa­beth), Mül­lerstr. 161

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

1 Comment

  1. In der St. Afra-Kir­che in der Graun­stra­ße gibt es auch eine Kryp­ta! 😉 Viel­leicht was für den nächs­ten Tag des offe­nen Denkmals.

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