Seit drei Jahren wird in der Soldiner Straße nun gebaut. Anwohner:innen kommt es vor, als würde es sich hier um eine ewige Baustelle handeln, aber diese vermeintlich nie endende Baustelle soll nun im Frühjahr doch ein Ende nehmen. Verändert die Baumaßnahme den Kiez oder gar den Wedding nachhaltig? Ein Bericht aus einer rot-weiß-gestreiften Straße.
Alle Berliner:innen kennen es. Jeder Kiez, Stadtteil, Bezirk hat eine ganz eigene oder sogar mehrere. Keiner weiß, woher sie kommt und wann sie geht. Zuerst kommt Freude auf – mit ihr oder durch sie kommt was Neues, wahrscheinlich eine Verbesserung; aber nach einem, drei, sechs Monaten, wird klar, dass man sie nicht so schnell wieder loswird, dass sie einen noch eine Weile begleiten wird und dass sie zunächst wahrscheinlich das Gegenteil einer Verbesserung bedeutet. Ja, es geht um eine ewige Baustelle. Der Wedding hat mehrere von ihnen, aber uns geht es hier explizit um die in der Soldiner Straße; zwischen Drontheimer Straße/Provinzstraße und Prinzenallee.
Vor der Pandemie stand ich oft im Stau auf der Autobahn A40 und wer sich auch ab und zu in Nordrhein-Westfalen verirrt, weiß, was ich meine: ständiger Stau wegen ewiger, nie endender Baustellen. Mindestens ein Streifen ist immer gesperrt und niemand weiß so richtig, was da eigentlich gebaut wird – wird da überhaupt gebaut? Und wenn ein Streifen dann mal fertig ist, sieht er zumindest nicht aus wie nach einer Schönheits- oder lebensrettenden-OP. Genau dieses Phänomen beobachten wir gerade auch in der Soldiner Straße.
Am 20. November 2018 berichtete das QM Soldiner Straße über den ersten Bauschritt. Damals hieß es, für die Fertigstellung seien das Jahresende 2020 oder das Frühjahr 2021 geplant. Heute wissen wir, dass es frühestens das Frühjahr 2021 wird. Knapp drei Monate bleiben ja noch. Die BVG nennt für die Umleitung ihrer Buslinie 255 sicherheitshalber kein Ende mehr. Vielleicht kehrt der Bus ja nie wieder zurück.
Weiter berichtete das QM, die Baumaßnahme habe eine grundhafte Erneuerung der Fahrbahn, Sanierung der Gehwege und Erneuerung der Laternen zum Ziel. Und wenn sowieso schon 700 Meter der Straße aufgerissen werden, sollten die Wasserbetriebe noch die Betriebsanlagen und Rohre auffrischen – wie bei einer Schönheits-OP eben, wenn man das Ding einmal aufreißt, dann wird die Gelegenheit genutzt, um alles neu und schön zu machen.
Ich habe mit einer Anwohnerin aus der Nachbarschaft gesprochen und sie wusste nicht wirklich, was in ihrer Straße eigentlich vor sich geht: „Ich wohne hier seit drei Jahren und seitdem ist das so. Mal machen sie die eine Seite auf, mal die andere, aber keine Ahnung, was die da eigentlich tun.“ Mit ein wenig Aufwand können natürlich Informationen zu der Baumaßnahme gefunden werden, aber eine Kuriosität wird nirgendwo erklärt: „Seit Monaten, wirklich Monaten, ist die Straße immer noch abgesperrt, obwohl eigentlich alles fertig ist.“, erzählt die Anwohnerin lachend. Aus der abgesperrten Straße sei mittlerweile ein ‚Parking Spot‘ geworden.
Davon berichtete im Spätsommer auch ein Online-Kiez-Magazin, denn im Ende August 2020 mussten schließlich Polizist:innen gegen die Falschparker vorgehen. Die „niemals endende Baustelle“ schaffe zunehmenden Unmut, so der Blog. Ob der Unmut bis heute seinen Höhepunkt bei den Anwohner:innen erreicht hat? Bekanntlich soll ja nicht eine einzige Person für das Kollektiv sprechen, aber bei der interviewten Anwohnerin ist es der Fall: „Alles scheint fertig zu sein, aber die Absperrungen sind immer noch da und keiner weiß so richtig warum. Die Leute machen sie auf, wie sie wollen, um nicht außen rum zu gehen. Das macht einfach keinen Sinn“.
Uns beiden sind auch die neuen Laternen nicht aufgefallen, aber das Frühjahr hat erst begonnen, also vielleicht kommen sie ja noch – und mit ihnen vielleicht (Gott bewahre) auch endlich der Wedding.
Und die rot-weißen Absperrungen sind auch inzwischen verschwunden!