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Weddingbuch neu gelesen:
Roman der verdrehten Gefühle

10. Januar 2024

Manchmal fällt einem ein älteres Buch in die Hände und man staunt beim Lesen, was damals schon über das Hier und Heute darin steckte. "Vindicta - Strafe muss sein" ist so ein Buch. Der Krimi spielt im Wedding. Und dort in der Sado-Maso-Szene, im Studio Carpe Noctem (Nutze die Nacht). Autorin Isabella Bach hat das Buch nicht für Voyeure geschrieben, sondern für alle, die wissen wollen, woher eigentlich die Lust an Furcht und Angst kommt. Am 20. Januar liest die Autorin in Hellersdorf bei der 7. Lesenacht an der M8.

Autorin Isabella Bach alias Doris Wiesenbach. Foto Matthias Voigt

Die Erwartung bei der Lektüre ist, dass sich nicht viel an dem Eindruck geändert haben kann, den der Weddingweiser-Autor 2015 im Beitrag Wedding-Krimi: "Vindicta – Strafe muss sein" notiert hatte. Denn die Buchstaben auf den 208 Seiten der von der Autorin Isabella Bach freigegebenen 2. Auflage sind dieselben. Der Krimi spielt weiterhin im Milieu. Unverändert ermittelt der Kommissar gegen die Enkelin seiner Freundin. Und nach wie vor überrascht das Ende, an dem klar wird, wer die Daniela Wackernagel getötet hat. Die junge Frau, die aus freien Stücken Sklavin für den bösesten Sadisten der Stadt sein mochte. Und wie vor acht Jahren bei der ersten Lektüre bewegen sich die Figuren zwischen U-Bahnhof Rehberge und Volkspark Humboldthain. Und dennoch liest man Vindicta heute nicht ausschließlich als Gegenentwurf zum Blockbuster Fifty Shades of Grey.

Die Angst vor dem Licht

Heute drängt sich etwas anderes nach vorn. Denn neu sind die Umstände, in denen sich der Leser heute befindet. Fast möchte man meinen, vor acht Jahren war die Welt noch in Ordnung. Wissenschaft, Wahrheit, Argument und Licht hatten noch einen Wert. Heute dagegen greifen Verschwörungsmärchen, plumpe Lügen und fühlige Debatten um sich. Wenn die Aufklärung mit den Metaphern Licht und Sonnenaufgang spielt, dann wird die Gegenwart mehr und mehr von Metaphern des Sonnenuntergangs, der Nacht und dem Verzicht auf den Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit beschrieben. Carpe Noctem statt carpe diem.

Isabella Bach legt in dem Buch Vindicta den Schwerpunkt auf die Beschreibung der Motive ihrer Figuren. Schmerzen kommen auch vor, aber sie sind nicht das Eigentliche. Auf die Idee, den Roman zu schreiben, kam Isabella Bach, durch die Frage: Warum suchen Menschen freiwillig nach Schmerzen? Bekannte und Freundinnen haben sie in die SM-Szene eingeführt und die Autorin hat dort die Menschen beobachtet. Sehr genau. Und so versucht das Buch nicht, in bislang ungelesener Weise den Leser zu ergötzen, indem dieser in die Position des Masochisten oder Sadisten versetzt wird. Vielmehr bleibt der Leser Betrachter, so als ob ihn die Autorin an die Hand nimmt, um ihn an den Seelen der Menschen dieser Szene vorüberzuführen.

Der Roman schafft es - vor allem dank des unerwarteten Schlusses - dem Leser verständlich zu machen, wie Abhängigkeit das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Ein Paradox. Das den Leser berührt, weil derzeit zu erleben ist, wie soziale Netzwerke genau diese verdrehten Gefühle ungebremst verbreiten. Weil dort die Furcht gefeiert wird. Furcht vor Veränderung, vor Fremden, vor der Zukunft. Weil auch dort Stärke simuliert wird, wo sich mit Feigheit vor den eigenen Problemen auseinandergesetzt werden müsste. Der Gewinn des Buches besteht darin, dass der Leser am Ende nicht denkt: Wie verrückt sind die denn. Vielmehr versteht er die Logik der verdrehten Gefühle. Dass die Angst vor dem Licht sinnvoll und stimmig erscheinen kann.

Cover des Krimis "Vindicta - Strafe muss sein". Grafik: Verlag

Hinter Isabella Bach steckt Doris Wiesenbach

Die Autorin Isabella Bach lebt im Wedding. In ihrem Personalausweis steht der Name Doris Wiesenbach. Isabella Bach ist ihr Künstlername. Über sich selbst sagt sie, dass sie Tabuthemen, bizarre Geschichten, schräge Charaktere und intelligente Morde liebe. In ihren Büchern geht es um staatliche Unterdrückung (Grenzenlos – Deutsch-deutsche Kurzgeschichten), unerklärliche Todesfälle im gediegenen Hermsdorf (Die stille Wut der Tante) und um gestörtes Seelengleichgewicht (Leinwand ohne Gesicht - 2022).

Das Buch "Vindicta - Strafe muss sein" ist im Marterpfahl-Verlag erschienen. Zu kaufen ist es aber direkt bei der Autorin per E-Mail unter [email protected]. Und bei ihrer Lesung am 20. Januar. Die Lesung ist im Mietertreff Wuhleanger der BBWBG e.G. in der Schleusinger Straße 8. Der Treff befindet sich nahe M8-Haltestelle Wuhletalstraße. Anlass ist die 7. Lesenacht an der M8 in Hellersdorf.

Ältere Besprechung des Buches

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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